ASH 2017, Atlanta

Primäres Ziel auch bei der CLL: Verschwinden der minimalen Resterkrankung

Eines der wichtigen Ziele der Therapie bei der chronischen lymphatischen Leukämie (CLL) in klinischen Studien ist mittlerweile die Eradikation einer detektierbaren minimalen Resterkrankung (MRD), weil der Patient dann eine deutlich bessere langfristige Prognose hat – egal, mit welcher Therapie die MRD-Negativität erzielt wurde. Der Nutzen neuer Therapieoptionen wird daher immer häufiger daran gemessen, wie viele Patienten diesen Zustand erreichen. Das wurde ganz deutlich bei der Jahrestagung der American Society of Hematology (ASH) im Dezember 2017 in Atlanta, wo die MRD-Negativität bei den meisten vorgestellten klinischen CLL-Studien ein zentraler Zielparameter war. Auffällig ist außerdem das seit einiger Zeit erkennbare Bemühen um eine zeitliche Begrenzung der Therapie, nicht zuletzt begründet durch die Kosten der neuen Medikamente.

 

Ein Highlight des Kongresses waren sicherlich aus CLL-Sicht die ersten Resultate der globalen MURANO-Studie, die John Seymour, Melbourne, in der Late-Breaking-Abstracts-Sitzung am letzten Tag präsentierte [1]. Die Kombination aus dem BCL2-Inhibitor Venetoclax und dem CD20-Antikörper Rituximab (VR) war hier dem Bendamustin-Rituximab-Regime (BR) weit überlegen und wird daher in absehbarer Zeit dieses als langjährigen Standard bei der rezidivierten/refraktären CLL ablösen:
Das BCL2-Protein spielt in CLL-Zellen eine wichtige Rolle bei der Verhinderung der Apoptose. Der BCL2-Inhibitor Venetoclax ist bisher zugelassen als Monotherapie bei Patienten mit rezidivierter oder refraktärer CLL nach Chemoimmun- und zielgerichteter Therapie mit BCR-Inhibitoren bzw. bei Patienten mit rezidivierter CLL und 17p-Deletion. Diese Zulassung basierte auf Phase-I- [2] und Phase-II-Daten [3]. Die Chemotherapie-freie Kombination aus Venetoclax und Rituximab hatte in einer Phase-I-Studie bereits hohe Raten an Komplettremissionen erbracht und bei vielen Patienten zum Verschwinden einer minimalen Rest­erkrankung geführt [4]. MURANO stellt die erste Phase-III-Studie zur Anwendung von Venetoclax bei der rezidivierten oder refraktären CLL dar, wo bisher BR ein Standard war, der auch auf Studien der deutschen CLL-Studiengruppe zurückging [5]. MURANO sollte neben der Wirksamkeit der neuen Kombination auch deren Potenzial ausloten, mit einer zeitlich limitierten Anwendung die Chancen auf ein progressionsfreies Überleben zu verbessern, so Seymour.
Dazu wurden 389 Patienten eingeschlossen, die bis zu drei vorhergehende Therapien erhalten hatten, darunter mindestens eine mit Chemotherapie. Sie mussten entsprechend der iwCLL-Leitlinie [6] erneut therapiebedürftig sein und wurden anhand des Vorliegens einer 17p-Deletion, des Ansprechens auf die letzte vorangegangene Therapie und der geografischen Herkunft stratifiziert. Im VR-Arm wurde Venetoclax über vier bis fünf Wochen von 20 auf 400 mg/d aufdosiert, um das Risiko für ein Tumorlyse-Syndrom zu minimieren. Rituximab wurde ab Woche 6 insgesamt sechsmal in vierwöchigen Abständen infundiert. Venetoclax sollte bis zu einer erneuten Progression der Krankheit bzw. für maximal zwei Jahre gegeben werden. Im BR-Arm erhielten die Patienten Bendamustin und Rituximab jeweils für sechs Zyklen. Primärer Endpunkt war das durch die Prüfärzte festgestellte progressionsfreie Überleben.

Hier war nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 23,8 Monaten der VR-Arm weit überlegen mit einer Hazard Ratio von 0,17 (95%-Konfidenzintervall 0,11–0,25; p < 0,0001). Der Medianwert war im VR-Arm noch nicht erreicht, im BR-Arm lag er bei 17,0 Monaten (Abb. 1); nach zwei Jahren waren unter VR 84,9%, unter BR lediglich 36,3% der Patienten progressionsfrei am Leben. Diese Wirkung erstreckte sich auf alle untersuchten Subgruppen, insbesondere auch auf die Patienten mit 17p-Deletion und war in der verblindeten Beurteilung durch ein zentrales Expertenkomitee von ähnlicher Größenordnung (HR 0,19).

Bezüglich der wichtigsten sekundären Endpunkte zeigten sich beim Gesamtüberleben eine Halbierung des Risikos durch Venetoclax (HR 0,48; 95%-KI 0,25–0,90; p = 0,0186) und bei der Gesamtansprechrate ebenfalls eine deutliche Überlegenheit (93,3% vs. 67,7%; Tab. 1); die Rate an kompletten Remissionen mit oder ohne vollständige hämatologische Restitution war im VR-Arm mehr als dreimal so hoch wie im BR-Arm (26,8% vs. 8,2%; Tab. 1), ebenso wie die Rate an MRD-negativen Befunden (< 10-4) im peripheren Blut (nach neun Monaten 62% vs. 13%; Abb. 2). Außerdem war die MRD-Negativität im VR-Arm dauerhafter: Sie lag nach 18 Monaten hier immer noch bei 60%, während sie im BR-Arm von maximal 13% nach neun Monaten auf 5% gesunken war (Abb. 2).

Die Nebenwirkungsprofile beider Regimes boten keine Überraschungen: Unter VR gab es mehr Grad-3/4-Neutropenien, die aber nicht häufiger zu febrilen Neutropenien oder Infektion höherer Schweregrade führten. Tumorlyse-Syndrome vom Grad 3 oder höher wurden im VR-Arm etwas häufiger gesehen, aber klinisch relevant war jeweils nur ein Fall in jedem Arm. Die gute Verträglichkeit von Venetoclax zeigt sich auch in der Tatsache, dass die vorgesehene Dosis­intensität zu 97% erreicht wurde.
Das Chemotherapie-freie Regime aus Venetoclax und Rituximab erwies sich damit dem BR-Protokoll als hochgradig überlegen, was Ansprechrate und -tiefe sowie progressionsfreies und Gesamtüberleben bei diesen Patienten mit rezidivierter oder refraktärer Erkrankung anging. Im Gegensatz zu früher nehmen CLL-Spezialisten in den letzten Jahren öfter sogar das Wort „Heilung“ in den Mund: Ob man für einen Großteil der Patienten im VR-Arm dieser Studie schon davon sprechen kann, muss man angesichts der vielen zensierten Patienten in Abb. 1 abwarten. Alleine die lange Zeit der Progressionsfreiheit, in der sie keine neuen Therapien erhalten müssen, ist für die Patienten aber ein enormer Vorteil. Dass außerdem auch beim Gesamtüberleben eine klinisch bedeutsame Verlängerung erreicht wurde, und das alles bei bekannt guter Verträglichkeit, wird Venetoclax/Rituximab im Falle der Zulassung zur neuen Standard-Therapieoption bei diesen Patienten machen, so John Seymour.

B-Zell-Rezeptor-Signalweg und BCL2 hemmen

Die durch den B-Zell-Rezeptor (BCR) vermittelte Antigen-Erkennung ist bei der Pathogenese der CLL von großer Bedeutung. Neben dem BCL2-Inhibitor Venetoclax war in den letzten Jahren die Strategie der Hemmung des BCR-Signalwegs sehr erfolgreich. Bei der intrazellulären Vermittlung der BCR-Signale spielt die Bruton-Tyrosinkinase (BTK) eine wichtige Rolle; der orale BTK-Inhibitor Ibrutinib hemmt die Proliferation ebenso wie Adhäsion und Migration von CLL-Zellen. Es ist ebenso wie Venetoclax bisher zur Monotherapie zugelassen und führt zu einer raschen Reduktion der Lymphadenopathie durch Ausschwemmung der leuk­ämischen Zellen in das periphere Blut. Zusammen mit Venetoclax, das eine schnelle Eradikation dieser Zellen bewirkt, sollte Ibrutinib theoretisch besonders wirksam sein, so Peter Hillmen, Leeds. Es ist sogar mit synergistischen Effekten zu rechnen, weil Ibrutinib die Expression weiterer anti-apoptotischer Moleküle wie zum Beispiel MCL1 reduziert.
In der Machbarkeitsstudie CLARITY, deren erste Resultate Hillmen in Atlanta vorstellte [7], wurde die Kombination bei 50 Patienten getestet, deren CLL entweder innerhalb von drei Jahren nach einer Immunchemotherapie rezidiviert war oder die eine 17p-Deletion aufwiesen und bei denen wenigstens eine vorangegangene Therapie versagt hatte. Sie erhielten zunächst acht Wochen lang Ibrutinib und dann einschleichend Venetoclax, das über fünf Wochen stufenweise von 20 auf 400 mg/d erhöht wurde. Primärer Endpunkt ist der Anteil der Patienten, bei denen nach 12-monatiger Behandlung mit der Kombination eine MRD-Eradikation erzielt werden kann (gemessen mit einer 8-Farb-Durchflusszytometrie mit einer Sensitivität von 10-4).
Zu den sekundären Endpunkten zählt der Anteil MRD-negativer Patienten nach sechsmonatiger Kombinationstherapie, und diese Therapiedauer – d. h. Ibrutinib acht Monate lang alleine und sechs Monate lang zusammen mit Venetoclax – haben bisher laut Hillmen 38 Patienten erreicht. Sie sprachen zu 100% an, 18 von ihnen (47%) mit einer kompletten Remission mit oder ohne vollständige hämatologische Regeneration. Partielle Remissionen waren sämtlich durch Lymphknoten charakterisiert, die zwar vergrößert, aber deutlich kleiner waren als vor Beginn der Therapie. Im Knochenmark haben bislang zwölf der 38 Patienten (32%) MRD-Negativität, also einen der sekundären Endpunkte, erreicht. Diese zwölf Patienten werden die Kombination noch weitere sechs Monate lang einnehmen, weil das Studienprotokoll vorsieht, nach Erreichen des MRD-negativen Status noch einmal genauso lange damit zu behandeln wie davor.
Die Kombination von BTK- und BCL2-Inhibitor wurde gut vertragen – lediglich in zwei Fällen musste die Venetoclax-Gabe wegen biochemischer Anzeichen für ein Tumorlyse-Syndrom unterbrochen werden. Die Kombination ist damit hoch wirksam und wird in weiteren Studien untersucht werden. So wurde in der britischen Phase-III-Studie FLAIR, in der bereits seit 2015 die Kombination aus Ibrutinib und Rituximab getestet wird, Mitte 2017 ein weiterer Arm eröffnet, in dem 274 CLL-Patienten in der Erstlinie mit Ibrutinib und Venetoclax behandelt werden sollen. Als Kontrollregime für alle experimentellen Protokolle dient in FLAIR die klassische, durch die deutsche CLL8-Studie etablierte Immunchemotherapie aus Fludarabin, Cyclophosphamid und Rituximab (FCR). Erste Daten werden für 2019 erwartet.

Noch einmal Ibrutinib plus Venetoclax

Ebenfalls eine Interimsanalyse gab es von einer Phase-II-Studie, die komplett am M. D. Anderson Cancer Center durchgeführt wird [8]: Darin wurden in zwei Kohorten Patienten mit rezidivierter oder refraktärer CLL oder solche ohne Vorbehandlung, die mindestens ein Hochrisikomerkmal aufweisen (Deletion 17p, mutiertes TP53, Deletion 11q, unmutiertes IGHV, ≥ 65 Jahre) mit Ibrutinib und Venetoclax behandelt, wobei in den ersten drei Monaten nur der BTK-Inhibitor gegeben wird. Geplant ist der Einschluss von 39 Patienten pro Kohorte, so Nitin Jain, Houston, und als primärer Endpunkt wurde hier das Erreichen einer Komplettremission mit oder ohne vollständige hämatologische Erholung gewählt. Außerdem wird in regelmäßigen Abständen durchflusszytometrisch nach einer minimalen Resterkrankung gefahndet.
Bei 24% der Patienten musste die Ibrutinib- und bei 18% die Venetoclax-Dosis reduziert werden, am häufigsten aufgrund einer Neutropenie. Es trat lediglich ein einziger Fall von Laborzeichen für ein Tumorlyse-Syndrom auf; das Risiko dafür wurde durch die vorgeschaltete Ibrutinib-Therapie bei etwa der Hälfte der Patienten deutlich reduziert. Das Ansprechen der Patienten verbesserte sich mit zunehmender Dauer der Kombinationstherapie: So waren in der rezidiviert/refraktären Kohorte von fünf Patienten, die die Kombination bereits seit zwölf Monaten einnahmen, vier in kompletter Remission und zwei im Knochenmark MRD-negativ, in der Kohorte mit neu diagnostizierter Hochrisiko-CLL waren alle drei Patienten mit einjähriger Therapiedauer in kompletter Remission und MRD-negativ.

Auch Hemmung von BCL2 und CD20 vielversprechend

Auch für Venetoclax und Obinutuzumab, den glykomodifizierten Typ-II-Antikörper gegen CD20, wurden in präklinischen Untersuchungen Hinweise auf eine synergistische Aktivität gegen CLL-Zellen gefunden. Zu einer Phase-Ib-Studie, in der CLL-Patienten diese Chemotherapie-freie Kombination entweder als Erstlinien- oder als Rezidivtherapie erhalten hatten, präsentierte Ian Flinn, Nashville, in Atlanta aktualisierte Daten für die Erstlinien-Kohorte [9]. Venetoclax wurde insgesamt ein Jahr lang gegeben, zu Beginn mit sechs monatlichen Zyklen von Obinutuzumab.
Die Verträglichkeit war gut, insbesondere trat kein einziges klinisch relevantes Tumorlyse-Syndrom auf. Alle 32 eingeschlossenen Erstlinien-Patienten sprachen auf die Therapie an, 23 von ihnen (72%) mit einer kompletten Remission (Tab. 1). Soweit die kleinen Gruppengrößen eine Aussage zulassen, war das Ansprechen in allen zytogenetischen Subgruppen in etwa vergleichbar (Tab. 1). Im peripheren Blut waren alle Patienten MRD-negativ geworden, im Knochenmark drei Viertel von ihnen (Abb. 3). Drei Patienten waren bisher progredient, so Flinn: Einer von ihnen mit den Deletionen 11q und 17p sowie unmutiertem IGHV zu Beginn war im Knochenmark nie MRD-negativ geworden. Bei zwei weiteren Patienten, die nach einem Jahr Therapie noch MRD-frei gewesen waren, entwickelte sich nach 437 bzw. 474 Tagen eine Richter-Transformation (zu einem diffus-großzelligen B-Zell-Lymphom bzw. einem Hodgkin-Lymphom). Verstorben ist bisher keiner dieser Patienten, die Raten für progressionsfreies Überleben lagen nach einem Jahr bei 100%, nach 15 Monaten bei 93,8% und nach 18 Monaten bei 90,5%.

Für die lediglich einjährige Dauer dieser Chemotherapie-freien Behandlung sind das bemerkenswerte Ergebnisse, so Flinn: Die hohen Raten für Komplett­remissionen, MRD-Negativität und progressionsfreies Überleben lassen eine langfristige Krankheitskontrolle mit minimaler Toxizität erwarten. Endgültigen Aufschluss darüber wird die Phase-III-Studie CLL14 der deutschen CLL-Studien­gruppe geben, in der dieser Ansatz überprüft wird und deren Rekrutierung abgeschlossen ist [10]: Darin wird die Venetoclax-Obinutuzumab-Kombination bei älteren Patienten mit Begleiterkrankungen randomisiert mit der Kombination aus Chlorambucil und Obinutuzumab verglichen, die durch die CLL11-Studie zum derzeitigen Standard für diese Patienten geworden ist.

Chemotherapie-freie Dreier­kombination

Noch einen Schritt weiter geht eine Phase-II-Studie, in der eine Kohorte von Patienten mit neu diagnostizierter CLL die Dreierkombination aus Obinutuzumab, Ibrutinib und Venetoclax erhielt [11]. Nach acht vierwöchigen Zyklen, d. h. nach dem Ende der Obinutuzumab-Gabe, so Kerry Rogers, Columbus, hatten alle 24 auswertbaren Patienten angesprochen, davon 13 (52%) mit einer kompletten Remission. Gleichzeitig waren 14 Patienten (58%) im peripheren Blut ebenso wie im Knochenmark MRD-negativ, und das Regime war gut verträglich; insbesondere gab es auch hier keine Schwierigkeiten mit Tumorlyse-Syndromen. Primärer Endpunkt sind die MRD-Daten nach Zyklus 14 – sie werden im Mai 2018 erwartet.
In der deutschen CLL-Studiengruppe sind wir in einer vierarmigen Phase-III-Studie dabei, unter anderem diese Dreierkombination gegen die konventionelle Immunchemotherapie zu testen: Im CLL13-Protokoll (auch GAIA; [12]) ist bei fitten Patienten mit neu diagnostizierter CLL ohne 17p-Deletion oder TP53-Mutation der randomisierte Vergleich einer FCR- oder BR-Immunchemotherapie mit drei verschiedenen Chemotherapie-freien Regimes vorgesehen: Venetoclax-Rituximab, Venetoclax-Obinutuzumab und in einem vierten Arm die Dreierkombination aus Venetoclax, Ibrutinib und Obinutuzumab.

Bei fitten Patienten Chemotherapie reduzieren

Die Immunchemotherapie mit Fludarabin, Cyclophosphamid und Rituximab (FCR) wurde durch die CLL8-Studie der deutschen CLL-Studiengruppe als Standard für jüngere, fitte Patienten mit neu diagnostizierter CLL etabliert, von dem sechs Zyklen zu MRD-Negativität im Knochenmark bei bis zu mehr als der Hälfte der Patienten führen. Insbesondere Patienten mit mutierten IGHV-Genen schneiden vorteilhaft ab [13] und erreichen progressionsfreie Überlebensraten nach zehn Jahren von mehr als 60%, wobei das Erreichen von MRD-Negativität die Prognose noch deutlich verbessert [14]. Allerdings ist die Chemotherapie-Komponente mit einem etwa 5%igen Risiko für die Entwicklung eines myelodysplastischen Syndroms oder einer akuten myeloischen Leukämie verbunden – Grund genug, um nach Therapieoptionen zu suchen, in denen die Chemotherapie zurückgedrängt wird, ohne dadurch Effektivität zu verlieren.
Dazu läuft derzeit eine ganze Reihe von klinischen Studien – so haben beispielsweise Kollegen am M. D. Anderson Cancer Center in Houston in einer Phase-II-Studie folgende Wahl getroffen [15]: Sie behandelten Patienten mit nicht vortherapierter CLL, mutiertem IGHV und ohne 17p-Deletion bzw. TP53-Mutation mit nur drei Zyklen einer Kombination, die auf dem FCR-Regime aufbaute. Allerdings wurde Rituximab durch Obinutuzumab ersetzt und außerdem zusätzlich mit Ibrutinib kombiniert; beide Substanzen sind für ihr hohes Potenzial bei der Erzielung von MRD-Negativität bekannt, so Nitin Jain, Houston. Patienten, die mit drei Zyklen dieses Protokolls eine komplette Remission mit MRD-Negativität im Knochenmark (das war der primäre Endpunkt) erreichten, erhielten zur Konsolidierung drei weitere Zyklen Ibrutinib-Obinutuzumab und danach noch für sechs Monate Ibrutinib. Bei Nicht-Erreichen des primären Endpunkts wurden BTK-Inhibitor und Antikörper für bis zu zwölf Zyklen gegeben.
Alle bislang 32 Patienten, die die ersten drei Zyklen (inklusive Chemotherapie) beendet haben, zeigten ein Ansprechen, und 87% von ihnen waren im Knochenmark MRD-negativ; zum Vergleich: in der CLL8-Studie waren es unter dem FCR-Regime 26% gewesen. Von den 14 Patienten (44%) mit einer klinischen Komplettremission (mit oder ohne vollständige hämatologische Erholung) wurden alle MRD-negativ, von den 18 mit partieller Remission 78%. Die Qualität des Ansprechens scheint mit zunehmender Studiendauer zuzunehmen: Alle 19 Patienten, die bereits zwölf Monate in der Studie behandelt werden, sind MRD-negativ, und hier ist auch die Komplettremissionsrate auf 84% angestiegen. Alle diese Patienten haben protokollgemäß die Behandlung beendet, und alle sind bislang – im Median 5,5 Monate nach dem Absetzen – immer noch MRD-negativ, wie Jain betonte. Parameter, die mit dem Erreichen der tiefsten Remissionsstufe korrelierten, waren ein niedriges β2-Mikroglobulin, eine geringe CD38-Expression auf den leukämischen Zellen und eine geringe ZAP-70-Expression.
An Grad-3/4 Toxizitäten wurden vor allem Neutropenien und Thrombozytopenien registriert, die aber in erster Linie während der ersten drei Zyklen, also unter der Chemotherapie auftraten.
Mit der oben erwähnten CLL13-Studie wollen wir in der deutschen CLL-Studiengruppe diesen Schritt überspringen und ein Chemotherapie-freies Protokoll als Alternative zur Immunchemotherapie etablieren. Mit den Endpunkten, die wir damit verfolgen – sowohl eine möglichst starke Eradikation der minimalen Resterkrankung als auch eine Verbesserung der Überlebenschancen der Patienten – hoffen wir dem Ziel einer Heilung der CLL ein gutes Stück näher zu kommen.

Prof. Dr. med. Stephan Stilgenbauer
Klinik für Innere Medizin III
Universitätsklinikum Ulm
Albert-Einstein-Allee 23, 89081 Ulm


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Dieser Artikel entstand unter Mitwirkung von Josef Gulden