Multiples Myelom: neue Kombinationen und neuartige Immuntherapien

ASH 2017, Atlanta

Die Ära der Immuntherapien im weitesten Sinn begann etwa bei den Lymphomen bereits vor 20 Jahren mit der Einführung von Rituximab; beim Multiplen Myelom hat es deutlich länger gedauert, aber mit Daratumumab und Elotuzumab sind seit wenigen Jahren ebenfalls sehr effektive monoklonale Antikörper im Einsatz. Und für Myelom-Patienten, die gegen alle verfügbaren Therapien refraktär sind, werden jetzt – wie bei akuten Leukämien und Lymphomen – die neues­ten „Hightech“-Waffen der Onkologie erprobt: Autologe zytotoxische T-Lymphozyten mit chimären Antigenrezeptoren (CAR-T-Zellen) zeigen in ersten Phase-I-Studie auch hier erstaunliche Wirksamkeit.


Rezidiviertes oder refrak­täres Multiples Myelom

POLLUX und CASTOR: Vorteil der Daratumumab-Kombination bestätigt

Derzeit ist der CD38-Antikörper Daratumumab unter anderem in der rezidivierten/refraktären Situation in Kombination sowohl mit Lenalidomid/Dexamethason (DRd) als auch mit Bortezomib/Dexamethason (DVd) zugelassen. Erstere Kombination wurde in der Phase-III-Studie POLLUX gegen Rd alleine getestet, wobei sie das progressionsfreie Überleben signifikant verlängern konnte [1]. In Atlanta zeigte Meletios Dimopoulos, Athen, eine aktualisierte Auswertung nach im Median 25,4 Monaten Follow-up [2]:
Beim progressionsfreien Überleben war der Vorteil durch die Dreierkombination weiterhin hochsignifikant mit einer rund 60%igen Reduktion des Risikos (Median unter DRd noch nicht erreicht, unter Rd 17,5 Monate; HR 0,41; p < 0,0001; Abb. 1a). Ebenso beeindruckend war der Unterschied beim Ansprechen mit Raten für das Gesamtansprechen von 93% versus 76% (p < 0,0001 Abb. 1b), für eine mindestens sehr gute partielle Remission von 79% versus 48% (p < 0,0001) und für eine mindestens komplette Remission von 51% versus 21% (p < 0,0001). Bei Patienten ohne nachweisbare minimale Rest­erkrankung (MRD; bei einer Sensitivität von < 10-5) war das progressionsfreie Überleben unabhängig von der vorangegangenen Therapie länger als bei MRD-positiven Patienten. Der wesentliche Vorteil der DRd-Therapie: Eine MRD-Negativität konnte damit mehr als viermal häufiger erreicht werden als mit Rd (bei 26% vs. 6% der Patienten; p < 0,0001).

Auch die Zeit bis zur nächsten erforderlichen Myelom-Therapie war nach DRd signifikant länger (Median nicht erreicht vs. 22,7 Monate nach Rd; HR 0,34; p < 0,0001). Der Nachteil der Rd-Therapie konnte durch eine Folgetherapie auch nicht mehr wettgemacht werden, so Dimopoulos: Analysierte man nämlich die Zeit von der ursprünglichen Randomisierung bis zur Progression unter der ersten Folgetherapie nach DRd bzw. Rd, schnitt auch hier die Dreierkombination signifikant besser ab, mit einer Hazard Ratio von 0,55 (p = 0,0002). Wurden nur die Patienten analysiert, die unter DRd (n = 75) bzw. Rd (n = 18) MRD-negativ geworden waren, war hingegen kein Unterschied zu erkennen.
Ähnliche Daten konnte Susanne Lentzsch, New York, für die CASTOR-Studie präsentieren, in der in einem identischen Studiendesign Daratumumab in Kombination mit Bortezomib und Dexamethason (DVd) gegen Vd alleine getestet worden war [3].

Daratumumab auch subkutan gut wirksam

Die intravenöse Infusion von Daratumumab ist mit infusionsbedingten Reaktionen bei beinahe der Hälfte der Patienten assoziiert. Wie bereits bei anderen therapeutischen Antikörpern versucht man deshalb, für den CD38-Antikörper eine subkutan zu verabreichende Galenik zu entwickeln, die die Gabe einfacher und besser verträglich machen würde. Für eine Formulierung, bei der der Antikörper vor einer subkutanen Infusion mit rekombinanter humaner Hyaluronidase gemischt werden muss, konnte bereits eine niedrige Rate an Infusionsreaktionen gezeigt werden [4]. In Atlanta präsentierte Ajai Chari, New York, eine aktualisierte Auswertung dieser sowie Daten einer weiteren Kohorte, in der eine vorgefertigte Mischung beider Komponenten durch eine einfache subkutane Injektion innerhalb von drei bis fünf Minuten verabreicht werden kann [5].
Mit dieser Galenik ließen sich nach drei Zyklen höhere Serumkonzentrationen des Antikörpers erzielen als mit der standardmäßigen intravenösen Gabe. Die subkutane Verabreichung war gut verträglich, mit Injektionsreaktionen bei lediglich 12% der Patienten. Die Gesamtansprechrate nach 4,6 Monaten betrug 44% und war vergleichbar mit der, die man 8,3 Monate nach subkutaner Infusion der zuvor vermischten Komponenten erhielt. Die subkutane Galenik wird nun in vier Phase-III-Studien geprüft – in Monotherapie gegen die intravenöse Gabe, in Kombination mit Pomalidomid/Dexamethason sowie beim „Smouldering myeloma“ und bei Amyloi­dose.

Erhaltungstherapie mit oralem Proteasom-Inhibitor

Eine Erhaltungstherapie zeigt bei Patienten mit Multiplem Myelom durchaus Nutzen, aber Proteasom-Inhibitoren werden dazu bisher nur sehr zurückhaltend eingesetzt, zum einen wegen der dafür erforderlichen parenteralen Gabe, zum anderen aufgrund der Toxizität, vor allem der peripheren Neuropathien, die bei Substanzen wie Bortezomib und Carfilzomib nicht ausgeschlossen werden können. Diese Hinderungsgründe entfallen bei Ixazomib, weil dieser Proteasom-Inhibitor oral verfügbar ist und kein erhöhtes Neuropathie-Risiko aufweist. In bisher vier Phase-I/II-Studien erhielten deshalb nicht transplantierbare Patienten mit neu diagnostiziertem Mye­lom, die eine Induktionstherapie mit Ixazomib in Kombination mit Lenalidomid/Dexamethason, Melphalan/Prednison oder Cy­clophosphamid/Dexamethason bekommen hatten, zur Erhaltung eine Monotherapie mit Ixazomib, die bis zum Auftreten einer Progression oder von nicht akzeptablen Toxizitäten gegeben wurde. Meletios Dimopoulos stellte in Atlanta eine integrierte Analyse aller vier Studien vor [6]:
Die mediane progressionsfreie Zeit für alle 121 Patienten zusammen lag bei 33,8 Monaten ab Beginn der Induktions- und bei 21,4 Monaten ab Beginn der Erhaltungstherapie. Die Subgruppen, die die Induktionsbehandlungen mit Lenalidomid und Cyclophosphamid erhalten hatten, schnitten etwa gleich gut ab, während die Kombination mit Melphalan und Prednison dagegen abzufallen schien. Die Gesamtansprechrate lag nach der Induktion bei 93% und nach Ende der Erhaltungstherapie mit 94% nicht viel höher, aber das Ansprechen konnte durch die Erhaltungstherapie bei einer Reihe von Patienten vertieft werden: Vier Patienten mit kompletter Remission (CR) kamen darunter in eine stringente CR (sCR, d. h. normales Verhältnis freier Leichtketten im Serum und kein Nachweis klonaler Plasmazellen im Knochenmark), 14 von einer sehr guten partiellen Remission (VGPR) in eine (stringente) CR, fünf von einer partiellen Remission (PR) in einer VGPR oder CR und einer von einer stabilen Erkrankung in eine PR. Die Gesamtüberlebensrate vier Jahre nach Beginn der Behandlung überhaupt bzw. drei Jahre nach Beginn der Erhaltungstherapie betrug 82%, so Dimopoulos.
Die Langzeitbehandlung war gut verträglich: Von den 78% der Patienten, die die Monotherapie beendeten, taten das nur 7% aufgrund von Toxizitäten (hingegen 55% wegen einer Krankheitsprogression). Diese Daten sind vergleichbar mit denen aus anderen Studien mit Erhaltungstherapien und rechtfertigen die Fortführung mehrerer Phase-III-Studien, in denen die Ixazomib-Erhaltung bei Patienten mit neu diagnostiziertem Mye­lom nach autologer Stammzelltransplantation [7] bzw. bei nicht für eine Transplantation geeigneten Patienten untersucht wird [8, 9].

Elotuzumab/Lenalidomid/Dexamethason zur Erhaltung?

Der SLAMF7-Antikörper Elotuzumab ist in Kombination mit Lenalidomid und Dexamethason zur Behandlung von Myelom-Patienten zugelassen, deren Erkrankung nach bis zu drei vorangegangenen Therapien rezidiviert oder refraktär ist. Da Lenalidomid sich auch als Erhaltungstherapie nach autologer Stammzelltransplantation bewährt hat und seit Kurzem auch dafür zugelassen ist, wurde in einer Phase-II-Studie getestet, ob die Dreierkombination (Elotuzumab/Lenalidomid/Dexamethason) sich hier ebenfalls eignen und die Ergebnisse mit der Doublette eventuell noch verbessern könnte [10].
Von 68 Patienten, die dieses Dreier-Protokoll nach der Transplantation erhalten hatten, konnten 25 (36%) innerhalb von median dreieinhalb Zyklen ihre Remissionsqualität verbessern, so Sheeba Thomas, Houston; davon erreichten 14 (20%) ausgehend von einer partiellen oder einer sehr guten partiellen Remission eine komplette Remission, die in sechs Fällen sogar stringent war.
Es könnte sogar sein, dass die Komplettremissionsrate hier unterschätzt wird, so Thomas, weil Elotuzumab möglicherweise die Ergebnisse der Immunelektrophorese beeinflusst. Weiteres Follow-up und die Behandlung von mehr Patienten (geplant sind insgesamt hundert) werden nötig sein, um die Wirkung dieser Erhaltungstherapie auf progressionsfreies und Gesamtüberleben beurteilen zu können.

Pomalidomid in Salvagetherapie mit hohen Ansprechraten

Die französisch-amerikanische Phase-III-Studie IFM2009/DFCI konnte zeigen, dass man bei Gabe einer Induktionstherapie aus Lenalidomid/Bortezomib/Dexamethason (die hierzulande nicht zugelassen ist) und einer Lenalidomid-Erhaltung bei transplantationsfähigen Patienten auf die autologe Stammzelltransplantation nicht verzichten sollte, weil durch sie zumindest das progressionsfreie, wenngleich nicht das Gesamtüberleben noch einmal verlängert wird [11]. Die Patienten aus dieser Studie, die nach der jeweiligen Behandlung ein erstes Rezidiv entwickelten, wurden daraufhin in einer Phase-II-Studie eingeschlossen, in der sie vier Zyklen einer Salvagetherapie aus Pomalidomid, Cyclophosphamid und Dexamethason (PCD) erhielten [12]. Danach, so Laurent Gardaret, Paris, konnten diejenigen, die in der Primärstudie nicht transplantiert worden waren, eine autologe Transplantation erhalten (das geschah bei 45 von 48 Patienten), gefolgt von zwei weiteren Zyklen PCD, die initial bereits transplantierten Patienten bekamen weitere fünf Zyklen PCD.
Primärer Endpunkt war der Anteil der Patienten, die nach den ersten vier Zyklen PCD mindestens in einer partiellen Remission waren. Dieses Ziel erreichten von 97 auswertbaren Patienten 82 (85%) – ohne Unterschied zwischen den beiden Kohorten. 33% der Patienten kamen sogar in eine sehr gute partielle Remission, 1% in eine Komplettremission. Toxizitäten unter PCD waren überwiegend hämatologischer Natur und gut handhabbar.
Diesen Resultaten zufolge stellt die Dreierkombination mit dem Zweitgenerations-IMid Pomalidomid eine sehr wirksame Salvagetherapie für Patienten dar, die nach einer Erstlinientherapie mit Lenalidomid/Bortezomib/Dexamethason (mit oder ohne Stammzelltransplantation) rezidiviert sind.

Neu diagnostiziertes Multiples Myelom

Viererkombination für die Primärtherapie

Seit der VISTA-Studie hat sich die Dreierkombination aus Bortezomib, Melphalan und Prednison (VMP) als ein Standard zur Behandlung von Patienten mit neu diagnostiziertem Multiplem Mye­lom etabliert, die nicht für eine autologe Stammzelltransplantation infrage kommen. In der finalen 5-Jahres-Analyse war das Mortalitätsrisiko gegenüber Melphalan/Prednison alleine um 31% reduziert (mediane Überlebensdauer 56,4 vs. 43,1 Monate; Hazard Ratio 0,695; p < 0,001; [13]). Der CD38-Antikörper Daratumumab hat sich in den letzten Jahren in Monotherapie und vor allem in Kombination mit Bortezomib/Dexamethason oder Lenalidomid/Dexamethason als wichtige Bereicherung des Armamentariums für die Behandlung des rezidivierten oder refraktären Myeloms erwiesen (s. o.) – Grund genug, ihn in der internationalen Phase-III-Studie ALCYONE erstmals bei nicht vorbehandelten, nicht transplantierbaren Patienten in Kombination mit dem VISTA-Protokoll zu untersuchen [14].
Daratumumab ist ein voll humaner IgG-Antikörper, der sowohl direkt – über seine Bindung an das CD38-Antigen – als auch über vielfältige immunmodulierende Mechanismen gegen Myelomzellen vorgeht und in der rezidivierten Situation zusätzlich zur Standardtherapie das progressionsfreie Überleben und die Tiefe des Ansprechens verbessert. Nach positiven Phase-I-Daten [15] wurden in der ALCYONE-Studie 706 Patienten im medianen Alter von 71 Jahren, die nicht für eine Stammzelltransplantation infrage kamen, randomisiert, maximal neun sechswöchige Zyklen des VMP-Regimes (mit subkutan gegebenem Bortezomib) alleine oder in Kombination mit Daratumumab zu erhalten. Der Antikörper wurde in Dosen von 16 mg/kg i. v. im ersten Zyklus wöchentlich, in den Zyklen 2–9 alle drei Wochen und anschließend im vierwöchigen Abstand bis zu einer Progression gegeben.
Primärer Endpunkt war das progressionsfreie Überleben, und wie Maria-Victoria Mateos, Salamanca, in der Late-Breaking-Abstracts-Sitzung am letzten Kongresstag in Atlanta berichtete, konnte das Risiko für Progression oder Tod nach median 16,5 Monaten Nachbeobachtungszeit durch die Zugabe von Daratumumab halbiert werden: Der Medianwert ist im Verumarm noch nicht erreicht, im Kontrollarm lag er bei 18,1 Monaten (HR 0,50; p < 0,0001; Abb. 2). Der Vorteil der Antikörperbehandlung war in allen untersuchten Subgruppen gleichermaßen zu sehen, also auch bei über 75-jährigen Patienten, bei solchen mit ISS-Stadium III oder mit zytogenetischen Hochrisiko-Veränderungen. Auch die mediane Dauer des Ansprechens war im Daratumumab-Arm noch nicht erreicht, im VMP-Arm lag sie bei 21,3 Monaten.

Signifikant überlegen war die Antikörper-gestützte Behandlung auch beim Ansprechen: Nicht nur war die Gesamtansprechrate mit 91% versus 74% signifikant höher – das gleiche galt auch für den Anteil von Patienten, die mindestens eine sehr gute partielle (≥ VGPR: 71% vs. 50%) bzw. mindestens eine komplette Remission erreichten (≥ CR: 43% vs. 24%; Abb. 3a). Mehr als doppelt so viele Patienten erzielten mit Daratumumab sogar eine stringente Komplettremission (sCR: 18% vs. 7%).

Die minimale Resterkrankung (MRD) wurde mit einer Sensitivität von 10-5 bestimmt; die Rate an MRD-Negativität lag im Daratumumab-Arm mit 22% mehr als dreimal so hoch wie im Kontroll­arm (6%; Abb. 3b). Das wirkt sich auf die Prognose aus: MRD-negative Patienten – egal ob im Daratumumab- oder im Kontrollarm – hatten ein vergleichbares und gegenüber den MRD-positiven Patienten deutlich besseres progressionsfreies Überleben, bei weiter nachweisbarer MRD schien die Behandlung mit Daratumumab der alleinigen VMP-Gabe aber überlegen (Abb. 3c). Zum Gesamtüberleben (einem sekundären Endpunkt) lassen sich derzeit noch keine Aussagen machen, so Frau Mateos.
Die Toxizität war überschaubar: Es gab keine neuen, bisher nicht bekannte Nebenwirkungen: Gut behandelbare Infektionen traten unter Daratumumab häufiger auf als unter der Kontrolltherapie (in den ersten neun Zyklen 22% vs. 12%, darunter vor allem Pneumonien). 28% der Patienten zeigten nach Daratumumab-Gabe Infusions-bedingte Reaktionen, die aber nur in 5% der Fälle vom Grad 3 oder 4 waren und in der Regel nur während der ersten Infusion gesehen wurden.
Die Überlegenheit beim progressionsfreien Überleben ebenso wie bei der Induktion tiefer Remissionen dürfte die Viererkombination laut Frau Mateos – eine Zulassung vorausgesetzt – zu einem neuen Therapiestandard bei Patienten mit neu diagnostiziertem Multiplem Myelom werden, die sich nicht für eine Transplantation eignen.

Hochrisiko-„Smouldering myeloma“: Reif für die Therapie?

Zwei Vorstufen des Multiplen Myeloms werden unterschieden: Während eine monoklonale Gammopathie unklarer Signifikanz (MGUS) mit einem relativ geringen Risiko der Progression zum manifesten Myelom einhergeht (21% nach 20 Jahren), ist das 20-Jahres-Risiko beim “Smouldering myeloma” mit 78% sehr viel höher [16]. Es ist definiert durch Konzentrationen des M-Proteins von ≥ 3 g/dl im Serum oder durch eine Ausscheidung von ≥ 500 mg im 24-Stunden-Urin, einen Anteil klonaler Plasmazellen im Knochenmark von mehr als 10% sowie durch das Fehlen von CRAB-Kriterien, die ein manifestes Myelom definieren (erhöhtes Kalzium, Nierenfunktionsstörung, Anämie, lytische Knochenläsionen). Die spanische Myelom-Studiengruppe konnte in der Phase-III-Studie QuiRedex nachweisen, dass die frühe Behandlung eines Hochrisiko-„Smouldering myeloma“ mit Lenalidomid und Dexamethason (Rd) nicht nur die Progression zum Myelom hinauszögert, sondern sogar das Gesamtüberleben verlängern kann [17]. Ein solches Vorgehen hat bislang noch nicht Einzug in die Praxis gehalten, aber es laufen einige weitere Studien dazu. Ein naheliegender Gedanke war laut Maria-Victoria Mateos, die Therapie noch zu intensivieren, wie das nun in der spanischen Phase-II-Studie GEM-CESAR getestet wurde, die sie in Atlanta vorstellte [18]:
90 Patienten mit „Smouldering myeloma“ und einem 2-Jahres-Risiko für Progression von mehr als 50% erhielten sechs vierwöchige Zyklen einer Induktionstherapie, zu der neben Lenalidomid und Dexamethason noch der Proteasom-Inhibitor Carfilzomib in einer Dosierung von 36 mg/m2 zweimal wöchentlich gegeben wurde (KRd). Anschließend erfolgte zur Intensivierung eine Hochdosistherapie mit Melphalan und eine autologe Stammzelltransplantation, eine Konsolidierung mit zwei weiteren Zyklen KRd und schließlich eine Erhaltungstherapie mit Lenalidomid (10 mg/d für drei Wochen pro Zyklus) für bis zu zwei Jahre. Nach jedem Therapieabschnitt sowie danach jährlich wurde mittels Next-Generation-Durchflusszytometrie nach minimaler Resterkrankung gefahndet. Der Anteil von Patienten mit MRD nach bis zu fünf Jahren ist der primäre Endpunkt der Studie.
Sämtliche Stufen dieser komplexen Therapiestrategie tragen zu einem immer tieferen Ansprechen bei (Tab. 1): Mit der Einschränkung, dass je Stufe immer weniger Patienten auswertbar waren, zeigt sich, dass die Anteile an Patienten mit stringenter Komplettremission und mit MRD-Negativität nach Induktion, Hochdosistherapie, Konsolidierung und Erhaltung kontinuierlich größer werden. Der Verlust einer Komplettremission trat bisher in zwei Fällen auf, eine klinische Progression zum Multiplen Myelom überhaupt nicht. Deutlich wird die Verbesserung auch an den 35 Patienten, die bisher alle Therapiekomponenten einschließlich Konsolidierung mit KRd beendet haben (Tab. 2).


Bei Patienten in einem so frühen Krankheitsstadium dauert es naturgemäß lange, bis Überlebensdaten Aussagekraft erlangen. Nach bisher maximal 28 Monaten Follow-up (median zehn Monate) beträgt die Rate für progressionsfreies Überleben 94%, die für das Gesamtüberleben 98%. Von den beiden bisher aufgetretenen Todesfällen war einer durch Progression der Erkrankung bei einem Patienten bedingt, der aus einer Komplettremission rezidivierte, der zweite durch einen Schlaganfall während der Induktionstherapie. Insgesamt, so Mateos, erscheint das Toxizitätsprofil vergleichbar dem von KRd beim aktiven Myelom; die häufigsten Nebenwirkungen waren Infektionen, die in der Regel leicht und gut therapierbar waren. Die Ergebnisse zu diesem potenziell kurativen Therapieansatz rechtfertigten – auch wenn die Nachbeobachtungszeit noch kurz ist – jedenfalls die weitere Untersuchung.
Interessanterweise konnten in der Screening-Phase zu Beginn 18% der untersuchten Patienten ausgeschieden werden, weil durch Anwendung moderner Bildgebungsverfahren (CT, PET/CT) Knochenläsionen gezeigt werden konnten, die mit konventionellen Techniken nicht entdeckt worden wären. Diese Patienten litten damit definitionsgemäß nicht mehr an einen „Smouldering myeloma“, sondern an einem aktiven Multiplen Myelom.


„Hightech“-Therapien für das Myelom in der Testphase

Die „Speerspitze“ der hämatologischen Therapie stellen derzeit zelluläre Therapien dar, die Vorteile der autologen und der allogenen Stammzelltransplantation vereinigen: T-Zellen mit chimärem Antigenrezeptor (CAR-T-Zellen) sind T-Lymphozyten, die vom Patienten selbst stammen, also autolog sind und damit keine Graft-versus-Host-Reaktion auslösen können. Sie werden auf gentechnischem Weg mit einem künstlichen Rezeptor gegen ein möglichst tumorspezifisches Antigen ausgestattet, wodurch sie einen starken „Graft-versus-Leukemia“- oder „Graft-versus-Myeloma“-Effekt ausüben können, der sie mit der allogenen Transplantation vergleichbar macht. Einzelne derartige Zellpräparate sind in den USA bereits zur Behandlung von „austherapierten“ Patienten mit akuter lymphatischer Leukämie (ALL) und diffus-großzelligem B-Zell-Lymphom (DLBCL) zugelassen, in Atlanta wurde aber dieses Mal auch eine Reihe von Studien zum Multiplen Myelom vorgestellt.

Bevorzugtes Ziel dieser Therapien beim Myelom ist das B-Cell Maturation Antigen (BCMA), das zur Superfamilie der Tumornekrosefaktor-Rezeptoren gehört, in hoher Konzentration und weitgehend spezifisch auf Myelomzellen exprimiert wird und eine Rolle bei der Pathogenese dieses Tumors spielt. In mehreren Zentren wurden BCMA-spezifische CAR-T-Zellen entwickelt, die derzeit in klinischen Phase-I-Studien bei Patienten mit refraktärem Myelom getestet werden.

  • In einer Studie an der University of Pennsylvania, die Adam Cohen, Philadelphia, vorstellte, erhielten bislang 24 stark vorbehandelte und refraktäre Patienten solche Zellen mit oder ohne vorhergehende Zytoreduktion mit Cyclophosphamid [19]. Elf von ihnen (46%) erreichten damit mindestens eine partielle Remission, die bei vier noch andauert (bis zu mehr als zwei Jahre). Eine Aktivität der Zellen ist mit und ohne vorherige Lymphodepletion zu sehen, und sie scheint nach dem ersten Eindruck mit der infundierten Zellzahl zu korrelieren. An wichtigen Toxizitäten wurden wie auch in den Studien zur ALL und zum DLBCL ein Zytokin-Release-Syndrom (CRS, bei 83% der Patienten, bei 33% vom Grad 3 oder 4) und Neurotoxizität (25%, bei 13% vom Grad 3 oder 4) gesehen.
  • Plasmazellen stammen von B-Lymphozyten ab, tragen aber im Gegensatz zu diesen auf ihrer Oberfläche kaum das CD19-Antigen, gegen das es eine Reihe von CARs gibt, die bei lymphatischen B-Zell-Erkrankungen wie ALL und DLBCL eingesetzt werden. Allerdings gibt es bei Myelom-Patienten seltene, klonotypische CD19-positive B-Zellen, die möglicherweise Eigenschaften von Tumorstammzellen aufweisen. Eine chinesische Studiengruppe untersuchte deshalb in einer Pilotstudie die Anwendung von CD19- und BCMA-spezifischen CAR-T-Zellen bei Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem Myelom [20]. Wie Fu Cheng Cheng, Suzhou, beim ASH-Kongress berichtete, erhielten bisher zehn Patienten zunächst eine Lymphodepletion mit Cyclophosphamid und Fludarabin und dann zunächst CD19-spezifische sowie wenige Tage darauf BCMA-spezifische CAR-T-Zellen. Alle Patienten erlebten darunter eine Remission, 90% mindestens eine partielle und 30% mindestens eine sehr gute partielle Remission. Möglicherweise müssen Dosierung und Sequenz noch verbessert werden, so Yan. Die Toxizität bietet noch Spielraum: Das Sicherheitsprofil unterschied sich nicht wesentlich von dem bei Behandlung mit nur einer Zellsorte; ein Zytokin-Release-Syndrom trat zwar bei allen Patienten auf, erforderte aber in keinem Fall Intensivbehandlung, Intubation oder Dialyse.
  • James Kochenderfer, Bethesda, stellte eine multizentrische Phase-I-Studie mit einem CAR-Konstrukt der zweiten Generation vor, das an den National Institutes of Health in Bethesda entwickelt wurde [21]: Der CAR richtet sich auch hier gegen BCMA, und in der Studie wurden bisher 21 Patienten damit behandelt. Bis auf einen sprachen alle auf die Therapie an (94%), 19 davon (89%) mit mindestens einer sehr guten partiellen und zwölf mit einer kompletten Remission. Nach 40 Wochen waren neun von zehn auswertbaren Patienten MRD-negativ; einer davon entwickelte später ein molekulares Rezidiv. Fünf Patienten sind für mittlerweile mehr als ein Jahr in Remission, und es gab bis zu 15 Monate nach der Behandlung Verbesserungen des Ansprechens (von einer sehr guten partiellen zu einer kompletten Remission).

Lediglich zwei Fälle eines Zytokin-Release-Syndroms vom Grad 3, so Kochenderfer, waren binnen 24 Stunden reversibel. Bei einem dieser beiden Patienten (dem mit der höchsten Tumorlast zu Beginn) kam es auch zu einer verzögerten Neurotoxizität vom Grad 4, die aber ebenfalls reversibel war. In der globalen Phase-II-Studie KarMMa [22] soll diese Therapie nun zur Zulassung gebracht werden.

Immuntoxin auch beim Multiplen Myelom in Erprobung

Eine andere Art von Immuntherapie, die sich in der Onkologie auch immer stärker verbreitet, besteht aus konventionellen monoklonalen Antikörpern gegen Tumor-Antigene, an die ein starkes Toxin so gekoppelt ist, dass es erst nach Aufnahme in die Tumorzellen freigesetzt und seine zytotoxische Aktivität dadurch stark auf diese fokussiert wird. Derartige Immunkonjugate wurden zuerst beim Mammakarzinom und beim Hodgkin-Lymphom zugelassen, aber inzwischen werden sie für viele Tumorarten entwickelt. Beim rezidivierten oder refraktären Multiplen Myelom ist ein solches Präparat in Erprobung, das sich wie die beschriebenen CAR-T-Zellen gegen das BCMA-Antigen richtet (GSK2857916). Wie Suzanne Trudel, Toronto, in Atlanta berichtete, konnte es in einer Phase-I-Studie bei 35 Patienten eine Ansprechrate von 60% mit 51% sehr guten partiellen Remissionen erzielen [23]. Die häufigsten Nebenwirkungen bestanden aus Thrombozytopenien (57%) und Hornhautreaktionen von geringem Schweregrad (63%), die gelegentlich Dosismodifikationen erforderlich machten.