Chemotherapiefreie Erstlinien­behandlung der chronischen lymphatischen Leukämie

Die chronische lymphatische Leukämie (CLL) ist eine der häufigsten leukämischen Erkrankungen in Europa. Als Standardbehandlung galten über viele Jahre Chemotherapeutika. Seit Oktober 2014 ist der Bruton-Tyrosinkinase-Inhibitor Ibrutinib zur Behandlung der CLL zugelassen, seit Juli 2015 auch als Erstlinientherapie bei Hochrisikopatienten (del17p/TP53); 2016 erfolgte schließlich die uneingeschränkte Zulassung zur Erstlinientherapie. Bei einer Pressekonferenz berichteten Prof. Dr. Matthias Rummel, Gießen, sowie Prof. Dr. Martin Trepel, Augsburg, von ihren Erfahrungen mit dem oralen Tyrosinkinasehemmer.

Bei B-Zell-Lymphomen wie der CLL ist der B-Zell-Rezeptor-Signalweg pathologisch aktiviert. Ibrutinib (Imbruvica®) blockiert ihn durch Bindung an die Bruton-Tyrosinkinase dauerhaft und irreversibel. Die Substanz setzt damit zielgerichtet und spezifisch an der Pathophysiologie der Erkrankung an, so Trepel. Dabei sei sie hocheffektiv und könne sogar bei Hoch- und Höchstrisiko-Patienten (mit del17p/TP53 oder unmutiertem IGHV-Status) eingesetzt werden. Dies bestätigen unter anderem die Daten einer retrospektiven Real-World-Analyse mit 391 CLL-Patienten unter Ibrutinib-Erstlinientherapie [1]. Die Patienten waren durchschnittlich 68 Jahre alt; unter ihnen befanden sich auch Risikopatienten. So wiesen 30% eine del17p und 17% eine Deletion 11q auf; bei 20% lag eine TP53-Mutation vor, bei 23% ein komplexer Karyotyp und bei 67% ein unmutierter IGHV-Status. Nach 14 Monaten war beim primären Endpunkt, dem progressionsfreien Überleben (PFS), der Medianwert noch nicht erreicht, die 12-Monats-Rate lag bei 92%, bei einer Gesamtansprechrate von 81% und 17% Komplettremission.

Gute Verträglichkeit über mehrere Jahre

Im Vergleich zur Chemoimmuntherapie (CIT) sei die Behandlung mit Ibrutinib bei der Mehrzahl der Patienten sehr gut verträglich, so Trepel. So zeigen z. B. die Follow-up-Daten der RESONATE-2-Studie [2], dass Ibrutinib auch nach vier Jahren noch gut vertragen wird. Die meisten infektiösen und hämatologischen Nebenwirkungen zeigten sich im ersten und zweiten Jahr; im weiteren Therapieverlauf reduzierte sich neben deren Inzidenz auch die durch Nebenwirkungen bedingte Therapie-Abbruchrate. Eine kumulative Toxizität, wie sie bei der CIT auftritt, scheint es hierbei nicht zu geben, so Trepel.

Ibrutinib als Chemotherapie-freie Alternative

„In den letzten 30 Jahren hat sich ein ganz entscheidender Fortschritt ergeben – ich bin froh und erleichtert, dass wir Ibrutinib und ähnliche Substanzen haben“, so Rummel. Zwar habe die CIT noch immer ihren Stellenwert, doch zeigten sich bei der Toxizität deutliche Grenzen. „Ibrutinib ist die einzige Substanz, die eine solche Effektivität bei relativ günstiger Verträglichkeit möglich macht. Sie ist hocheffektiv und kann auch bei Hoch- und Höchstrisiko-Gruppen eingesetzt werden“, sagt Trepel.

Kathrin Strobel