Aktuelle Therapiekonzepte bei synchron metastasierten kolorektalen Karzinomen

CME-Beitrag

Das kolorektale Karzinom (KRK) ist weltweit die dritthäufigste Krebs-Todesursache, in Europa ist es das zweithäufigste Karzinom und die zweithäufigste Krebs-Todesursache mit etwa 200.000 Todesfällen pro Jahr [1]. In den letzten Jahren konnten die Überlebenszeiten insbesondere in der metastasierten Situation (UICC-Stadium IV) stetig verlängert werden. Dies ist nicht zuletzt auf effizientere und wirksamere Therapieoptionen in der Systemtherapie (sogenannte „targeted therapies“) sowie verbesserte Lokaltherapien (Lebermetastasen-Resektion, lokal-ablative Verfahren) zurückzuführen.
Etwa 50% aller an einem kolorektalen Karzinom erkrankten Patienten entwickeln im Laufe ihrer Krankheit Fernmetastasen, sei es als Rezidiv, also metachron, oder bereits zum Zeitpunkt der Erstdiagnose, also synchron mit dem Primärtumor. Etwa 20% der Patienten mit der Erstdiagnose KRK zeigen eine prognostisch ungünstige synchrone Metastasierung, wobei die Metastasen am häufigsten in Leber (75%), Lunge (15%) und Skelettsystem (5%) auftreten [2]. Der vorliegende Beitrag konzentriert sich insbesondere auf Patienten mit synchron metastasiertem KRK und stellt die evidenzbasierten Überlegungen zur Auswahl der optimalen Therapie für den individuellen Patienten dar. 

Prognostische Überlegungen

Die Resektion von Metastasen eines kolorektalen Karzinoms – bei synchroner Metastasierung in Verbindung mit der Resektion des Primärtumors – macht Sinn, bedeutet sie doch eine potenziell kurative Option und damit die Chance auf eine dauerhafte Heilung der Tumorerkrankung. 
Aus Langzeitergebnissen mit 10-Jahres-Überlebensdaten bei resezierten Patienten mit metastasiertem KRK wissen wir, dass sich nach fünf Jahren eine stabile Population von Patienten herauskristallisiert, die tumorfrei sind und damit als geheilt gelten können. Das ist unabhängig davon, ob es sich um primär resektable, meist hepatische Metastasen handelt oder ob die Metastasen erst nach Vortherapie einer sekundären Resektion zugeführt werden konnten; es handelt sich um zwischen 15% und 27% der Patienten [3, 4]. Diese Rate an Langzeitüberlebenden nach Resektion v. a. von Lebermetastasen hat sich durch neue systemische Therapieoptionen sowie verbesserte und neue chirurgische Resektionsverfahren – teilweise in Verbindung mit lokal-ablativen Verfahren – in den letzten Jahren erhöht [5], und es ist zu erwarten, dass diese Entwicklung weiter voranschreitet. Daraus ergibt sich, dass für die überwiegende Mehrzahl der Patienten die Resektion von Metastasen keine Heilung, jedoch eine Verlängerung des Gesamtüberlebens im Vergleich zu nicht resezierten Patienten bringt. Relevant sind auch Phasen mit Remission der Erkrankung ohne Systemtherapie („drug holidays“), die gerade hinsichtlich einer guten Lebensqualität von Bedeutung sind [5].
Es gibt eine Reihe von prognostischen Faktoren zur Identifizierung von Patienten, die mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer Metastasen-Resektion profitieren bzw. ein hohes Risiko für ein frühes Rezidiv haben. Der Anteil an Patienten mit krankheitsfreiem Überleben (DFS) nach fünf Jahren ist nach einer retrospektiven Arbeit um mehr als die Hälfte geringer, wenn neben Lebermetastasen zusätzlich Lymphknotenmetastasen vorliegen (5-Jahres-DFS 23% vs. 11%; [6]). Ein wichtiger Prognosefaktor ist auch der Chirurg: Bei mikroskopisch nicht im Gesunden entfernten Metastasen, d. h. einem positiven Resektionsrand (R1) verschlechtert sich die Prognose rapide (5-Jahres-Überleben 10%; [3]). Allerdings ist hier zu berücksichtigen, dass z. B. bei Ultraschallresektion von Lebermetastasen der Pathologe nicht den tatsächlichen Resektionsrand im Präparat vorliegen hat.
Um diesen und weiteren bekannten Risikofaktoren Rechnung zu tragen, wurden in den letzten Jahren Risikoscores entwickelt, um die Prognose von Patienten mit synchroner, aber auch mit metachroner Metastasierung abzuschätzen. Am weitesten verbreitet ist dabei der Score nach Fong et al. [7]: Neben der Anzahl der Metastasen und der Größe der größten Metastase fließen hier zusätzlich der CEA-Wert und der Lymphknotenstatus des Primarius mit ein. Ein kurzes Intervall bis zum Auftreten von Metastasen (< 12 Monate) bzw. eine synchrone Metastastasierung ist ein negativer prognostischer Faktor (Tab. 1). Ein errechneter Punktwert gibt Aufschluss über die zu erwartende Überlebenschance zu verschiedenen Zeitpunkten (Tab. 2). Der Fong-Score basiert auf Daten von primär chirurgisch behandelten Patienten mit KRK und Lebermetastasierung ohne perioperative medikamentöse Tumortherapie. Neuere retrospektive Analysen zeigen, dass diese Kriterien auch bei Resektion nach perioperativer Systemtherapie Gültigkeit besitzen [8]. 
Bei isolierten Lungenmetastasen hat sich bisher nur ein erhöhter CEA-Wert präoperativ als prognostisch negativer Marker erwiesen. Die Angaben zur prognostischen Relevanz der Anzahl der Metastasen sind inkonsistent, zeigen aber einen Trend zu einem Überlebensvorteil bei singulärer Metastasierung. Weitere mögliche Einflussfaktoren wie das krankheitsfreie Intervall oder das initiale Tumorstadium konnten sich dagegen nicht als prognostische Marker bei isolierten Lungenmetastasen etablieren [9]. 

Welche Therapie für welchen Patienten – Festlegung des Therapieziels

Vor der Auswahl der optimalen Therapieoption stellt sich bei jedem synchron metastasiertem Patienten mit KRK die grundsätzliche Frage nach der Metastasierungssituation und dem daraus resultierenden Therapieziel. In der Mehrzahl der Fälle lässt dich dieses bereits zum Zeitpunkt der Erstdiagnose festlegen. Dabei spielen neben Manifestation und molekularbiologischen Aspekten des Tumors auch das klinische Bild des Patienten (z. B. Lebensalter, Komorbiditäten) und Wünsche und Erwartungen des Patienten eine Rolle. 

Die primäre Festlegung des Therapieziels, aber auch im Verlauf notwendige Änderungen dieses Ziels sollten im Rahmen einer interdisziplinären Tumorkonferenz erfolgen, da insbesondere bei synchroner Metastasierung die enge Interaktion zwischen Gastroenterologie/GI-Onkologie, Viszeralchirurgie und ggf. Radioonkologie von entscheidender Bedeutung ist.

Im Folgenden sollen mögliche Therapiesituationen kurz erläutert werden:

Szenario I: Primär resektable Metastasierung

Liegen synchrone, primär R0-resektable Metastasen vor, so sollten diese direkt der onkologischen Resektion bzw. im Einzelfall auch lokal therapeutischen Verfahren wie Radiofrequenz-Thermoablation, Mikrowellen-Ablation oder stereotaktischer Bestrahlung zugeführt werden. Die Einschätzung eines synchron metastasierten Tumors als R0-resektabel sollte die oben ausgeführten prognostischen Überlegungen beinhalten, ist aber in erheblichem Ausmaß von der Erfahrung und Expertise des behandelnden Chirurgen bzw. des chirurgischen Zentrums abhängig. Daher kann gegebenenfalls die Einholung einer chirurgischen Zweitmeinung z. B. von einem Zentrum mit großer Expertise im Bereich der Leberchirurgie sinnvoll sein. Zusätzlich sollten vor der Indikationsstellung zur Metastasen-Resektion weitere, möglicherweise nicht resektable Metastasen ausgeschlossen und eine ausreichende postoperative Organfunktion (Leber, Lunge) sichergestellt sein. 

Über die Sequenz der Therapie besteht aktuell noch keine Einigkeit. Diese ist vom klinischen Befund abhängig. Bei nicht-stenosierendem Primärtumor und resektabler, synchroner Lebermetastasierung kann, falls eine einzeitige Resektion beider Tumorlokalisationen nicht möglich ist, die Resektion der die Prognose bestimmenden Leber-Filiae zuerst erfolgen („liver-first“-Konzept). Dies kann z.B. auch bei einseitigen Lungenmetastasen der Fall sein. Bei stenosierendem oder blutendem Primärtumor kann jedoch auch die primäre Resektion des Primarius zur Prävention eines Ileus indiziert sein, hier ist eine Risikoabwägung im Rahmen der Tumorkonferenz notwendig.

Die primäre Resektion ist aktuell die Therapie der Wahl bei resektablen, synchron metastasierten KRK – nicht zuletzt deshalb, weil die perioperative Systemtherapie nur mit geringer Evidenz empfohlen werden kann und nach wie vor Gegenstand kontroverser Diskussionen ist. Im Einzelfall wird als medikamentöse Systemtherapie bei resektablen Lebermetastasen, aber häufig auch analog bei Lungenmetastasen, die perioperative Therapie mit FOLFOX, jeweils 3 Monate prä- und postoperativ eingesetzt – basierend auf den Daten der Phase-III-Intergroup-Studie EORTC40983. Diese Studie zeigte einen Trend zur Verbesserung des Überlebens um 4,1% nach fünf Jahren, verfehlte aber das festgelegte statistische Signifikanzniveau (die Studie war allerdings auch nicht gepowert, einen Überlebensvorteil darzustellen). Bei den Patienten, die tatsächlich behandelt wurden, wurde mit einer perioperativen Therapie das Rezidivrisiko in Relation zur alleinigen chirurgischen Resektion mit einer Hazard Ratio von 0,77 statistisch signifikant verbessert [10]. Kombinationen aus Chemotherapien und zielgerichteten Therapien (z. B. Anti-EGFR-Antikörpern) zeigten keinen Vorteil und teilweise sogar negative Auswirkungen auf das krankheitsfreie Überleben [11] und sollten daher bei primär resektablen Patienten nicht eingesetzt werden.

Szenario II: Primär nicht-resektable Metastasierung

Bei Vorliegen technisch primär nicht R0-resektabler synchroner Metastasen soll durch eine sogenannte Konversionstherapie die Gruppe der Patienten mit potenziell resektablen Metastasen vergrößert werden. Ob der Primärtumor vorher reseziert werden muss (z. B. bei Blutungsneigung) oder ob z. B. eine Anus praeter-Anlage durchgeführt wird, ist individuell unterschiedlich zu beurteilen und sollte im Tumorboard evaluiert werden. Auch bei einer späteren Resektion kann eine einzeitige Operation, aber auch – analog zu den primär resektablen, synchronen Metastasen – ein „liver/lung-first“-Konzept in Abhängigkeit vom klinischen Bild erwogen werden.

Ziel dieser Therapie ist es, durch Verkleinerung („Downsizing“) der Metastasen eine technische Resektabilität zu erreichen. Dementsprechend sollten intensive Therapieprotokolle mit hohen Ansprechraten zur Anwendung kommen. Zur Auswahl eines geeigneten Therapieregimes, insbesondere zur Auswahl der zur Chemotherapie verabreichten zielgerichteten Therapie müssen hierbei molekularpathologische Überlegungen durchgeführt werden:

Derzeit beschränkt sich die zielgerichtete Therapie in der Konversionstherapie, analog zur palliativen Erstlinientherapie, beim metastasierten KRK auf zwei Angriffspunkte: Zum einen die Blockade des epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptors (EGFR) durch die monoklonalen Antikörper Cetuximab und Panitumumab, zum anderen die Hemmung der durch den vaskulären endothelialen Wachstumsfaktor (VEGF) vermittelten Tumorangiogenese. Als Angiogenese-Hemmer werden Substanzen eingesetzt, die direkt VEGF als Liganden blockieren (Anti-VEGF-Antikörper, z. B. Bevacizumab) oder mehrere pro-angiogenetische Liganden binden (lösliches Fusionsprotein Aflibercept als „VEGF-Falle“) bzw. den membranständigen VEGF-Rezeptor 2 blockieren (Anti-VEGFR-2-Antikörper Ramucirumab).

Bei der Anti-EGFR-Strategie zeigen Daten aus unterschiedlichen Studien [12], dass Antikörper gegen den EGFR nur dann eingesetzt werden sollen, wenn der Tumor bezüglich der RAS-Onkogene Wildtypstatus (KRAS und NRAS jeweils Exone 2, 3, 4) besitzt, da RAS-Mutationen einen negativ-prädiktiven Marker für das Ansprechen auf eine Anti-EGFR-Therapie darstellen. Hinsichtlich des Tumoransprechens (ORR, komplette und partielle Remissionen) zeigen die Kombinationen aus Chemotherapie und Anti-EGFR-Antikörper jedoch sehr gute Ergebnisse (Tab. 3). 

Neben dem RAS-Mutationsstatus spielt beim KRK auch die Lokalisation des Primärtumors eine Rolle für die Wirksamkeit einer Anti-EGFR-Therapie in der metastasierten Situation. Retrospektive Analysen von Daten aus der FIRE-3- und der CALGB/SWOG-80405-Studie sowie weiterer Studien zeigen, dass hinsichtlich des Gesamtüberlebens Patienten mit linksseitigem RAS-Wildtyp-Primärtumor, definiert als Lokalisation im Kolon ab der linken Flexur bis zum Rektum, einen signifikanten Überlebensvorteil durch eine Kombination aus Anti-EGFR-Antikörper plus Kombinationschemotherapie im Vergleich zu einer Kombinationschemotherapie plus Anti-VEGF-Antikörper haben. Entsprechend lag das Gesamtüberleben innerhalb der FIRE-3-Studie bei 38,3 Monaten bei linksseitigem versus 28,0 Monaten bei rechtsseitigem Primarius; in der CALGB/SWOG-80405-Studie waren es 39,3 versus 32,6 Monaten. Erkrankungen mit rechtsseitiger Lokalisation des Primärtumors (vom Caecum bis zur linken Flexur) haben generell eine ungünstigere Prognose [13]. Hier zeigt sich – auch bei RAS-Wildtyp im Tumor – kein Überlebensvorteil einer Kombination mit einem Anti-EGFR-Antikörper im Vergleich zur Kombination mit einem Anti-VEGF-Antikörper [13]. 

Allerdings zeigen hochaktive Therapieregimes wie FOLFOXIRI + Panitumumab (VOLFI-Studie, FOLFOXIRI +/- Panitumumab, Phase II) auch bei rechtsseitigen Tumoren sehr gute Ansprechraten (ORR 60% vs. 37,5%, Tab. 3), sodass sich diese Regimes auch hier anbieten, wenn das schnelle und deutliche Tumoransprechen zum Erreichen einer sekundären Resektabilität als Therapieziel im Vordergrund steht [14].

Bei RAS-mutierten Kolonkarzinomen stehen als Erstlinien-Optionen die duale oder dreifache Chemotherapie mit oder ohne Anti-VEGF-Antikörper (Bevacizumab) zur Verfügung (Tab. 3). 

Die TRIBE-Studie zeigte in der Gesamtgruppe der Patienten einen Überlebensvorteil für die Kombination aus 5-FU, Irinotecan, Oxaliplatin (FOLFOXIRI) plus Bevacizumab im Vergleich zu FOLFIRI plus Bevacizumab (median 31 vs. 25,8 Monate; [20]). Interessant ist eine Subgruppenanalyse dieser Studie, der zufolge sich mit FOLFOXIRI plus Bevacizumab auch bei Vorliegen einer prognostisch sehr ungünstigen BRAF-V600E-Mutation im Tumor eine deutliche Verbesserung des Überlebens zeigt (median 24,1 Monate; [21]). BRAF ist RAS im EGFR-Signalweg nachgeordnet. 

Bei einer Konversionstherapie sollte alle sechs bis acht Wochen ein Restaging (CT/MRT) mit Re-Evaluation der Resektabilität in der interdisziplinären Tumorkonferenz durchgeführt werden. Dieses kurze Staging-Intervall ist auch notwendig, um gegebenenfalls ein makroskopisches „Verschwinden“ von Metastasen in der Bildgebung zu verhindern, welches ihr sicheres Auffinden intraoperativ unnötig erschwert bzw. unmöglich macht. Empfohlen wird eine Therapiedauer von zwei bis vier, gegebenenfalls auch bis zu sechs Monaten in Abhängigkeit vom Ansprechen, da sich mit zunehmender Therapiedauer die postoperative Morbidität deutlich erhöht [22].

Nach Erreichen der technischen Operabilität sollte die Operation baldmöglichst erfolgen, nicht erst nach Erreichen der maximalen Remission. Auch so kann man eine Verstärkung der Lebertoxizität durch Irinotecan und/oder Oxaliplatin mit konsekutiver Steigerung der chirurgischen Morbidität vermeiden. Die Operation sollte vier Wochen nach Ende der medikamentösen Tumortherapie durchgeführt werden, bei Anti-VEGF-haltiger Therapie nach sechs Wochen. Falls nach maximal sechs Monaten intensivierter Therapie keine sekundäre Resektabilität erreicht ist, sollte das Therapiekonzept modifiziert und in der Regel deeskaliert werden.

Der Stellenwert einer postoperativen Fortsetzung der Chemotherapie nach einer R0- oder R1-Resektion von Primarius und Metastasen ist nicht gesichert und sollte im Einzelfall diskutiert werden. Wichtige Faktoren sind auch die Toxizität der bisherigen Therapie und die Komorbiditäten. Der zusätzliche Stellenwert lokal wirksamer Therapieverfahren wie Bestrahlung bei R1-Resektion ist Gegenstand klinischer Studien.

Attraktive Alternative: Immuntherapie

In den letzten Jahren haben immunonkologische Therapiestrategien erstaunliche Ergebnisse erzielt. Im Vordergrund stehen hierbei Ansätze, die sogenannte Immuncheckpoints adressieren, wie z. B. das „programmed cell death protein 1“ (PD-1), ein T-Zell-regulatorisches Transmembranprotein, das Autoimmunität in Tumoren verhindert. PD-1-Antikörper wie Pembrolizumab, die durch die Blockade des PD-1-Rezeptors eine Reaktivierung zytotoxischer T-Zellen gegen den Tumor bewirken, zeigen bei Patienten mit „Mismatch Repair“-defizienten, mehrfach vorbehandelten KRKs teils eindrückliche Ansprechraten von 62%, während Patienten mit „Mismatch-Repair“-profizienten KRK kaum oder gar nicht profitierten [23]. Dies macht eine Immuntherapie für Patienten mit potenziell sekundärer Resektabilität und Mikrosatelliteninstabilität/“Mismatch Repair“-Defizienz zu einer attraktiven Therapiealternative im neoadjuvanten/perioperativen Setting, die im Rahmen von klinischen Studien aktuell evaluiert wird.

Szenario III: Nicht resektable synchrone Metastasierung

Die Mehrheit der synchron metastasierten Patienten präsentieren sich zum Zeitpunkt der Erstdiagnose mit einer diffusen Metastasierung z. B. der Leber, aber auch in multiplen Organen (z. B. Lunge, Lymphknoten, peritoneal, ossär). Es handelt sich hierbei um eine palliative Situation und die Wahrscheinlichkeit einer sekundären Resektabilität ist absehbar auch in Zukunft nicht gegeben. Bei deutlichem Tumoransprechen und fehlendem Progress der Erkrankung sollte in Einzelfällen eine multimodale Therapie im Tumorbord diskutiert werden. In der palliativen Situation sind die Linderung von tumorassoziierten Symptomen, die Verlängerung des Überlebens und die Erhaltung und gegebenenfalls Verbesserung der Lebensqualität vorrangig. Die palliative Therapiesituation ist das Hauptfeld der systemischen Therapie, kombiniert mit gegebenenfalls Bestrahlung z. B. von ossären Filiae und Chirugie (z. B. Resektion des stenosierenden Primarius) zur Vermeidung von Komplikationen.

Ist der Tumor symptomatisch bzw. die Tumorlast sehr hoch, so ist eine hoch-aktive Therapie, also eine Zweifach-Kombinationschemotherapie mit Antikörpern oder eine Dreifach-Chemotherapie (z. B. FOLFOXIRI) sinnvoll, um eine optimale Wirkung z. B. hinsichtlich der Ansprechrate und der „Tumorschrumpfung“ zu erzielen.

Mit dem Ziel, ein möglichst „tiefes“ Therapieansprechen (maximale Reduktion der Tumormasse) zu erreichen, lässt sich in den letzten Jahren ein Trend hin zu mehr Chemotherapie, d. h. zur Anwendung von aktiveren, aber auch nebenwirkungsreicheren Kombinationen in der Erstlinientherapie des metastasierten KRK feststellen. Nichtsdestotrotz gibt es spezielle Patientengruppen wie ältere Patienten (> 75 Jahre), Patienten mit erheblicher, nicht tumorbedingter Komorbidität oder mit einer – soweit beurteilbar – wenig aggressiven Tumorerkrankung, für die obige Therapiekonzepte, auch aufgrund der mit ihnen verbundenen Nebenwirkungen, möglicherweise zu belastend sind. Zusätzlich sind sie wegen ihrer negativen Auswirkungen auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität der Patienten („Health-related quality of life“) häufig nicht empfehlenswert. Für diese Patientengruppen bieten sich weniger belastende Therapiekonzepte wie eine Monotherapie mit Fluoropyrimidinen bzw. effektivere, aber nicht wesentlich nebenwirkungsreichere Kombinationen aus Fluoropyrimidin und Bevacizumab an [24].

Zur ausführlichen Darstellung der Therapieoptionen in der palliativen Situation und insbesondere für die Sequenztherapie sei auf den entsprechenden Beitrag in diesem Heft verwiesen (Seite ###).

Szenario IV: Das synchron metastasiertes Rektumkarzinom – ein Sonderfall

Bei Rektumkarzinomen im Stadium UICC II und III ist eine neoadjuvante Radio- oder Radiochemotherapie zur Vermeidung von Lokalrezidiven für Tumoren des mittleren und unteren Rektum-Drittels indiziert. Tumoren des oberen Rektum-Drittels nehmen eine Sonderstellung ein. Sie können sowohl analog den tiefer sitzenden Rektumkarzinomen oder aber analog dem Kolonkarzinom einer primären onkologischen Resektion mit ggf. anschließender adjuvanter Systemtherapie (UICC-Stadium II mit Risikofaktoren und UICC-Stadium III) behandelt werden [25]. Auch für synchron metastasierte Rektumkarzinome mit kurativer Therapieoption möchte man daher eine optimale Therapie des Primärtumors sicherstellten.

Zur präoperativen Radio- bzw. Radiochemotherapie stehen prinzipiell zwei Fraktionierungsschemata zur Verfügung: die Kurzzeitbestrahlung mit 25 Gy in Einzeldosen von 5 Gy an 5 aufeinander folgenden Tagen, unmittelbar gefolgt von der Operation [26], und die konventionell fraktionierte Radiochemotherapie bis zu einer Gesamt-Referenzdosis von 45–50,4 Gy in 25–28 Fraktionen in Kombination mit 5-FU bzw. Capecitabin, gefolgt von der Operation nach vier bis sechs Wochen [27]. 

Handelt es sich um Patienten mit primär oder mit potenziell sekundär resektablen Metastasen, so sind verschiedene Vorgehensweisen denkbar, die sowohl die Resektion des Primärtumors und der Metastasen betreffen als auch das Risiko des Lokalrezidivs minimieren sollen [25, 28]:

Kurzzeitbestrahlung (5 x 5 Gy) mit nachfolgender Systemtherapie (z. B. FOLFOX bzw. FOLFIRI mit Resektion der Metastasen und des Primarius nach vier bis sechs Monaten. Auch eine umgedrehte Reihenfolge – intensivierte Systemtherapie, gefolgt von präoperativer Kurzzeitbestrahlung – ist möglich. Eine Evaluation des Therapieansprechens ist hierbei alle acht Wochen angeraten.

Alternativ ist, bei jedoch begrenzter Datenlage, die konventionell fraktionierte Radiochemotherapie mit Intensivierung der begleitenden Systemtherapie z. B. durch Hinzunahme von Oxaliplatin und nachfolgender Resektion eine gangbare Therapieoption. Die Hinzunahme von Oxaliplatin dient hier vornehmlich der Kontrolle der Fernmetastasen während der Radiochemotherapie und sollte daher eher bei primär resektablen Metastasen in Erwägung gezogen werden.

Hinsichtlich der Reihenfolge der Resektion sollten, da häufig eine einzeitige Resektion von Primärtumor und Lebermetastasen nicht möglich ist, die Lebermetastasen zuerst reseziert werden („liver first“), da sie der prognosebestimmende Faktor sind und der Primärtumor nach neoadjuvanter Therapie meist kein akutes Problem darstellt und daher im Nachgang reseziert werden kann.

Nach neoadjuvanter Radiochemotherapie kann es vorkommen, dass klinisch-endoskopisch oder durch bildgebende Verfahren wie MRT kein Tumor mehr nachweisbar ist (Komplettremission). Dann kann man in Einzelfällen nach Resektion oder Lokaltherapie der Metastasen auf eine Operation des Primärtumors verzichten. Allerdings ist in diesen Fällen eine engmaschige Nachsorge zwingend notwendig, um sowohl Lokalrezidive als auch Rezidive der Metastasen frühzeitig zu erkennen. Die Datenlage zu diesem Vorgehen ist allerdings noch uneinheitlich, und Daten gibt es hauptsächlich für nicht-metastasierte Patienten. In einer Studie aus Brasilien mit 265 Patienten, allerdings ohne Fernmetastasen, war bei 26,8% der Patienten nach neoadjuvanter Therapie kein Tumor mehr nachweisbar, so dass auf eine Resektion des Tumors verzichtet wurde. Diese Patienten erhielten eine Nachsorge. Nach einem medianen Follow-up von 57,3 Monaten wurden bei zwei Patienten (2,8%) ein endoluminales Rezidiv und bei drei Patienten (4,8%) systemische Metastasen nachgewiesen [29]. Eine dänische Studie hingegen verzeichnete bei 40 Patienten, auch hier ohne Fernmetastasierung, mit radiologischer, endoskopischer und pathologischer Komplettremission nach intensivierter Radiochemotherapie (60 Gy + 5 Gy Brachytherapie kombiniert mit S-1) immerhin eine 1-Jahres-Lokalrezidivrate von 15,5% – deutlich höher als im brasilianischen Kollektiv [30]. Ausführlicher werden aktuelle therapeutische Fragestellungen beim Rektumkarzinom in einem separaten Beitrag in diesem Heft behandelt (s. S. ###).

Adjuvante Systemtherapie nach Metastasenresektion?

Die adjuvante Systemtherapie nach Resektion eines KRK im Stadium III ist fest etablierter Standard. Davon leitet sich aber nicht automatisch eine Evidenz für R0-resezierte Patienten im Stadium IV, also in der metastasierten Situation ab. Hier ist die Evidenz für den Nutzen einer adjuvanten Systemtherapie deutlich limitierter, da es keine ausreichenden Studiendaten zu dieser Fragestellung gibt.

In zwei randomisierten Studien und der nachfolgenden gepoolten Analyse der erhobenen Daten wurde die Wirksamkeit einer 5-FU-Bolustherapie geprüft. Beide Studien erreichten keine ausreichende Rekrutierung, um einen signifikanten Effekt der Chemotherapie auf das Überleben zu belegen und wurden vorzeitig abgebrochen. Die gepoolte Analyse zeigt eine grenzwertig signifikante Verbesserung des progressionsfreien Überlebens ohne Beeinflussung des Gesamtüberlebens durch die adjuvante Systemtherapie [31]. Retrospektive Registerdaten zweier großer Zentren (Memorial Sloan-Kettering Cancer Center, New York, und Royal Infirmary of Edinburgh) stützen dagegen, bei den bekannten qualitativen Limitationen solcher Auswertungen, den Trend zur adjuvanten Systemtherapie im Stadium IV. Über einen Zeitraum von acht Jahren (1991–1998) wurden dort alle Patienten erfasst, bei denen Lebermetastasen eines KRK reseziert wurden (n = 792), und ein Überlebensvorteil für eine 5-FU-basierte adjuvante Chemotherapie im Vergleich zur alleinigen Operation festgestellt (median 47 vs. 36 Monate; 5-Jahres-Raten 37% vs. 31%; [32]). 

Bei geringer Evidenz für den Nutzen kann daher auch nach R0-Resektion von synchronen Metastasen eine adjuvante Systemtherapie angeboten werden, aber auch die Entscheidung zur Tumornachsorge lässt sich an Hand der Evidenz gut begründen, wobei der Trend hier zur Applikation einer adjuvanten Systemtherapie geht. 

Summary

About 20% of patients with colorectal cancer present with distant metastases at primary diagnosis, i. e. synchronous metastases. Despite stage IV colorectal cancer there is a chance of cure in case of limited metastasis. The interdisciplinary treatment of patients with synchronous metastases is challenging since only the optimal interplay between the various specialties involved provides a chance of cure. This includes not only surgery but also local treatments and optimized systemic therapy.

Keywords: colorectal cancer, synchronous metastases, systemic therapy, resectability, oligometastatic disease

Literatur

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Dr. Thomas J. Ettrich 

Leiter der onkologischen Tagesklinik und des klinischen Studienzentrums im Schwerpunkt GI-Onkologie

Universitätsklinikum Ulm

Klinik für Innere Medizin I

Albert-Einstein-Allee 23, 89081 Ulm