Hodgkin-Lymphom: wirksamere Therapie, weniger Toxizität

Mehr als 80% der über 17.000 Patienten, bei denen in Europa jährlich ein Hodgkin-Lymphom diagnostiziert wird, werden von ihrer Krankheit geheilt, etwa 5–10% sind aber primär refraktär gegen die bisherigen Therapien, und bis zu 30% rezidivieren nach initialer Komplettremission. Berücksichtigt man auch noch die Langzeit-Toxizitäten durch die zum Teil sehr aggressiven Therapien, an denen die häufig noch sehr jungen Patienten manchmal ihr Leben lang leiden, wird der Wunsch verständlich, Hodgkin-Patienten noch wirksamere und nebenwirkungsärmere Behandlungsoptionen anbieten zu können.

Behandlungsstandard in der rezidivierten oder refraktären Situation ist meist eine Salvage-Chemotherapie mit nachfolgender Hochdosistherapie und autologer Stammzelltransplantation (ASCT), die aber bei mehr als der Hälfte der Patienten meist innerhalb von zwei Jahren wieder von einem Rezidiv gefolgt wird. Hier ist mittlerweile das Anti-CD30-Immunkonjugat Brentuximab Vedotin (Adcetris®) zugelassen, das in einer zulassungsrelevanten Phase-II-Studie in dieser Situation noch einmal eine Ansprechrate von 75% und eine Komplettremissionsrate von 34% erbracht hatte, so Anna Sureda, Barcelona [1]. Bei mehr als einem Drittel der Patienten mit Komplettremission dauerte diese länger als fünf Jahre an, und die 5-Jahres-Gesamtüberlebensrate liegt bei 41% [2].
Die Toxizität war handhabbar, so Sureda, bei 55% der Patienten trat eine periphere Neuropathie auf, die aber bei 88% der betroffenen Patienten reversibel war oder sich zumindest deutlich verbesserte.
Auch ein Re-Treatment mit Brentuximab Vedotin bei Patienten, die es schon einmal erhalten hatten, scheint mit einer Ansprechrate von 60% und 30% Komplettremissionen vielversprechend [3]. Zugelassen ist das Immunkonjugat auch für Patienten, die nach mindestens zwei vorangegangenen Therapien rezidiviert oder refraktär sind und für eine Stammzelltransplantation nicht infrage kommen; hier hat es Ansprechraten von 50% und Komplettremissionsraten von 12% gebracht [4]. Darüber hinaus steht es für Patienten zur Verfügung, die nach ASCT zwar noch in Remission sind, aber ein hohes Rezidivrisiko haben. Diese Zulassung beruht auf der Phase-III-Studie AETHERA, in der das progressionsfreie Überleben solcher Patienten durch das Immuntoxin deutlich und signifikant verlängert werden konnte, mit einer
Hazard Ratio von 0,57, d. h. einer Reduktion des Risikos für Progression oder Tod um 43% (p = 0,0013; [5]).
Diese Studien begründen den Status von Brentuximab Vedotin als Standardtherapie beim rezidivierten/refraktären Hodgkin-Lymphom und stimulieren gleichzeitig die klinische Forschung bei der Weiterentwicklung der Hodgkin-Therapie, so Andreas Engert, Köln. Die Erstlinientherapien des Hodgkin-Lymphoms sind zum einen nicht immer kurativ, zum anderen ziemlich toxisch, vor allem das BEACOPP-Protokoll (Bleomycin, Etoposid, Doxorubicin, Cyclophosphamid, Vincristin, Procarbazin, Prednis(ol)on), das in Deutschland in fortgeschrittenen Stadien eingesetzt wird. Langzeitnebenwirkungen bestehen vor allem in pulmonalen und kardialen Toxizitäten, Infertilität und der Induktion von Sekundärmalignomen. Unter anderem die Deutsche Hodgkin-Studiengruppe (GHSG) verfolgt hier zwei große Linien: Zum einen versucht sie, die Anwendung der herkömmlichen, toxischen Therapien zu minimieren, indem Patienten, die auf die ersten Zyklen bereits gut ansprechen, weniger intensiv behandelt werden, zum anderen werden neue Therapiemodalitäten wie Brentuximab Vedotin im Erstlinien-Setting untersucht:
So wird in der Phase-III-Studie ECHELON-1 versucht, im ABVD-Schema (Doxorubicin, Bleomycin, Vinblastin, Dacarbazin), das die weniger fortgeschrittenen Hodgkin-Patienten erhalten, das lungentoxische Bleomycin durch Brentuximab Vedotin zu ersetzen [6]. In weiteren Studien wird der Checkpoint-Inhibitor Nivolumab, der bislang für sehr fortgeschrittene Stadien des Hodgkin-Lymphoms nach ASCT und Brentuximab Vedotin zugelassen ist, in der Erstlinie mit AVD [7] und mit Brentuximab Vedotin kombiniert [8]. Daneben werden auch immunmodulatorische Medikamente wie Lenalidomid und der Anti-CD20-Antikörper Rituximab getestet.
Mit solchen neuen Ansätzen soll die Erstlinien-Therapielandschaft beim fortgeschrittenen Hodgkin-Lymphom umgestaltet werden, weg von den chemo- und radiotherapeutischen Strategien und hin zu Kombinationen mit neuen und weniger toxischen Medikamenten.

Josef Gulden


Literatur
1. Younes A et al. J Clin Oncol 2012; 30: 2183-9.
2. Chen R et al. Blood 2016; 128: 1562-6.
3. Bartlett NL et al. J Hematol Oncol 2014; 7: 24.
4. Walewski J et al. Haematologica 2016; 101 (S5): 56 (ISHL 2016, Abstract #P104).
5. Moskowitz CH et al. Lancet 2015; 385: 1853-62.
6. ClinicalTrials.gov No. NCT01712490.
7. ClinicalTrials.gov No. NCT02181738.
8. ClinicalTrials.gov No. NCT02758717.

Satellitensymposium “Targeting CD30 in lymphoma: A marker for change?” bei der 14th International Conference on Malignant Lymphoma (14-ICML) am 13.06.2017 in Lugano, unterstützt von Takeda Oncology.