Psychoonkologisches Online-Angebot für Krebspatienten

Die Diagnose Krebs ist ein Schock. Der Kampf gegen die Krankheit bedeutet häufig nicht nur körperliche, sondern auch psychische Strapazen. Ein neu entwickeltes Online Programm unterstützt Krebspatienten darin, einen besseren Umgang mit den auftretenden Belastungen zu finden.

Die Diagnose Krebs trifft die meisten Menschen völlig unerwartet und bedeutet für Betroffene einen gravierenden Einschnitt. Es ist für sie wichtig, frühzeitig Wege zu finden, mit psychischen Belastungen umzugehen, um bestmögliche Bedingungen für eine Behandlung zu haben. Es gibt immer mehr Hinweise darauf, dass Stress auch den Verlauf der Erkrankung mitbestimmen kann. Wenn Patienten durch die Behandlung weniger belastet sind und unter der Therapie weniger Nebenwirkungen auftreten, sind Therapieverzögerungen oder gar Abbrüche seltener und ein besserer Verlauf ist eher gewährleistet. Ob es auch direkte Einflüsse von Stress auf den Krankheitsverlauf gibt, ist wissenschaftlich bisher nicht nachgewiesen, aber es gibt indirekte Hinweise darauf.

Online Coaching für neu diagnostizierte Krebspatienten

Um Krebspatienten nach der Diagnose zu unterstützen, hat unser Studienteam am Universitätsspital Basel „Stream“ (www.stress-aktiv-mindern.de) entwickelt, ein achtwöchiges Online-Programm, das anhand von Informationen, Übungen und spezifischen Anleitungen Bewältigungsmöglichkeiten im Umgang mit der Krebserkrankung aufzeigt. Es basiert auf Elementen der Achtsamkeits- und Akzeptanz-orientierten Verfahren und beinhaltet acht Kapitel zum Verständnis und zu den Auswirkungen von Stress auf kognitiver, emotionaler und körperlicher Ebene. Mithilfe interaktiver Elemente können Bewältigungsstrategien erlernt und eingeübt sowie Ressourcen mobilisiert werden.
Jedes Kapitel beginnt mit einem Informationsteil (beispielsweise „Stress und Krebs“), gefolgt von einem Selbstbeobachtungs- und Übungsteil (z. B. dem Erstellen von Listen „Welche Situationen im Alltag sind für mich belastend?“, „Wo sind meine Ressourcen?“; Audio-Dateien zum Herunterladen auf einen mp3-Player mit Entspannungsübungen oder Imaginationsreise). Die Patienten können aus verschiedenen Übungen auswählen, was zu ihnen passt, z. B. Atemübungen oder Gedankenreisen. Mithilfe des Psychologen wird analysiert: "Was belastet mich besonders, was bringt mir Freude – wie kann ich mehr davon in den Alltag bringen trotz der Erkrankung?“
Eine erste Studie soll jetzt zeigen, ob und wie dieses Angebot von Krebspatienten genutzt wird. Eine wichtige Frage der Studie lautet: Wen kann man online erreichen, wer fühlt sich angesprochen, welche Altersgruppen werden erreicht und mit welcher Krebserkrankung? Mit der randomisierten, kontrollierten Studie werden Machbarkeit, Durchführbarkeit sowie präliminäre Wirksamkeit der Intervention überprüft. Dabei wird untersucht, welche Personengruppen hinsichtlich Alter, Geschlecht und Art der Krebserkrankung diese Form von psychoonkologischer Betreuung in Anspruch nehmen und wie lange und in welchem Umfang sie diese nutzen. Um die Wirksamkeit des Programms zu prüfen, werden die Teilnehmer zu zwei Zeitpunkten zu ihren Belastungswerten und ihrer Lebensqualität befragt.
Teilnehmen können Patienten aus dem gesamten deutschen Sprachraum, die erstmalig an einer Krebserkrankung leiden, minimale Computer- und Internet-Kenntnisse haben und mindestens 18 Jahre alt sind. Zudem sollte der Beginn der jeweiligen Krebsbehandlung wie einer Chemotherapie oder Bestrahlung nicht länger als zwölf Wochen zurückliegen. Die Teilnehmer arbeiten das Programm selbstständig durch und werden per E-Mail von Psychologen aus dem Studienteam wöchentlich betreut.
Das Programm ist kein Ersatz für die klassische Psychoonkologie, sondern eine Ergänzung. Den Patienten ist freigestellt, zusätzlich die lokalen psychoonkologischen Angebote zu nutzen. Nach Abschluss steht es den Teilnehmern frei, die Inhalte des Programms weiterhin zu nutzen. Das Programm stößt auf großes Interesse, und wir konnten bereits viele Patienten in das Programm aufnehmen.

Online-Interventionen immer beliebter

Mit unserem Programm schließen wir uns einem Trend aus der Verhaltenspsychologie zu Online-Ansätzen an: Dort sind solche Interventionen mit einmal wöchentlichem Kontakt, etwa bei posttraumatischen Belastungsstörungen, gut untersucht. Studien der letzten Jahre belegen, dass die Wirksamkeit interaktiver Online-Interventionen der von herkömmlichen Face-to-Face-Interventionen vergleichbar ist und dass sie immer beliebter werden. Online-Interventionen können jederzeit von überall aus genutzt werden und ersparen damit den Patienten das Warten auf einen Termin oder die Fahrt zum Therapeuten. Zudem gewähren sie größere Anonymität, was für die Patienten die Hemmschwelle senkt, sich für eine psychotherapeutische Behandlung zu entscheiden. Auch können längst nicht alle niedergelassenen Onkologen auf Psychoonkologen zurückgreifen wie etwa an großen Zentren.
Studien zeigen, dass 71% der Krebspatienten das Internet nutzen, um sich über ihre Krankheit zu informieren. Die dabei am häufigsten benutzte Seite ist die des behandelnden Spitals. Professor Thomas Berger von der Universität Bern ist überzeugt, dass das Internet immer wichtiger für Patienten wird: „Das Internet bietet bereits heute eine wichtige Plattform für Krebspatienten, um sich über ihre Krankheit zu informieren oder sich mit anderen Betroffenen auszutauschen. Ein psychoonkologisches Online-Coaching ist daher nur die logische Schlussfolgerung.“
Interessierte haben die Möglichkeit sich unter www.stress-aktiv-mindern.de oder per E-Mail an stream@usb.ch anzumelden. Die Teilnahme ist kostenlos.

Prof. Viviane Hess

Leitende Ärztin und Leiterin Klinische Forschung Universitätsspital Basel

+41 61 265 57 14


Lucia Uebersax Zrunek
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
Bereich Kommunikation