Sorafenib: Zehn Jahre in der Klinik

Im Jahr 2006 wurde der Multikinase­inhibitor Sorafenib als erste zielgerichtete Substanz zur Therapie des fortgeschrittenen Nierenzellkarzinoms (RCC) zugelassen, seit 2007 ist es die bislang einzige systemische Therapie des hepatozellulären Karzinoms (HCC) , und beim Radiojod-refraktären differenzierten Schilddrüsenkarzinom (DTC) war es die erste wichtige Neuzulassung nach rund 40 Jahren.

 Die Entwicklung von Sorafenib (Nexavar®), so Prof. Bernd Riedl, Wuppertal, begann Ende 1995 und mündete ab Mai 2000 in die Überprüfung der Verträglichkeit in einer Phase-I-Studie, in der sich erste Hinweise auf eine Wirksamkeit gegenüber Tumoren von Niere und Leber ergaben. Phase-II- und Phase-III-Studien führten 2006 zur Zulassung beim fortgeschrittenen RCC und 2007 beim HCC sowie 2014 bei bestimmten Formen des metastasierten Schilddrüsenkarzinoms. Auch mehr als zehn Jahre nach der Markteinführung, wird das Medikament noch in den bestehenden Indikationen und darüber hinaus getestet.

Einzige systemische Therapie des hepatozellulären Karzinoms

Sorafenib ist bis heute die einzige systemische Therapie des HCC. Leitlinien empfehlen es mit der höchsten Evidenz bei Patienten im Child-Pugh-Stadium-A, so Prof. Peter Galle, Mainz. Für Patienten in einem kompensierten Child-Pugh-B-Stadium (B7, B8) kann es im Einzelfall auf Basis einer individuellen Risikoabwägung eingesetzt werden. Die Zulassung beruht auf den Ergebnissen der randomisierten Phase-III-Studie SHARP, in der Sorafenib das mediane Gesamtüberleben (OS) im Vergleich zu Placebo um 2,8 Monate verlängerte (10,7 vs. 7,9 Monate; Hazard Ratio 0,69; p = 0,00058; [5]). In den Folgejahren ermöglichte der Wirkstoff in weiteren Phase-III-Studien bei unterschiedlichen Patientengruppen mediane OS-Zeiten zwischen 6,5 und 11,8 Monaten. Es profitierten erwartungsgemäß besonders deutlich Patienten, die sich in gutem Allgemeinzustand und einem frühen Krankheitsstadium befanden, bei denen keine makrovaskuläre Invasion oder extrahepatische Ausbreitung vorlag, oder solche, deren Erkrankung auf eine HCV-Infektion zurückging.

Sorafenib schließt Therapielücke beim Schilddrüsenkarzinom

Rund 95% aller Schilddrüsenkarzinome sind vom differenzierten Typ (DTC). Im metastasierten Stadium wird zunächst eine Radiojod-Behandlung durchgeführt. Patienten, die dagegen refraktär werden, haben eine sehr schlechte Prognose, so Prof. Christoph Reuter, Hannover. Verbessert hat sie sich seit 2014 mit der Zulassung von Sorafenib für diese Indikation auf der Basis der Phase-III-Studie DECISION (n = 417). Darin konnte Sorafenib das progressionsfreie Überleben (PFS) im Vergleich zu Placebo signifikant um fünf Monate verlängern (10,8 vs. 5,8 Monate, p < 0,0001), und zwar in allen untersuchten Subgruppen [18]. Aufgrund des Crossover-Designs der Studie, durch das über 70% der Patienten in der Placebogruppe nach Progression offen mit Sorafenib weiterbehandelt wurden, konnte kein Vorteil für den TKI im OS ermittelt werden [18]. Korrigiert man diesen Effekt rechnerisch, zeigt sich ein Trend zu einem längeren OS unter Sorafenib, so Reuter [19]. 

Wesentliche Therapieoption beim Nierenzellkarzinom

Die erste Zulassung für Sorafenib zur Therapie des fortgeschrittenen RCC bei Patienten, bei denen eine vorherige Interferon-alpha- oder Interleukin-2-basierte Therapie versagt hat oder die für solch eine Therapie nicht geeignet sind, basierte auf den Resultaten der Phase-III-Studie TARGET: Darin verlängerte Sorafenib im Vergleich zu Placebo sowohl das mediane PFS (5,5 vs. 2,8 Monate; p < 0,01) als auch das mediane OS signifikant (17,8 vs. 14,3 Monate; p = 0,029; [24, 25]). In den Folgejahren wandelte sich das Therapieumfeld durch die Zulassung einer Reihe neuer Wirkstoffe sehr rasch, sodass mittlerweile beim fortgeschrittenen RCC neben TKI auch eine Reihe anderer Substanzklassen zur Verfügung steht. Die Frage der Sequenztherapie wurde in der Phase-III-Studie SWITCH (n = 356) untersucht, in der die Sequenz Sorafenib-Sunitinib randomisiert mit der umgekehrten Sequenz verglichen wurde [36]. Eine Subgruppenanalyse zeigte dabei, dass über 65-Jährige unter der Sequenz Sorafenib-Sunitinib im Median 11,7 Monate länger lebten (31,5 vs. 19,8 Monate; p = 0,04; [37]). Die SWITCH-Daten bestätigen frühere Ergebnisse, die nahelegen, dass vor allem ältere Patienten von Sorafenib in der Erstlinie profitieren, so Kuczyk.

Josef Gulden

Literatur

5. Llovet JM et al. N Engl J Med 2008; 359: 378-90.

18. Brose MS et al. Lancet 2014; 384: 319-28.

19. Brose MS et al. J Clin Oncol 2014, 32 (Suppl 5): ASCO 2014, Abstract #6060.

24. Escudier B et al. N Engl J Med 2007; 356: 125-34.

25. Escudier B et al. J Clin Oncol 2009; 27: 3312-8.

36. Michel MS et al. J Clin Oncol 2014; 32 (Suppl 4): ASCO 2014, Abstract #393.

37. Wilhelm SM et al. Cancer Res 2004; 64: 7099-109.


Pressekonferenz „10 Jahre Nexavar® – Pionier bei fortgeschrittenen onkologischen Entitäten“ im Rahmen der DGHO-Jahrestagung in Leipizig am 14.10.2016, veranstaltet von Bayer AG, Leverkusen.