mCRPC: Neue Erkenntnisse zur Sequenztherapie

Nach aktuellen Daten vom ASCO-Kongress 2016 könnte künftig der Nachweis der Androgenrezeptor-Splicevariante AR-V7 die Wahl zwischen antihormoneller Therapie der neuesten Generation und Chemotherapie beim metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinom (mCRPC) erleichtern. Doch ein solcher Test ist bislang nicht kommerziell verfügbar, sodass diese Entscheidung weiterhin individuell getroffen werden muss. Auch die Wahl der Erstlinientherapie des nicht oder leicht symptomatischen mCRPC zwischen den beiden antihormonellen Wirkstoffen Abirateronacetat plus Prednison/Prednisolon und Enzalutamid ist derzeit eine individuelle Entscheidung.

 Abirateronacetat (Zytiga®) plus Prednison/Prednisolon und Enzalutamid, die heute laut Jürgen Gschwend, München, in der Erstlinientherapie des nicht oder leicht symptomatischen mCRPC oft zum Einsatz kommen, hatten in ihren jeweiligen Zulassungsstudien sehr gute Wirksamkeit gezeigt [1, 2]. Weil es keine Hinweise auf eine überlegene Wirksamkeit einer der beiden Substanzen gibt, müssen bei der Auswahl andere Kriterien herangezogen werden. 

Studien zur Sequenztherapie

Da beim mCRPC heute oft eine Sequenztherapie erfolgt, stellt sich etwa die Frage, ob es klinisch relevante Unterschiede bei den verschiedenen Sequenzen gibt, die einen Einfluss auf die Wahl der Erstlinientherapie haben können. Hierzu liegen nach den Ausführungen von Gschwend bislang ausschließlich retro­spektive, hypothesengenerierende Studien mit geringer Fallzahl vor [3–14]. Die Evidenzlage ist daher noch unzureichend, prospektive Studien sind auch laut einiger Autoren dieser Studien erforderlich.

Vor diesem Hintergrund wird derzeit in einer prospektiven, randomisierten, kontrollierten Phase-II-Studie im Cross-over-Design die Wirksamkeit der Sequenz Abirateronacetat plus Prednison/Prednisolon gefolgt von Enzalutamid mit der umgekehrten Sequenz verglichen [15]. Primärer Endpunkt ist die PSA (Prostata-spezifisches Antigen)-Ansprechrate (definiert als Abfall des PSA-Wertes um ≥ 30% verglichen mit dem Ausgangswert). Sekundäre Endpunkte sind potenzielle mit der Wirksamkeit und/oder einer Resistenz assoziierte Biomarker. Laut Gschwend ist davon auszugehen, dass die mit Spannung erwarteten und auch aus klinischer Sicht dringend benötigten Studiendaten die Evidenzlage zur Sequenztherapie deutlich verbessern werden.

Hubert Kübler, München, verspricht sich zudem in Zukunft viel von einer Untersuchung der zirkulierenden Tumorzellen auf die Androgenrezeptor-Splicevariante AR-V7. Denn deren Vorliegen – sei es vor Beginn der Erstlinientherapie des mCRPC als auch beim Progress unter der antihormonellen Therapie – kann darauf hinweisen, dass die Patienten womöglich besser eine Chemotherapie erhalten sollten, weil AR-V7-positive Pro­statakarzinome resistent gegenüber Abirateronacetat und Enzalutamid sind, Taxane hingegen ihre Wirksamkeit behalten [16]. Zurzeit ist jedoch noch kein kommerzieller AR-V7-Test zur Routineanwendung verfügbar.

Wann mit Abirateronacetat beginnen?

Kommt Abirateronacetat plus Prednison/Prednisolon in der Erstlinie zum Einsatz, profitieren nicht oder leicht symptomatische mCRPC-Patienten nach Hinweisen aus einer aktuellen, retrospektiven, hypothesengenerierenden Post-hoc-Analyse der Zulassungsstudie COU-AA-302 womöglich besonders, wenn sie zu Beginn der Behandlung noch keine Schmerzen und einen nur mäßig erhöhten PSA-Wert haben [17]. In der Subgruppenanalyse wurde nach Prostatakarzinom-abhängigen Parametern gesucht, die einen signifikanten unabhängigen Einfluss auf das Überleben haben. Dies waren der PSA-Wert, der Gleason-Score und der Schmerz, ermittelt anhand der Frage 3 des Brief Pain Inventory (BPI-SF). Basierend auf diesen Parametern wurden die Patienten zwei Gruppen zugeordnet: Die Günstige-Prognose-Gruppe (n=264) hatte keinen Schmerz (BPI-SF-Score: 0-1), einen PSA-Wert < 80 ng/ml und einen Gleason-Score < 8 zu Beginn. Die Ungünstige-Prognose-Gruppe (n=824) hatte leichte Schmerzen (BPI-SF ≥ 2) und/oder einen PSA-Wert ≥ 80 ng/ml und/oder einen Gleason-Score ≥ 8.

In der Gruppe mit günstiger Prognose wurde das Gesamtüberleben durch Abirateronacetat signifikant von median 41,8 auf 53,6 Monate, also um 11,8 Monate verlängert (HR 0,61; p = 0,0055). In der anderen Gruppe erzielte Abirateronacetat ebenfalls eine signifikante Verlängerung des Gesamtüberlebens, doch lediglich von 28,4 auf 31,2 Monate (HR 0,84; p = 0,0321). Patienten mit günstiger Prognose könnten also besonders von der Therapie mit Abirateronacetat profitieren, so Gschwend. Seines Erachtens gilt dies vor allem für Patienten ohne Schmerzen und mit einem nur mäßig erhöhten PSA-Wert (< 80 ng/ml), während der Gleason-Score im Praxisalltag kein zuverlässiger Prognosemarker ist [17, 18]. Weitere prospektive Studien seien jedoch erforderlich, um die Ergebnisse dieser retrospektiven, hypothesengenerierenden Post-hoc-Analyse zu untermauern. 

Verträglichkeit von Abirateronacetat

Beim Beginn einer Therapie in einem nicht oder leicht symptomatischen Krankheitsstadium ist es allerdings besonders wichtig, dass ein Arzneimittel gut verträglich ist. Für Abirateronacetat plus Prednison/Prednisolon, das in den Zulassungsstudien allgemein relativ gut verträglich war, lieferte eine beim ASCO-Kongress 2016 vorgestellte Studie Hinweise darauf, dass in ihr auch Patienten mit erhöhtem kardiovaskulärem Risiko sicher mit dem Androgenbiosynthese-Hemmer behandelt werden konnten. Die prospektive Analyse der Daten von 87 mCRPC-Patienten mit kardiovaskulären Risikofaktoren oder Komorbiditäten, die median über neun Monate Abirateronacetat erhalten hatten, kam zu dem Schluss, dass der Androgenbiosynthese-Hemmer auch in dieser Patientengruppe sicher und gut verträglich ist [19]. Die allgemein gute Verträglichkeit, die ja auch eine zentrale Voraussetzung für die Therapietreue eines Patienten ist, wird ebenfalls untermauert durch eine prospektive nicht-interventionelle Studie, in der 127 mCRPC-Patienten Abirateronacetat plus Prednison/Prednisolon unter Alltagsbedingungen erhielten. Hier war es nach drei und sechs Monaten nur selten zu Therapieabbrüchen aufgrund von mangelnder Adhärenz gekommen (5,5% bzw. 7,9%; [20]).red

Ine Schmale

Literatur

1. Ryan CJ et al. Lancet Oncol 2015; 16: 152-60.

2. Beer TM et al. J Clin Oncol 2015; 33 (Suppl 5): ASCO 2015, Abstract #5036.

3. Maughan BL et al. J Clin Oncol 2016; 34 (Suppl 2): ASCO-GU 2016, Abstract #308.

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17. Miller K et al. EAU 2016, Abstract #775.

18. Fizazi K et al. Ann Oncol 2016; 27: 699-705.

19. Prati V et al. J Clin Oncol 2016; 34 (Suppl 5): ASCO 2016, Abstract #e16534.

20. Suttmann H et al. J Clin Oncol 2016; 34 (Suppl 5): Abstract #e16525.