Tumorschmerz adäquat behandeln

Tumorpatienten mit stärksten Schmerzen – das sind Schmerzen, die der Patient auf einer visuellen Analogskala (VAS) von 0–10 mit mindestens 7 bewertet – profitieren von der Opiat-Titration als dem wichtigsten Baustein einer Strategie zur Schmerzregulierung.

Über sein Behandlungskonzept bei Patienten mit Tumorschmerzen berichtete Norbert Schürmann, Leiter der Abteilung für Schmerztherapie und Palliativmedizin am St. Josef Krankenhaus in Moers. Basismedikation bei Patienten mit fortgeschrittenen Tumorerkrankungen und exazerbierten, also kaum aushaltbaren, Schmerzen seien retardierte Opiate, außerdem erhielten sie eine Bedarfsmedikation zur Behandlung von Schmerzen, die vorhersagbar in bestimmten Situationen auftreten sowie Medikamente zur Behandlung von Durchbruchschmerzen.

Intravenöse Opiattitration

Die wichtigste Komponente in Schürmanns Strategie zur Behandlung stärkster Schmerzen ist die Opiat-Titration. Dazu wird über einen intravenösen Zugang nach einer Emesis-Prophylaxe Hydromorphon (Palladon®) aus einer Ampulle mit 2 mg (in 10 ml NaCl 0,9%) mit einer Geschwindigkeit von 1 ml (= 0,2 mg Hydromorphon) pro Minute vorsichtig titriert, bis die Schmerzen des Patienten auf einen Wert zwischen 3 und 5 auf der VAS gesunken sind. Schmerzfreiheit erwarte der Patient gar nicht, eine deutliche Reduktion sei ausreichend. Mit der intravenösen Opiat-Titration könne eine Schmerzreduktion von im Mittel 60% erzielt werden. Bei 94% der Patienten seien maximal 2 mg Hydromorphon ausreichend, um die Schmerzen auf einen Wert von < 5 auf der VAS zu reduzieren. Atemdepressionen sehe er darunter nicht.

Individuelle Schmerztherapie mit Oxycodon/Naloxon

Die geschilderte Opiat-Titration ist die Basis der medikamentösen Einstellung. Hat man z. B. mit 1,8 mg Hydromorphon i. v. bzw. 3,6 mg Hydromorphon oral eine zufriedenstellende Schmerzreduktion erreicht, errechnet sich aufgrund der vierstündigen Wirkdauer von Hydromorphon eine Tagesgesamtdosis von 6 x 3,6 mg, also 21,6 mg/d Hydromorphon oral, von denen anfangs drei Viertel als Tagesdosis gegeben werden, z. B. als 16 mg Hydromorphon oral, 48 mg Oxycodon oder als TARGIN®, eine Fixkombination von retardiertem Oxycodon und retardiertem Naloxon. Seit Herbst 2015 gibt es das in vier Wirkstärken verfügbare Opioid-haltige Analgetikum im fixen Verhältnis von 2 : 1 mit der Tageshöchstdosis von 160 mg Oxycodon und 80 mg Naloxon. Die Kombination wurde ursprünglich entwickelt, um eine Opioid-induzierte Obstipation zu vermeiden; ein weiterer wichtiger Vorteil der Kombination ist aber, dass das Oxycodon seine volle analgetische Wirkung hier ausschließlich im ZNS entfaltet.
Nicht geeignet zur Schmerzbehandlung von Krebspatienten seien hingegen Opioid-Pflaster, weil die Haut bei diesen Patienten das am schlechtesten durchblutete Organ darstellt, so Schürmann. Leitsubstanzen für die Schmerztherapie bei solchen Patienten seien Hydromorphon bzw. Oxycodon alleine oder in Kombination mit Naloxon. Die orale Applikation sei zu bevorzugen. Oxycodon/Naloxon wird aus den Retard-Tabletten über zwölf Stunden in zwei Phasen freigesetzt, sodass ein kon­stanter Plasmaspiegel über zwölf Stunden resultiert.

Josef Gulden


34. Münchener Fachpresse-Workshop am 27.7.2016 in München, veranstaltet von POMME-med GmbH, München.