Kolorektales Karzinom beim ASCO 2016: Links oder rechts – das ist die Frage

Beim metastasierten kolorektalen Karzinom (mCRC) bedeutet es offenbar einen wesentlichen Unterschied, auf welcher Körperseite sich der Primärtumor befunden hat: Eine Subgruppenanalyse der Phase-III-Studie CALGB/SWOG 80405, die bei der Jahrestagung der American Society of Clinical Oncology in Chicago präsentiert wurde, zeigt, dass linksseitig gewachsene Tumoren im metastasierten Stadium nicht nur eine bessere Prognose haben als rechtsseitige, sondern dass sich die Lokalisation auch auf das Ansprechen auf die Therapie auswirkt.

In der Studie hatten Patienten mit neu diagnostiziertem mCRC eine Primärtherapie mit FOLFOX oder FOLFIRI erhalten und waren darüber hinaus randomisiert worden, zusätzlich Cetuximab, einen Antikörper gegen den Rezeptor für epidermalen Wachstumsfaktor (EGFR), oder Bevacizumab, einen Antikörper gegen vaskulären endothelialen Wachstumsfaktor (VEGF), zu bekommen. Ein Unterschied zwischen diesen beiden Armen zeigte sich in der primären Analyse weder für das progressionsfreie noch für das Gesamtüberleben [1]. Dass das eine relativ oberflächliche Sicht der Dinge sein könnte, machte nun eine ungeplante Subgruppenanalyse deutlich, die Studienleiter Alan Venook, San Francisco, in Chicago vorstellte:
Bei 25% der Patienten war der Primärtumor auf der rechten Körperseite lokalisiert gewesen, d. h. zwischen Caecum und rechter Flexur, bei 61% linksseitig, d. h. zwischen linker Flexur und Rektum. Bei den restlichen Patienten war die Lage entweder im Colon transversum (5%) oder nicht bekannt (9%). Wenn die beiden größten Gruppen nun miteinander verglichen wurden, zeigte sich ein signifikanter Unterschied sowohl beim progressionsfreien als auch beim Gesamtüberleben zugunsten der Patienten mit linksseitigen Tumoren.
Interessant war aber vor allem, dass die beiden Antikörper in Abhängigkeit von der Lokalisation des Tumors unterschiedlich wirksam waren: Wenn der Tumor einen KRAS-Wildtyp aufwies, schnitt der EGFR-Antikörper bei den Patienten mit linksseitigem Tumor besser ab als der VEGF-Antikörper (p = 0,04), während es bei rechtsseitigen Tumoren umgekehrt war (p = 0,03). Die Ergebnisse waren ähnlich, wenn die Patienten mit Primärtumoren im Colon transversum zu denen mit rechtsseitigen Tumoren gruppiert wurden. Bei Patienten mit KRAS-Mutationen überlebten auch diejenigen mit linksseitigen Tumoren insgesamt länger, aber bezüglich der einzelnen Therapiegruppen zeigten sich hier keine signifikanten Unterschiede.
Diese Ergebnisse lassen es also geraten erscheinen, Patienten mit mCRC und rechtsseitigem Primärtumor unabhängig vom KRAS-Status eher mit Bevacizumab zusätzlich zur Chemotherapie zu behandeln, während Patienten mit linksseitigem Tumor und KRAS-Wildtyp von der Gabe eines EGFR-Antikörpers profitieren dürften. Leider gibt es aus der CALGB-Studie bislang keine Analysen weiterer RAS-Gene, wie sie mittlerweile in Europa Standard sind.
Rechts- und linksseitige Dickdarmtumoren verhalten sich also klinisch unterschiedlich, so Venook. Über die vermutlich zugrundeliegenden biologischen Differenzen werden wohl die derzeit durchgeführten molekularbiologischen Analysen Aufschluss geben: So ist denkbar, dass es Unterschiede bezüglich BRAF-Mutationen, Mikrosatelliteninstabilität und Methylierungs-Mustern gibt – alles Faktoren, die in den letzten Jahren als prognostisch relevant erkannt wurden und die möglicherweise auch eine prädiktive Rolle im Hinblick auf einzelne Therapieformen spielen könnten.
Die gefundenen Unterschiede erscheinen möglicherweise nicht mehr so überraschend, wenn man sich die em­bryologischen Verhältnisse vor Augen führt: Linke und rechte Hälfte des Kolons entwickeln sich aus verschiedenen embryonalen Geweben, so Venook, sodass auch Differenzen in der Biologie plausibel erscheinen. Die Lokalisation
– links oder rechts – wäre also ein Surrogatmarker für die Biologie der Tumoren und daher möglicherweise für deren ganz unterschiedliche Aggressivität.
   

Josef Gulden


Literatur
1. Venook AP et al. J Clin Oncol 2014; 32 (15S; ASCO 2014, Abstract #LBA3).
2. Venook AP et al. J Clin Oncol 2016; 34 (15S; ASCO 2016, Abstract #3504).