Hämoglobinopathien: bei Transfusionen auf Eisenüberladung achten

Hämoglobinopathien wie die β-Thalassämien und die Sichelzellkrankheit spielen in Mitteleuropa vor allem durch die verstärkte Migration aus dem Mittelmeergebiet und dem Nahen Osten mittlerweile eine weitaus größere Rolle als früher. Es besteht dringender Bedarf an der Schaffung zentraler Versorgungsstrukturen, um diesen Patienten generationenübergreifend zu helfen. Bei Weitem nicht jeder Patient kann die einzige kurative Therapie, eine allogene Stammzelltransplantation, erhalten; in vielen Fällen zählen regelmäßige Bluttransfusionen zu den wichtigsten Behandlungsoptionen – mit der Folge einer Eisenüberladung, der man nur durch eine Eisenchelat-Therapie vorbeugen kann.

Zwei Entitäten von Hämoglobinopathien stehen besonders im Fokus der Aufmerksamkeit, so Regine Grosse, Hamburg, und Stephan Lobitz, Berlin: die β-Thalassämie und die Sichelzellerkrankung. Die β-Thalassämie ist vielgestaltig – das kann von klinisch inapparenten (Thalassaemia minor) bis hin zu den schweren Krankheitsbildern der Thalass­aemia major mit schwerer Anämie, Minderwuchs, Knochendeformationen und verstärkter Infektanfälligkeit reichen. Unbehandelt versterben Patienten mit dieser schweren Form meist bereits im Kindesalter. In Deutschland, so Frau Grosse, dürfte es derzeit etwa 160.000 Träger einer T. minor und 400–500 Patienten mit T. major geben. Letztere benötigen, wenn sie keine allogene Transplantation erhalten können, in der Regel lebenslang Bluttransfusionen, die den Kindern eine normale Entwicklung ermöglichen.
Ähnliches gilt für die Sichelzellkrankheit, die in deutschen Großstädten wie Berlin mittlerweile bei schätzungsweise 25 von 100.000 Neugeborenen zu finden ist. Sie geht mit ausgedehnten hämolytischen Anämien und Organinfarkten durch Gefäßverschlüsse einher, weil sich die defekten Erythrozyten verformen und eine Tendenz zeigen, sich an das Gefäßendothel anzulagern. Durch die Schädigung der Milz kommt es zu vermehrten Infektionen. Auch hier ist die allogene Stammzelltransplantation die einzige kurative Option, als symptomatische Therapien werden Hydroxyurea, Erythrozyten-Transfusionen, Penizillin, Impfungen zur Infektprophylaxe und Analgetika bei Schmerzkrisen genannt.
Die Bluttransfusionen sind für die Patienten zwar hilfreich, führen aber im Lauf der Zeit zu einer Eisenüberladung des Körpers, die mit schweren Organschäden, vor allem an Herz und Leber, einhergeht, die durchaus tödlich enden können. Die entsprechenden Leitlinien empfehlen deshalb begleitend eine Eisenchelat-Therapie [1–3].

Josef Gulden


Literatur
1. Cario H, Krohne E, Eber S, et al.: DGHO Leitlinie Beta Thalassämie. Stand: Dezember 2012. Online verfügbar unter: www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/beta-thalassaemie/@@view/html/index.html Letzter Zugriff am 12. April 2016.
2. Cario H, Grosse R, Jarisch A, et al.: AWMF-Leitlinie Sichelzellkrankheit. Stand Dezember 2014. Online verfügbar unter: www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/025-016.html. Letzter Zugriff am 13. April 2016.
3. Dickerhoff R, Heimpel H: Leitlinien Sichelzellkrankheiten. Stand Juni 2010. Online verfügbar unter: www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/sichelzellkrankheiten/@@view/html/index.html. Letzter Zugriff am 12. April 2016.


Presse-Roundtable anlässlich des 5. Hämatologie Heute-Symposiums 2016 „Therapie von Hämoglobinopathien – Herausforderungen und Behandlungsstrategien“ am 20.4.2016 in Berlin, veranstaltet von Novartis Pharma GmbH, Nürnberg.