Fortschritte in der Gynäkoonkologie

Editorial

Die Gynäkoonkologie ist ein sehr heterogenes Feld: Das Endometriumkarzinom wird zwar meist erst aufgrund von Symptomen, aber dennoch in der Regel früh genug diagnostiziert, um eine gute Prognose zu gewährleisten. Für das Zervixkarzinom existiert bereits ein sehr effektives Screening-Programm. Die Inzidenz des Zervixkarzinoms wird durch die Einführung der HPV-Impfung in der Zukunft weiter absinken. Wesentlich schlechter ist es um das Ovarialkarzinom bestellt, die tödlichste unter allen gynäkologischen Krebserkrankungen: Es wird meist erst auffällig, wenn es sich bereits in einem fortgeschrittenen Stadium befindet. Während Endometrium- und Zervixkarzinom in der Regel in sano operiert werden können, findet beim Ovarialkarzinom meist eine frühe peritoneale Aussaat von Tumorzellen statt, die das operative Vorgehen limitieren kann.  Jedoch ist das Ovarialkarzinom aber meist sehr viel chemosensitiver als etwa das Zervixkarzinom, sodass wir bereits in der Vergangenheit mit Chemotherapien das Leben unserer Patientinnen teilweise deutlich verlängern konnten. In den letzten Jahren hat ein besseres Verständnis der Tumorbiologie in der gesamten Onkologie zu neuen Therapieansätzen geführt, von denen zu hoffen ist, dass sie auch die Situation der Ovarialkarzinom-Patientinnen positiv beeinflussen werden:
• Die Angiogenese ist als ein wichtiges Prinzip des Tumorwachstums erkannt worden, und die ersten anti-angiogenetischen Medikamente sind längst in der Klinik angekommen – beim Ovarialkarzinom bisher der gegen den vaskulären endothelialen Wachstumsfaktor (VEGF) gerichtete monoklonale Antikörper Bevacizumab, der das progressionsfreie Überleben der Patientinnen deutlich verlängern kann.
• Inhibitoren der Poly-ADP-Ribose-Polymerase (PARP) haben sich als interessante Agenzien erwiesen, die das Wachstum von Tumoren hemmen können, bei denen sich Schäden der DNA-Reparatur nachweisen lassen. Mit Olaparib ist der erste PARP-Inhibitor zuerst für Patienten mit einem Platin-sensitiven Ovarialkarzinomrezidiv und BRCA-Mutationen zugelassen worden und stellt hier eine wichtige Ergänzung unserer therapeutischen Möglichkeiten dar.
Die Entwicklung geht aber weiter – vor allem zwei Tendenzen in der Onkologie sind meines Erachtens vielversprechend, auch bei unserem „Sorgenkind“ Ovarialkarzinom:
• Die Erkenntnis, dass Tumoren des gleichen Organs sich zum Teil erheblich hinsichtlich ihrer genetischen Anomalien unterscheiden können, hat zur Entwicklung personalisierter Strategien in der Onkologie geführt. Dabei wird versucht, anhand von genomischen oder phänotypischen Biomarkern Subtypen von Tumoren zu definieren, die aufgrund eines bestimmten Defekts besonders anfällig für eine spezielle Therapiestrategie sind. Die Anwendung von PARP-Inhibitoren beim BRCA-mutierten Ovarialkarzinom ist dafür ein schönes Beispiel; in der nahen Zukunft sind hier mit Sicherheit noch mehr derartige Entwicklungen zu erwarten.
• Eine weitere sehr vielversprechende Entwicklung ist die Immuntherapie, speziell die Anwendung von Immuncheckpoint-Inhibitoren. Damit können T-Lymphozyten, die eigentlich Tumorzellen bekämpfen sollten, die aber durch komplizierte Regulationsmechanismen in ihrer Aktivität gebremst werden, ihre Funktionalität  gegen den Tumor wieder gewinnen. Bei Melanomen, Lungen- und urologischen Tumoren hat dieses Prinzip bereits Eingang in die Klinik gefunden, und es dürfte nur noch eine Frage der Zeit sein, bis auch unsere gynäkoonkologischen Patientinnen davon profitieren werden.

Prof. Dr. Marion Kiechle
Frauenklinik im Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München (TUM)
Lehrstuhl für Gynäkologie und Geburtshilfe
Ismaninger Straße 22, 81675 München
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