Schilddrüsen- und Nierenzellkarzinom: Überlebensvorteil mit Multikinase-Inhibitor

Für Lenvatinib, einen Multikinase-Inhibitor mit neuartigem Bindungsmodus, wurden beim Europäischen Krebskongress (ECC) in Wien interessante Daten zur Therapie des Radiojod-refraktären Schilddrüsenkarzinoms sowie des Nierenzellkarzinoms vorgestellt.


Lenvatinib (Lenvima®) hemmt die Rezeptoren 1–3 für vaskulären endothelialen Wachstumsfaktor (VEGFR 1–3), die Rezeptoren 1–4 für Fibroblasten-Wachstumsfaktor (FGFR 1–4), den Rezeptor für Platelet-Derived Growth Factor (PDGFR) und eine Reihe anderer Rezeptoren wie KIT und RET. Durch einen neuartigen Bindungsmodus (Typ V) unterscheidet Lenvatinib sich von bisher eingesetzten Kinaseinhibitoren. In der Phase-III-Studie
SELECT wurde es beim Patienten mit Radiojod-refraktärem differenziertem Schilddrüsenkarzinom gegen Placebo getestet und konnte dabei das Risiko für Progression oder Tod um beinahe 80% reduzieren (median 18,3 vs. 3,6 Monate; Hazard Ratio 0,21; p < 0,001; [1]). In einer in Wien neu vorgestellten Analyse, die den Crossover-Effekt berücksichtigte, war das Mortalitätsrisiko beinahe halbiert (Hazard Ratio 0,53; p = 0,005; [2]). Die Verbesserung im progressionsfreien Überleben war unabhängig davon, ob das Ansprechen auf die Therapie sofort oder erst später im Verlauf der Therapie erfolgt war [3] und auch unabhängig davon, aus welchen Gründen die Patienten als Radiojod-refraktär betrachtet worden waren (keine 131J-Aufnahme, Progression unter der Radiojod-Behandlung oder starke Exposition gegenüber 131J; [4]).
In einer randomisierten dreiarmigen Phase-II-Studie wurde überdies beim Nierenzellkarzinom Lenvatinib mit dem mTOR-Inhibitor Everolimus sowie mit der Kombination aus Lenvatinib und Everolimus verglichen: Beim progressionsfreien Überleben waren beide Lenvatinib-Gruppe der Everolimus-Monotherapie überlegen, beim Gesamtüberleben war zumindest für die Kombination ein Vorteil zu sehen, wie bereits beim ASCO-Kongress im Sommer 2015 gezeigt worden war [5]. In Wien wurden Biomarker-Analysen vorgestellt, in denen sich vor allem für die Serumkonzentrationen von Angiopoietin 2 interessante Korrelationen ergaben: Hohe Titer an Angiopoietin 2 vor Beginn der Therapie waren in allen drei Armen mit einem deutlich schlechteren Abschneiden assoziiert. Interessanterweise konnte aber gerade bei diesen Patienten die Kombination aus Lenvatinib und Everolimus das mediane Gesamtüberleben von 12,2 unter Everolimus stark auf 21,7 Monate verlängern (HR 0,44; p = 0,008), während bei den Patienten mit niedrigen Ausgangswerten von Angiopoietin 2 kein signifikanter Unterschied zwischen diesen Therapien zu sehen war [6]. Diese Befunden suggerieren, dass den Angiopoietin-2-Titern beim Nierenzellkarzinom unter der Therapie mit anti-angiogenen Substanzen eine pro­gnostische Rolle zukommen könnte.


Josef Gulden


Literatur
1. Schlumberger M et al. Lenvatinib versus placebo in radioiodine-refractory thyroid cancer. N Engl J Med 2015; 372: 621-30.
2. Guo M et al. Overall survival gain with lenvatinib vs. placebo in radioactive iodine refractory differentiated thyroid cancer (RR-DTC): An updated analysis. ECC 2015, Abstract #2805.
3. Newbold K et al. The influence of time to objective re­sponse on lenvatinib clinical outcomes in the phase 3 SELECT trial. ECC 2015, Abstract #2862
4. Kiyota N et al. Defining 131I-refractory differentiated thyroid cancer: efficacy and safety of lenvatinib by 131I-refractory criteria in the SELECT trial. ECC 2015, Abstract #2864.
5. Motzer R et al. Randomized phase II, three-arm trial of lenvatinib (LEN), everolimus (EVE), and LEN+EVE in patients (pts) with metastatic renal cell carcinoma (mRCC). ASCO 2015, Abstract #4506.
6. Glen H et al. Correlative analyses of serum biomarkers and clinical outcomes in the phase 2 study of lenvatinib, everolimus, and the combination, in patients with metastatic renal cell carcinoma following 1 VEGF-targeted therapy. ECC 2015, Abstract #432.
Pressekonferenz „Halaven® (eribulin) and Lenvima® (lenvatinib): Advances in the treatment of rare cancers” im Rahmen des European Cancer Congress (ECC) am 27.9.2015 in Wien, veranstaltet von Eisai Oncology.