Neben der Immuntherapie war vor allem die molekulare Heterogenität der Tumoren ein thematischer Schwerpunkt beim diesjährigen ASCO-Kongress in Chicago. Aus dem besseren Verständnis der Wandlungsfähigkeit der Tumorzellen auf molekularer Ebene ergeben sich bereits therapeutische Konsequenzen, wie Prof. Jürgen Wolf, Köln, bei einer Pressekonferenz der Roche Pharma AG im Nachgang zum amerikanischen Krebskongress in Bonn darlegte.

Tumorzellen sind offenbar deutlich wandlungsfähiger als lange angenommen. Das molekulare Verständnis der Hintergründe ist nach Wolf dabei zum einen die Basis einer individualisierten Krebstherapie und hat zum anderen Auswirkungen auf die Prognose der Patienten. Wenn beispielsweise gut analysiert ist, welche Mutation das Tumorrezidiv treibt, kann in aller Regel eine entsprechende zielgerichtete Therapie erfolgen. Allerdings ist nur bei einer Minderheit der Tumoren die Treibermutation bekannt, und bei noch weniger Patienten liegt nach derzeitiger Kenntnis tatsächlich eine therapierbare Treibermutation vor.
Erschwerend kommt hinzu, dass bei einem Patienten diverse molekulare Aberrationen in verschiedenen Tumorlokalisationen vorherrschen können. Die unterschiedlichen Mutationen können zudem simultan vorliegen, sich aber auch im Lauf der Zeit verändern. Das wurde laut Wolf mittlerweile bei mehreren Tumorformen gezeigt, die Situation scheint also komplexer als lange Zeit vermutet.
Die sich wandelnden Mutationsspektren erklären dabei, wieso Patienten nicht selten zunächst auf eine Behandlung gut ansprechen, sich dann später aber Resistenzen ausbilden. Gelingt es jedoch, die Mechanismen der Resistenz­entstehung besser zu verstehen, können auch Kinaseinhibitoren der nächsten Generation entwickelt werden, mit denen sich dann gezielt die Resistenz durchbrechen und eine Verlängerung des Überlebens erreichen lässt. Dies ist bislang jedoch nur bei einem kleinen Teil der Patienten möglich. „Bei diesen ausgewählten Patienten lässt sich jedoch eine deutliche Überlebensverlängerung erwirken“, berichtete der Mediziner.
„Die Tumorheterogenität ist außerdem die Rationale für molekulare Kombinationstherapien“, erklärte Wolf in Bonn. Er erläuterte die Zusammenhänge am Beispiel des kolorektalen Karzinoms, bei dem in manchen Fällen offenbar die Wirksamkeit der Therapie verstärkt werden kann, wenn ein BRAF-Inhibitor in Kombination mit einem EGFR-Antikörper verabreicht wird.

Christine Vetter

Pressekonferenz „Aktuelles vom amerikanischen Krebskongress 2015“ am 16. Juni 2015 in Bonn, veranstaltet von Roche Pharma AG, Grenzach-Wyhlen.