Fall

Kasuistik

Bei der 49-jährigen Patientin wird im Mai 1999 ein Mammakarzinom im oberen äußeren Quadranten rechts diagnostiziert. Nach einer brusterhaltenden Operation muss schließlich doch eine Ablatio
mammae mit axillärer Lymphknotendissektion durchgeführt werden. Pathologisch zeigt sich ein mäßig differenzierter (G2), Hormonrezeptor-positiver pT2-Tumor, bei dem 13 von 25 entnommenen Lymphknoten befallen sind (pN1b). Fernmetastasen sind zu diesem Zeitpunkt nicht erkennbar. Die Patientin erhält eine adjuvante Chemotherapie aus vier Zy­klen Epirubicin und Cyclophosphamid (EC) und drei Zyklen des Bonadonna-Regimes (Cyclophos­phamid, Methotrexat, 5-Fluorouracil, CMF) sowie eine Bestrahlung. Anschließend erfolgt eine Hormontherapie mit Tamoxifen und einem GnRH-Analogon.
Acht Jahre später, im November 2007, wird bei der Patientin eine ossäre Metastasierung festgestellt, die sich in vorwiegend osteoblastischen Metastasen in der Wirbelsäule äußert. Es erfolgt nun eine palliative Therapie mit Anastrozol und einem oralen Bisphosphonat, aber im Mai 2010 ist ein Progress der osteoblastischen Knochenmetastasen in mehreren Wirbelkörpern (ohne Frakturgefahr) und nun auch in einzelnen Rippen zu erkennen. Die Patientin wird daraufhin in die zu dieser Zeit rekrutierende BOLERO-2-Studie eingeschlossen und erhält Exemestan (25 mg/d) und Everolimus (10 mg/d), außerdem Zoledronsäure i. v. Darunter kommt es zu einer klinischen Besserung sowie einer Mukositis vom Grad 1–2. Bei erneutem Progress der Knochenmetastasen im Januar 2012 wird die Therapie auf Fulvestrant umgestellt. Auch unter dieser Therapie stabilisiert sich die Erkrankung zunächst, später setzt sich aber die Progression in Verbindung mit einer Meningeosis carcinomatosa fort und führt im Januar 2015 zum Tod.

Diskussion

Bei Patientinnen mit frühem Mammakarzinom, die in kurativer Intention behandelt werden, aber ein hohes Rezidivrisiko aufweisen (wie hier, wo immerhin die Hälfte der entnommenen Lymphknoten befallen war), ist eine adjuvante Chemotherapie und bei positivem Rezeptor-Status eine Hormontherapie angezeigt, die hier wegen des prämenopausalen Status der Patientin auch ein
GnRH-Analogon enthielt. Bei Nachweis von Knochenmetastasen (2007) wurde bei Hormonrezeptor-positivem Tumor ein nicht-steroidaler Aromataseinhibitor (AI) in Verbindung mit einem Bisphosphonat eingesetzt. Diese Behandlung war etwa zweieinhalb Jahre lang wirksam.
Für eine Resistenz gegenüber der Hormontherapie wird ein Umschalten der Zelle vom Hormonrezeptor-gesteuerten auf den alternativen PI3K-Akt-mTOR-Signalweg verantwortlich gemacht, der Überleben, Wachstum und Proliferation, Metabolismus und Angiogenese im Tumor stimuliert. Offenbar gibt es zudem eine enge Interaktion („crosstalk“) zwischen diesem und dem Östrogenrezeptor-Signalweg.
Das war die Rationale der Studie BOLERO-2, an der unsere Patientin teilnahm: Gegen nicht-steroidale AI refraktäre Patientinnen erhielten den steroidalen AI Exemestan und wurden im Verhältnis 2:1 randomisiert, den mTOR-Inhibitor Everolimus oder Placebo zu bekommen. Die Ergebnisse von BOLERO-2 sind bekannt: Die mediane progressionsfreie Überlebenszeit wurde durch Everolimus um 4,6 Monate si­gnifikant verlängert (p < 0,0001), während die Verlängerung des Gesamtüberlebens von median 26,6 auf 31,0 Monate nicht signifikant ausfiel (p = 0,14; [1]). Die progressionsfreie Überlebenszeit unserer Patientin unter Exemestan plus Everolimus lag mit mehr als eineinhalb Jahren deutlich über den in der Interimsanalyse in der zentralen Auswertung festgestellten 10,6 Monaten [2]. Die klinisch bedeutsame Verlängerung der Progressionsfreiheit durch den mTOR-Inhibitor war im Übrigen im BOLERO-2-Kollektiv in allen untersuchten Subgruppen von Patientinnen zu sehen und ist insbesondere unabhängig von der Art der Vortherapie.
Die einzige bemerkenswerte Nebenwirkung, die unsere Patientin unter der Studienmedikation entwickelte, war eine Mukositis von mäßigem Schweregrad. Auch das ist in Übereinstimmung mit den Ergebnissen der BOLERO-Studie, wo bei 59% der Teilnehmerinnen eine Stomatitis festgestellt wurde, die aber nur bei 8% vom Grad 3 war [2].

Literatur
1. Piccart M et al. Everolimus plus exemestane for hormone-receptor-positive, human epidermal growth factor receptor-2-negative advanced breast cancer: overall survival results from BOLERO-2. Ann Oncol 2014; 25: 2357-62.
2. Baselga J et al. Everolimus in postmenopausal hormone-receptor–positive advanced breast cancer. N Engl J Med 2012; 366: 520-9.

Prof. Dr. Hans Tesch
Hämatologisch-Onkologische
Gemeinschafts­praxis
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