Lebensbedrohende thromboembolische Komplikationen, Splenomegalie und zahlreiche den Patienten äußerst belastende Symptome sind typisch für eine Polycythaemia vera (PV). Diese Form von Blutkrebs ist zwar selten, aber dennoch die häufigste unter den myeloproliferativen Neoplasien (MPN). Die Therapieoptionen sind begrenzt. Eine zusätzliche Behandlungsmöglichkeit ist nun Ruxolitinib, das im März die EU-Zulassung zur Behandlung erwachsener Patienten mit PV erhielt.

Wichtigstes Ziel der Therapie der PV ist eine Reduktion des Risikos für thromboembolische Ereignisse wie Herzinfarkt und Schlaganfall durch Senkung des Hämatokrit-Wertes auf < 45%. Weitere Therapieziele sind die Verlängerung der Lebenserwartung durch Verhindern späterer Komplikationen wie der Progression zu einer akuten myeloischen Leukämie oder einer sekundären Mye­lofibrose, aber auch die Verbesserung der Lebensqualität durch Beseitigung oder zumindest Linderung belastender Symptome. Die mediane Überlebensrate bei PV variiert je nach Therapie zwischen 9,1 und 12,6 Jahren.

Erkrankung mit sehr unterschiedlichen Symptomen

Die genauen Ursachen der PV sind unbekannt, doch die Störung der Hämatopoese resultiert zu über 98% aus Störungen des JAK/STAT-Signalwegs durch eine Mutation im JAK2-Gen (Januskinase 2), die zu verstärkter Proliferation und Differenzierung führt. Neben der primären Myelofibrose, der essenziellen Thrombozythämie (ET) und anderen noch selteneren Erkrankungen zählt die PV zu den Philadelphia-Chromosom-negativen MPN. Typische Kennzeichen sind gesteigerte Erythropoese, Granulopoese sowie Megakaryopoese.
Zusätzlich zur unkontrollierten Überproduktion roter Blutkörperchen ist bei der PV die Produktion proinflammatorischer Zytokine und Wachstumsfaktoren erhöht; dies alles steigert nicht nur die Viskosität des Blutes und daraus resultierend das Risiko für Blutgerinnsel, sondern auch den Patienten belastende Symptome und Komplikationen der PV.

Schwierige und meist späte Diagnose

Unterschiedliche Symptome und ein vor allem initial oft unspezifisches Beschwerdebild erschweren eine Diagnose, weshalb die PV vor allem in der frühen Phase häufig unerkannt bleibt.
Zu den häufigsten Beschwerden zählen Fatigue (ca. 90%), chronische Erschöpfung, Pruritus besonders im Kontakt mit Wasser (ca. 65%), Schlaflosigkeit und Nachtschweiß, aber auch Knochenschmerzen, Sehstörungen und sogar Fieber. Im späteren Verlauf kann es zu einer Vergrößerung der Milz kommen (Splenomegalie), zu Angina pectoris und schmerzhaften Entzündungen der Gelenke. Die PV ist altersunabhängig, doch üblicherweise wird sie bei etwa 60-Jährigen diagnostiziert, meist bei einem Routine-Bluttest (Hämatokrit > 45%) oder aufgrund von Schmerzen im Oberbauch infolge einer Vergrößerung der Milz.
Ein großes Blutbild liefert dann Informationen über Zellzahlen und Zelltypen, zusätzlich sind bei PV-Patienten üblicherweise Hämatokrit- sowie Hämoglobin-Wert erhöht. Ergänzende Tests sind Blutausstrich, Erythropoetin-Test sowie Knochenmark-Untersuchung.

Behandlung der PV

Wichtigstes Therapieziel ist die Senkung der Zahl der roten Blutkörperchen (Plethora polycythaemica) durch wiederholte Phlebotomien, um den Hämatokrit auf unter 45% zu senken. Um arterielle Thrombosen zu vermeiden, erhält der Patient zusätzlich niedrig dosierte Azetylsalizylsäure (kontraindiziert bei hoher Thrombozytenzahl).
Die Gabe von zytoreduktiven Sub­stanzen wie Hydroxyurea (Hydroxycarbamid/HU) zielt darauf ab, die Progression bzw. das Thromboserisiko zu mindern, wird aber nicht von allen Patienten vertragen: Intoleranz und Resistenz sind möglich. Interferon α als Alternative ist für die Indikation PV nicht zugelassen, erzielt jedoch nach Ansicht von Experten gerade bei jüngeren Patienten gute Erfolge. PV-Patienten mit ausgesprägtem brennenden Juckreiz werden zusätzlich Antihistaminika verordnet. Insgesamt können die verfügbaren Therapien nur bedingt die Risiken einer PV kon­trollieren und Symptome reduzieren.

Ruxolitinib: zusätzliches Therapeutikum

Vor Kurzem wurde die Zulassung des JAK2-Inhibitors Ruxolitinib (Jakavi®) erweitert, der bisher zur Therapie von krankheitsbedingter Splenomegalie bei Erwachsenen mit primärer sowie Post-PV- und Post-ET-Myelofibrose eingesetzt wurde. Ruxolitinib kann kontrollierend in den dysregulierten JAK/STAT-Signalweg eingreifen, indem es an die Januskinasen 1 und 2 bindet und deren Aktivität hemmt. Die Zulassungserweiterung zur Behandlung erwachsener PV-Patienten, die resistent (ca. 10%) oder intolerant gegenüber HU sind, basiert auf den Ergebnissen der randomisierten, kontrollierten Phase-III-Studie RESPONSE. Darin wurden Wirksamkeit und Verträglichkeit von Ruxolitinib (n = 110) mit der besten verfügbaren Therapie (BAT; n = 112) verglichen: Die Startdosis betrug 10 mg zweimal täglich und konnte im Verlauf der Studie angepasst werden, um einen Hämatokrit < 45% zu erreichen, die Milzgröße zu reduzieren sowie die Leukozyten- und Thrombozytenzahlen zu normalisieren.
In der Ruxolitinib-Gruppe kam es im Vergleich zu BAT bis Woche 32 zu Verbesserungen nahezu aller krankheitsrelevanten Einzelsymptome, vor allem aber auch zu einer Reduktion des Milzvolumens um 40%, fasste Prof. Martin Grießhammer, Minden, die Ergebnisse aus 109 Studienzentren zusammen. 24% der Patienten (vs. 9% in der Kontrollgruppe) erlangten eine komplette hämatologische Remission. Die als besonders belastend empfundenen Symptome Fatigue, brennender Juckreiz sowie Tag- und Nachtschweiß konnten unter Ruxolitinib deutlich verbessert werden.

Helga Vollmer

Pressekonferenz „Jakavi® – die neue Therapieoption bei Polycythaemia vera“, am 17.4.2015 in Frankfurt/Main, veranstaltet von Novartis Oncology.