Der dreifach zielgerichtete Angiokinase-Hemmer Nintedanib kann in Kombination mit Docetaxel in der Zweitlinientherapie progressionsfreies und Gesamtüberleben von Patienten mit Adenokarzinomen der Lunge signifikant verlängern. Auf Basis der Phase-III-Studie LUME-Lung 1 wurde Nintedanib (Vargatef®) jetzt in der EU für diese Indikation zugelassen.

Adenokarzinome sind der häufigste histologische Subtyp (40–50%) des nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms (NSCLC), das wiederum ca. 85% aller malignen Lungentumoren ausmacht.  Aufgrund des nicht spezifischen Charakters und späten Auftretens der Symp­tome werden mehr als die Hälfte der Lungenkrebs-Diagnosen erst im fortgeschrittenen Tumorstadium gestellt: 15% der Patienten sind bei der Erstdiagnose bereits im Stadium III (lokal fortgeschritten), ca. 40% bereits im Stadium IV (mit Metastasen), so Prof. Anders Mellemgaard, Kopenhagen; 50–60% aller Patienten benötigen nach der Erstlinien- auch eine Zweitlinientherapie.
Patienten im Stadium IIIA, IIA und IIIB werden – abhängig vom Allgemeinzustand und der Tumorausdehnung – mit einer Kombination aus Chemo- und Strahlentherapie behandelt. Laut S3-Leitlinie ist die platinbasierte Kombinations-Chemotherapie Standard in der Erstlinie beim NSCLC. Für die Zweitlinie werden bisher Monotherapien mit Zytostatika wie Docetaxel oder Peme­trexed sowie mit dem EGF-Rezeptor-Tyrosinkinase-Inhibitor Erlotinib empfohlen. Im Median erreicht man damit Gesamtüberlebenszeiten von 7,5 bis 8,3 Monaten – in einigen Studien bis zu einem Jahr. Starke Nebenwirkungen beeinträchtigen zusätzlich die Lebensqualität der Patienten. Für Patienten im fortgeschrittenen Stadium besteht daher ein dringender Bedarf an wirksameren und gut verträglichen Therapeutika.
Unter Nintedanib (Vargatef®) scheint es nun nach langer Zeit einen – wenn auch geringen – Überlebensvorteil für vorbehandelte Patienten mit Adenokarzinom zu geben. Der neue orale, dreifach zielgerichtete Angiokinase-Hemmer blockiert simultan drei Klassen von Rezeptor-Tyrosinkinasen:


- Drei Rezeptoren des vaskulären endothelialen Wachstumsfaktors (VEGFR 1–3), die bei endothelialen Zellen Wachstum, Teilung, Resistenz gegen Apoptose und Migration fördern,
- zwei Rezeptoren für den Plättchen-abhängigen Wachstumsfaktor (PDGFR α und β), die Migration und Anhaften von Zellen kontrollieren und über Stimulierung der Perizyten Gefäßwände stützen und stabilisieren sowie
- drei Rezeptoren für den Fibroblasten-Wachstumsfaktor (FGFR 1–3), die eine Signalkaskade auslösen, die ebenfalls Migration und Anheften von Zellen fördert und so eine Rolle bei der Ausbildung und Stabilisierung von neuen Blutgefäßen spielt.


Diese drei Rezeptorfamilien sind von zentraler Bedeutung für die Tumor-Neoangiogenese. Ihre Blockade soll die Angiogenese inhibieren. Wirksamkeit, Sicherheit und Verträglichkeit von Nintedanib, von der EMA im November 2014 in Kombination mit Docetaxel zur Zweitlinientherapie von NSCLC mit Adenokarzinom-Histologie zugelassen, wurden im Rahmen der Phase-III-Studie LUME-Lung-1 doppelblind, randomisiert und placebokontrolliert untersucht [1]: 1.314 vorbehandelte Patienten mit NSCLC aller Histologien im Stadium IIIb/IV und im Rezidiv erhielten Docetaxel kombiniert mit Nintedanib oder Placebo.
LUME-Lung 1 erreichte laut David Heigener, Großhansdorf, den primären Endpunkt: Unabhängig von der Tumorhistologie verlängerte Nintedanib/Docetaxel bei allen Patienten das progressionsfreie Überleben von median 2,7 (unter Docetaxel allein) auf 3,4 Monate und bei Patienten mit Adenokarzinom-Histologie auch das Gesamtüberleben von median 10,3 auf 12,6 Monate (Hazard Ratio 0,83; p = 0,0359). Zwar seien zwei Monate (im Median) kein großer Unterschied, so Heigener, jedoch enorm wichtig für Patienten mit Adenokarzinom. Außerdem wirkt Nintedanib umso besser, je früher die Progression nach der First-line-Therapie eingesetzt hat – v. a. auch bei Patienten, die gar nicht auf die First-line-Behandlung angesprochen haben: Bei Patienten, die binnen höchstens neun Monaten nach Beginn der Erstlinientherapie progredient gewesen waren, betrug die Verlängerung des Gesamtüberlebens volle drei Monate (von 7,9 auf 10,9 Monate; HR 0,75; p = 0,0073; Abb.).

 

Abb.: LUME Lung-1: Gesamtüberlebenskurven von Patienten mit Adenokarzinomen, die weniger als neun Monate nach Beginn der Erstlinientherapie progredient waren. Nach [1].

 

Helga Vollmer

 

Literatur
1. Reck M et al. Lancet Oncol 2014; 15: 143–55.


Media-Event „Nintedanib – Zulassung & (Grundlagen-)Forschungskooperation mit IMP“, Boehringer Ingelheim & Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie (IMP) am 11. Dezember 2014 in Wien.