Die Anzahl von Krebspatienten steigt weltweit und damit – bei immer besseren therapeutischen Möglichkeiten – auch die Anzahl derjenigen, die geheilt werden und so als Überlebende (in der englischsprachigen Onkologie: „Survivors“) gelten können. Deren Versorgung wird seit einigen Jahren immer intensiver diskutiert. Die American Society of Clinical Oncology (ASCO) etwa hat ein eigenes “Cancer Survivorship Program” aufgelegt [1], und auch beim ASH-Kongress in San Francisco gab es eine Fortbildungssitzung zum Thema “Survivorship in hematological malignancies”, in dem es vor allem um langfristige Probleme und Herausforderungen ging, mit denen sich Patienten konfrontiert sehen.

Krebspatienten gelten meist als geheilt, wenn sie fünf Jahre nach Abschluss der Therapie krankheitsfrei sind. Aber auch nach diesen fünf Jahren gibt es noch Rezidive und Todesfälle – man sehe sich nur etwa die Kurven der Langzeitstudien der Early Breast Cancer Trialists´ Collaborative Group an [1] –, und außerdem sind die Folgen vieler Krebstherapien nach fünf Jahren noch lange nicht ausgestanden; sie verfolgen die Patienten oft lebenslang.

Non-Hodgkin-Lymphome

Die langfristige Routinekontrolle mittels Computertomografie war lange Zeit Standard in der Nachsorge von Patienten mit Non-Hodgkin-Lymphomen. Mittlerweile ist klar, dass viele Rezidive gar nicht durch die CT-Aufnahmen, sondern durch das Auftreten klinischer Zeichen und Symptome erkannt werden. Es gibt keine randomisierten Studien, in denen Nutzen und Gefahren einer routinemäßigen Kontroll-Bildgebung bei Patienten untersucht worden wären, die bei der Therapie eines Non-Hodgkin-Lymphoms eine komplette Remission erzielt haben, gaben Jonathan Cohen und Christopher Flowers von der Emory University in Atlanta zu bedenken [2]. Diesem fraglichen Nutzen stehen gegenüber: hohe Kosten, die Strahlenbelastung, die nicht extrem ist, aber ein gewisses Risiko für Sekundärtumoren birgt, und falsch-positive Befunde, die zu unnötigen Eingriffen, vor allem Biopsien führen. Es sieht so aus, als ob Rezidive, die mittels Routine-CT entdeckt werden, gutartiger sind als diejenigen, die sich zuerst durch klinische Symptome äußern und dass diese Patienten deshalb auch ohne frühere Entdeckung lange überleben würden. Eine aktuelle Konsensus-Leitlinie rät deshalb von der routinemäßigen Kontrolle ab [3].
Die Entscheidung für ein Kontroll-CT und darüber, wann es durchgeführt werden soll, sollte vielmehr auf individueller Basis mit dem Patienten diskutiert werden, so Cohen und Flowers, wobei dem Patienten die potenziellen Risiken ebenso wie der eventuelle Nutzen einer solchen Untersuchung dargelegt werden müssen. Eine Rolle spielen dabei die klinische Symptomatik bei der Erstdiagnose, das vor der Therapie bestimmte Rezidivrisiko, Ausmaß und Geschwindigkeit des Ansprechens auf die Therapie, eine Kosten-Nutzen-Abwägung, die Einschätzung eines möglichen Überlebensvorteils, die mögliche Rezidivlokalisation sowie die Frage, ob bei Ende der Therapie ein residueller Tumor vorhanden war. Natürlich sind nicht immer alle diese Faktoren für einen Patienten bekannt, aber, so Cohen und Flowers, ein Patient mit Hochrisiko-Erkrankung, der langsam auf die Induktionstherapie anspricht und nach Abschluss der Behandlung noch verdächtige Läsionen zeigt, ist eher ein Kandidat für eine engmaschigere Kontrolle als einer mit niedrigerem Risiko, der bereits nach zwei Zyklen Induktionstherapie eine metabolische Remission erreicht hat und diese über die gesamte Therapie­dauer halten kann.
Cohen und Flowers diskutieren die weitere Überwachung mit jedem Patienten in diesem Sinne. Ihr Routinevorgehen besteht in der Anfertigung von CT-Aufnahmen alle sechs Monate bis zu zwei Jahre nach Abschluss der Therapie – danach nur, wenn es das klinische Bild nahelegt. Klinisch werden die Patienten zwei Jahre lang alle drei Monate und danach alle sechs bis zwölf Monate untersucht. Zusätzliche Bildgebung erfolgt nur, wenn Laborergebnisse oder klinische Symptome es erforderlich erscheinen lassen. Glücklicherweise wird das rezidivfreie Überleben immer länger und die Therapien für Lymphom-Rezidive immer besser, sodass der Aufwand immer geringer zu werden verspricht. Patienten, die sich für ein Zurückfahren der Überwachung entscheiden, sollten besonders daran erinnert werden, wegen eventueller Symptome zum Arzt zu gehen, selbst wenn das letzte CT negativ war.

Hodgkin-Lymphom

Das Hodgkin-Lymphom ist eine der am besten heilbaren Krebserkrankungen, mit Heilungsraten von über 80% über alle Krankheitsstadien. Die Nachsorge – nach Ausschluss früher Rezidive – hat sich hier v. a. um Spätfolgen der besonders in fortgeschrittenen Stadien sehr aggressiven Therapieprotokolle zu kümmern, so Andrea Ng vom Brigham and Women´s Hospital in Boston [4]. Todesfälle durch Hodgkin-Erkrankungen treten nämlich nach zehn bis 15 Jahren kaum mehr auf, dafür nimmt dann die Mortalität durch Spätfolgen der Behandlung, v. a. durch Sekundärmalignome und kardiale Erkrankungen, zu.
Sekundäre Tumoren sind für die Mehrzahl der späten Todesfälle von Hodgkin-Patienten verantwortlich; das Risiko der bei Erkrankung oft noch jungen Patienten ist auch nach 25 Jahren noch erhöht. Unter den häufigsten Tumoren sind Leukämien, die v. a. auf die Alkylanzien in den Therapieregimes zurückgehen, und Mamma- und Lungenkarzinome, bedingt durch Bestrahlung von Lymphknoten im thorakalen Bereich. Aber auch Tumoren gastrointestinaler Organe wie Ösophagus, Pankreas, Magen und Kolorektum werden durch die Radiotherapien verursacht.
Kardiotoxisch an den Hodkgin-Protokollen sind ebenfalls die thorakale Strahlentherapie, aber auch bestimmte Zytostatika, vor allem Anthrazykline. In einer US-amerikanischen Studie mit 385 Patienten war das Mortalitätsrisiko durch Myokardinfarkt für diejenigen, die nur das ABVD-Regime erhalten hatten (Doxorubicin, Bleomycin, Vinblastin, Dacarbazin), 7,8-fach höher als in der Normalbevölkerung; bei denen, deren Thorax zusätzlich bestrahlt worden war, betrug der Faktor 12,1.
Weitere Spätkomplikationen sind Endokrinopathien. V. a. bei Bestrahlung im Halsbereich kommt es zu Schilddrüsenfunktionsstörungen, im Beckenbereich sowie bei Gabe von Alkylanzien kann Sterilität eine Folge sein: Das von der Deutschen Hodgkin-Studiengruppe entwickelte BEACOPP-Protokoll (Bleomycin, Etoposid, Doxorubicin, Cyclophosphamid, Vincristin, Procarbazin und Predniso(lo)n) führt, normal oder in eskalierter Dosierung gegeben, bei über 90% der männlichen Patienten zu Azoospermie. Die Hälfte der jungen Frauen reagiert auf BEACOPPeskaliert mit andauernder Amenorrhö, insbesondere wenn die Krankheit fortgeschritten war, die Patientinnen über 30 Jahre alt waren und während der Therapie keine oralen Kontrazeptive eingenommen hatten. Mit jungen Patienten, die sich einer solchen Behandlung unterziehen müssen, sollte immer eine Behandlung zur Fertilitätserhaltung diskutiert werden.
Wegen der Langzeiteffekte von Strahlendosen oberhalb von 20 Gy auf Muskeln und Skelett werden pädiatrische Hodgkin-Patienten heute mit niedrigeren Dosen bestrahlt. Dennoch kann es selten Jahrzehnte später zum sogenannten „Dropped-head“-Syndrom, bedingt durch eine Schwäche der zervikoskapulären Muskeln. Zugrunde liegt wahrscheinlich eine kombinierte primäre Schädigung von Muskeln und Nerven; das Syndrom ist irreversibel und kann nur supportiv behandelt werden.
Zur Früherkennung von Mammakarzinomen wird ein Mammografie-Screening für Frauen empfohlen, die wegen eines Hodgkin-Lymphoms im Thoraxbereich bestrahlt worden sind. Die Kombination von Mammografie und Kernspintomografie soll die Sensitivität auf 94% erhöhen, und v. a. werden Tumoren so früher entdeckt und sind damit meist besser behandelbar. In einer vom National Cancer Institute gesponsorten Studie wird derzeit die Prävention mittels Tamoxifen geprüft.
Ein Lungenkrebs-Screening mit niedrig-dosiertem CT kann einer retrospektiven Studie zufolge das Überleben von Hodgkin-Patienten verlängern. Eine Kosten-Nutzen-Analyse fand eine Kosteneffektivität dieser Maßnahme nur für Patienten, die im Alter zwischen 25 und 35 Jahren bestrahlt worden waren und eine Raucheranamnese hatten. Das Screening ist am günstigsten, wenn es zwischen sechs und 15 Jahre nach der Behandlung durchgeführt wird, abhängig von Alter bei Behandlung, Geschlecht und Bestrahlungs-Parametern.
Beim kardiovaskulären Screening scheint die einfache Blutdruckmessung sehr effektiv zu sein: Der Blutdruck korreliert offenbar mit dem Risiko für koronare Herzerkrankung und Herzklappenschäden. Ein Lipid-Screening empfiehlt sich ebenfalls in regelmäßigen Abständen, und Ruhe- und Belastungs-EKG sind alle zehn Jahre angezeigt.
Es ist wichtig zu betonen, so Ng, dass die Therapien sich mit der Zeit ändern. Die Deutsche Hodgkin-Studiengruppe zum Beispiel will in einigen ihrer Therapieoptimierungsstudien heute gar nicht mehr die sowieso schon exzellenten Überlebensraten verbessern, sondern evaluieren, ob man mit weniger aggressiver Chemotherapie und einer Beschränkung der Radiotherapie auf Risiko-Populationen die gleichen Ergebnisse erzielen kann. Die geschilderten Spätkomplikationen werden also zunehmend seltener werden. Dennoch werden Hodgkin-Patienten, die mit den konventionellen Methoden behandelt worden sind, noch lange leben und ein deutlich erhöhtes Risiko für diese Nebenwirkungen haben – gerade weil diese Erkrankung oft auch sehr junge Patienten betrifft.

Nach allogener Transplantation

Die allogene Stammzelltransplantation stellt bei einer Reihe hämatologischer Erkrankungen die einzige Chance auf langfristiges Überleben dar. Neben der kurzfristigen Mortalität nach dem Eingriff gibt es aber auch hier langfristig ein hohes Risiko für Komplikationen, die durch verschiedene Aspekte der Therapie bedingt sein können (Tab. 1).

Die kumulative Rate an chronischen Gesundheitsproblemen zehn Jahre nach allogener Stammzelltransplantation liegt bei 64%, nach 15 Jahren bei 71%. Schwere und lebensbedrohliche Komplikationen sind nach zehn Jahren bei immerhin 40% der Patienten zu beobachten. Kein Wunder also, dass diese Patienten einer lebenslangen Nachsorge bedürfen, so Smita Bhatia vom City of Hope National Medical Center in
Duarte, Kalifornien [5]. Das Center for International Blood and Marrow Transplantation Research (CIBMTR), die European Group for Blood and Marrow Transplantation (EBMT) und die American Society for Bone Marrow Transplantation (ASBMT) haben gemeinsam Leitlinien zum Screening auf solche Komplikationen entwickelt [6].
- Kardiovaskuläre Erkrankungen (arterielle Komplikationen und Kardiomyopathie) sind bei transplantierten Patienten häufiger und treten früher auf als in der Allgemeinbevölkerung; das kardiovaskuläre Mortalitätsrisiko ist doppelt so hoch. Das Risiko steigt mit der kumulativen Anthrazyklin-Dosis, einer mediastinalen Bestrahlung und dem Vorliegen klassischer kardiovaskulärer Risikofaktoren. Die Betreuung sollte langfristig auf Echokardiografie, gesunden Lebensstil und die Kontrolle und Behandlung von Dyslipidämie, Hypertonus und Diabetes setzen.
- Pulmonale Komplikationen wie Bronchiolitis obliterans, kryptogene organisierende Pneumonie und idiopathisches Pneumonie-Syndrom treten Monate bis Jahre nach allogener Transplantation auf; die kumulative Inzidenz liegt nach zwei Jahren bei 10%, bei gleichzeitigem Vorliegen einer chronischen Graft-versus-Host-Erkrankung (cGvHD) bei über 15%. Progredienz und Irreversibilität dieser Komplikationen sind nicht auszuschließen. Symptome wie Husten und Dyspnoe bedürfen hier natürlich besonderer Aufmerksamkeit; im ersten Jahr, während die Immunsuppression reduziert wird und das cGvHD-Risiko besonders hoch ist, werden Lungenfunktionstests alle drei Monate empfohlen.
- Besonders häufig sind nach allogener Transplantation endokrine Störungen, v. a. Schilddrüsenerkrankungen, Osteopenie/Osteoporose, Störungen der Gonadenfunktion und -entwicklung vor allem bei kindlichen Transplantations-Patienten und – daraus resultierend – Infertilität. Eine regelmäßige Schilddrüsenuntersuchung ist obligat bei diesen Patienten, die Gonadenfunktion sollte durch endokrinologische Tests und Anamnese (Amenorrhö, Menstruationsstörungen, Probleme mit Schwangerschaften) überprüft werden. Gegebenenfalls ist die Überweisung zum Endokrinologen indiziert.
- Die Häufigkeit einer Osteonekrose liegt bei 5,4% nach einer Stammzellspende von verwandten und gematchten Spendern, bei 15%, wenn der Spender nicht verwandt war. Sorgfältige Ana­mnese und körperliche Untersuchung können zur frühen Diagnose dieser Komplikation führen und dadurch weniger invasive Eingriffe ermöglichen.
- Sekundäre Malignome können in einer Vielzahl von Organen entstehen. Besonders häufig sind Hodgkin-Lymphome (die meist eine gute Prognose haben) und solide Tumoren vor allem der Haut (Basalzell- und Plattenepithelkarzinome), der Mamma, der Schilddrüse und von Dickdarm und Rektum. Das Screening sollte v. a. in den Körperarealen besonders intensiv erfolgen, wo der Patient einer Strahlentherapie ausgesetzt war. Die Haut und das darunterliegende Gewebe sind ein Fokus, bei thorakaler Bestrahlung ist bei Frauen die Brust regelmäßig zu untersuchen, bei Radiotherapie auf Abdomen, Becken oder Wirbelsäule ist die Koloskopie alle fünf Jahre ab dem 35. Lebensjahr bzw. ab zehn Jahre nach der Bestrahlung indiziert.

Literatur
1. Oeffinger KC et al. Models of cancer survivorship health care: Moving forward. 2014 ASCO Educational Book, 205-13.
2. Early Breast Cancer Trialists´ Collaborative Group (EBCTCG). Effect of radiotherapy after breast-conserving surgery on 10-year recurrence and 15-year breast cancer death: meta-analysis of individual patient data for 10,801 women in 17 randomised trials. Lancet 2011; 378: 1707-16.
3. Cohen JB, Flowers CR. Optimal disease surveillance strategies in non-Hodgkin lymphoma. Hematology 2014, pp. 481-7.
4. Cheson BD et al. Recommendations for initial evaluation, staging, and response assessment of Hodgkin and non-Hodgkin lymphoma: The Lugano classification. J Clin Oncol 2014; 32(27):3059-68.
5. Ng AK. Current survivorship recommendations for patients with Hodgkin lymphoma: Focus on late effects. Hematology 2014, pp 488-94.
6. Bhatia S. Caring for the long-term survivor after allogeneic stem cell transplantation. Hematology 2014, pp495-503.
7. Majhail NS et al. Recommended screening and preventive practises for long-term survivors after hematopoietic cell transplantation. Bone Marrow Transplant 2012; 47: 337-41.