ESMO 2014

Das fortgeschrittene Urothelkarzinom der Blase hatte bisher eine schlechte Prognose, weil Chemotherapien kaum Wirksamkeit zeigten. Mit den modernen Immuntherapien scheint sich jedoch eine Wende abzuzeichnen, wie beim ESMO-Kongress gezeigte Phase-I-Daten hoffen lassen.

Für die Erstlinie ist eine Chemotherapie auf Platin-Basis Standard, aber jenseits davon gibt es für das fortgeschrittene Urothelkarzinom der Blase etwa in den USA keine zugelassene Therapie mehr; in Europa bietet sich nur Vinflunin an, das aber keinen si­gnifikanten Überlebensvorteil bringt. In der Zweitlinien-Situtation liegt die progressionsfreie Überlebenszeit bei median drei, die Gesamtüberlebensdauer bei median sieben Monaten. Weil Blasenkarzinome zu den Neoplasien mit einer besonders hohen Mutationsfrequenz zählen, ist die Entwicklung zielgerichteter Therapien, die vielen Patienten helfen, schwierig. Dafür exprimieren die Tumorzellen zahlreiche Neo-Antigene und damit potenzielle Zielstrukturen für das Immunsystem. Dieses muss nur entsprechend aktiviert werden, weshalb auch hier die neu entwickelten Checkpoint-Inhibitoren nützlich sein könnten. Zwei Phase-I-Studien, die in Madrid vorgestellt wurden, stützen diese Hoffnung:
Pembrolizumab ist ein Antikörper, der ähnlich wie Nivolumab das PD-1-Antigen auf T-Zellen hemmt, seine Liganden PD-L1 und PD-L2 auf Tumorzellen und Makrophagen zu binden und dadurch die Aktivität des T-Lymphozyten zu bremsen. In der Phase-Ib-Studie KEYNOTE-012, die Elizabeth Plimack, Philadelphia, vorstellte, wurde Pembrolizumab bei Patienten mit verschiedenen soliden Tumoren getestet; darunter waren auch 33 mit rezidivierten oder metastasierten Urothelkarzinomen, die im Tumor PD-L1 exprimierten. Sie erhielten alle zwei Wochen 10 mg/kg Pembrolizumab, bis der Tumor progredient wurde. Bei einem partiellen Ansprechen wurde die Behandlung fortgesetzt, bei kompletter Remission konnte sie beendet werden. Drei Viertel der Patienten waren vorbehandelt, jeder dritte hatte bereits mindestens drei Therapien erhalten.
Sieben Patienten zeigten eine Remission nach den RECIST-Kritereien (24,1%), die bei dreien (10,3%) komplett war; bei vier weiteren (13,8%) stabilisierte sich die Erkrankung. Bei insgesamt 64% der Patienten war ein Rückgang der Tumorgröße zu verzeichnen, der nicht immer das für eine Remission nach RECIST geforderte Ausmaß erreichte – aber die bisherigen Erfahrungen mit Immuntherapien haben gezeigt, dass das für einen langfristigen Nutzen nicht unbedingt erforderlich ist. Sechs der sieben Remissionen dauern nach wie vor an (zwischen 16 und über 40 Wochen). Nach sechs Monaten waren 23,1% der Patienten progressionsfrei und 58% überhaupt am Leben. Diese Ergebnisse bei teilweise stark vorbehandelten Patienten mit Urothelkarzinomen, so Frau Plimack, stimulieren die weitere Entwicklung von Pembrolizumab in dieser Indikation; Ende des Jahres soll die Phase-III-Studie KEYNOTE-045 starten.

Auch PD-L1-Antikörper mit hohen Ansprechraten

In einer Phase-Ia-Studie, die Joaquin Bellmunt, Boston, vorstellte, erhielten unter anderem 70 Patienten mit Urothelkarzinomen den gentechnisch veränderten, gegen das PD-L1-Antigen auf Tumorzellen gerichteten Antikörper MPDL3280A. Etwa zwei Drittel von ihnen waren operiert, über 90% hatten eine platinhaltige Chemotherapie erhalten, und bei knapp der Hälfte war immunhistochemisch auf Tumor- oder Stromazellen PD-L1 nachweisbar. Die Patienten erhielten 15 mg/kg des Antikörpers alle drei Wochen für bis zu 16 Zyklen.
Die Verträglichkeit war ausgezeichnet: Bei gerade einmal 5% der Patienten wurden Grad-3/4-Toxizitäten regis­triert, aber die Gesamtansprechrate war mit 52% bei den Patienten mit PD-L1-exprimierenden Tumoren hoch; von denjenigen ohne Expression sprachen immerhin auch noch 14% an. Das Ansprechen korrelierte mit der Stärke der immunhistochemisch (ICH) bestimmten PD-L1-Expression, aber auch bei niedriger Expression gab es noch Remissionen, sodass dieser Parameter sich nicht für oder gegen eine Therapieentscheidung eignen dürfte. 19 von 22 Remissionen hielten zum Zeitpunkt der Auswertung noch an, die mediane progressionsfreie Überlebenszeit korrelierte mit der Stärke der Expression von PD-L1. In einer einarmigen Phase-II-Studie, die derzeit rekrutiert, wird MPDL3280A bei Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Urothelkarzinom der Blase weiter untersucht.

Josef Gulden

Kongress der European Society for Medical Oncology (ESMO) vom 26.–30. September 2014 in Madrid.