ESMO 2014

Wie schon bei der ASCO-Jahrestagung im Sommer spielten auch beim Kongress der European Society for Medical Oncology (ESMO) in Madrid Ende September die neuen Immuntherapien, v. a. die Checkpoint-Inhibitoren, eine herausragende Rolle – u. a. beim Melanom, bei Lungen- sowie bei urologischen Tumoren. Es gab aber auch Enttäuschungen: Eine Vakzine, in die große Hoffnungen gesetzt worden waren, brachte in der Adjuvanz beim nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom keinen Vorteil.

Ein ganzes Presidential Symposium war beim diesjährigen ESMO-Kongress dem malignen Melanom gewidmet – mit Ergebnissen aus drei großen Phase-III-Studien sowohl zur Immuntherapie als auch zu neuen zielgerichteten Therapien – den MEK-Inhibitoren, die die Wirksamkeit der BRAF-Hemmstoffe verbessern können. Checkpoint-Inhibitoren sind Antikörper, die Signale in T-Lymphozyten blockieren, durch die die Aktivität dieser Immunzellen gegenüber Tumorzellen gebremst wird. Der bereits zugelassene CTLA4-Antikörper Ipilimumab verlängert beim metastasierten Melanom das Überleben und scheint etwa jedem fünften Patienten sogar ein Langzeitüberleben zu ermöglichen; ob man dabei von einer Heilung sprechen kann, muss abgewartet werden. Nun wird mit Antikörpern gegen PD-1 (Programmed Death 1), einen weiteren negativen Regulator der T-Zelle, der nächste Schritt gemacht.
In Madrid wurden die ersten Phase-III-Daten dazu aus der CheckMate037-Studie von Jeffrey Weber, Tampa, vorgestellt: Darin waren Patienten mit fortgeschrittenem Melanom, die unter Ipilimumab (und gegebenenfalls auch unter BRAF-Inhibitoren) progredient waren, im Verhältnis 2:1 randomisiert worden, entweder den PD-1-Antikörper Nivolumab oder eine Chemotherapie zu erhalten (wahlweise Dacarbazin oder Carboplatin/Paclitaxel). Ko-primäre Endpunkte waren das Gesamtansprechen bei den ersten 120 mit Nivolumab behandelten Patienten und das Gesamtüberleben im Vergleich beider Arme.
Die Ansprechrate unter Nivolumab war gegenüber der Chemotherapie beinahe verdreifacht (32% versus 11%), mit insgesamt vier Komplettremissionen (3%) unter Nivolumab. Die mediane Zeit bis zum Ansprechen auf den Antikörper lag bei 2,1 Monaten; von 38 Remissionen dauern 36 nach einer Mindestbeobachtungszeit von 24 Wochen noch an, womit die mediane Dauer des Ansprechens noch lange nicht erreicht ist; unter der Chemotherapie lag sie bei lediglich 3,6 Monaten. Die Remissionen waren unabhängig von der Expression des PD-1-Liganden PD-L1 im Tumor, vom BRAF-Mutationsstatus und von einem Ansprechen auf die vorangegangene Ipilimumab-Therapie.
Die Verträglichkeit des Antikörpers war gut mit 9% Grad-3/4-Nebenwirkungen gegenüber 31% unter der Chemotherapie. Zum zweiten primären Endpunkt Gesamtüberleben gibt es noch keine auswertbaren Daten, so Weber, aber sowohl in den USA als auch in Europa wurde Nivolumab mittlerweile in ein beschleunigtes Zulassungsverfahren aufgenommen; die FDA hat ihm den Status einer „Breakthrough Therapy“ zuerkannt.

BRAF-Hemmung verstärkt durch MEK-Inhibitoren

In zwei im gleichen Presidential Symposium vorgestellten Phase-III-Studien wurde die Melanom-Therapie mit BRAF-Inhibitoren weiterentwickelt: Die Hemmung der mutierten BRAF-Kinase bringt bei BRAF-mutierten Melanomen hohe Ansprechraten, aber die erzielten Remissionen halten leider meist nicht sehr lange an. Der häufigste Mechanismus für eine Resistenz ist eine Reaktivierung des MAP-Kinase-Signalwegs durch die MEK-Kinase. Spezifische MEK-Inhibitoren verhinderten in präklinischen Studien in Kombination mit BRAF-Inhibitoren diese Resistenzen und verlängerten in frühen klinischen Studien Ansprechen und progressionsfreies Überleben bei BRAF-Inhibitor-naiven Patienten. Für die zwei MEK-Inhibitoren Trametinib und Cobimetinib wurden in Madrid die ersten Phase-III-Daten vorgestellt:
-    In der COMBI-v-Studie erhielten 704 zuvor unbehandelten Patienten mit nicht resezierbarem oder metatasiertem, BRAF-mutiertem Melanom randomisiert entweder Trametinib in Kombination mit dem BRAF-Inhibitor Dabrafenib oder den zweiten verfügbaren BRAF-Hemmer Vemurafinab. Die Kombination war beim primären Endpunkt Gesamtüberleben signifikant überlegen, so Caroline Roberet, Villejuif: Der Medianwert ist hier noch nicht erreicht, während er im Vemurafenib-Arm 17,2 Monate betrug (Hazard Ratio 0,69; p = 0,005). Das war in allen untersuchten Subgruppen der Fall und unabhängig vom Typ der BRAF-Mutation, Geschlecht, Alter und Laktatdehydrogenase-Konzentration. Beim progressionsfreien Überleben, einem sekundären Endpunkt, war Trametinib plus Dabrafenib ebenfalls hochsignifikant besser (median 11,4 vs. 7,3 Monate; HR 0,56; p < 0,001), ebenso bei der Gesamtansprechrate (64% vs. 51%; p < 0,001; davon 13% vs. 8% komplette Remissionen). Dass mit der Kombination die Resistenzentwicklung wenn nicht verhindert, so doch zumindest hinausgezögert wird, zeigt eine deutliche Verlängerung der Dauer der Remissionen (median 13,8 vs. 7,5 Monate).
Unter der Kombination traten mehr Fieber-Episoden auf als unter Vemurafenib alleine, wogegen die typischen mit BRAF-Inhibitoren assoziierten und vor allem die Haut betreffenden Toxizitäten (hyperproliferative Läsionen, Hand-Fuß-Syndrom, Alopezie, Photosensitivität) weitgehend ausblieben. Eine für den MEK-Inhibitor typische Nebenwirkung scheint eine Erniedrigung der linksventrikulären Auswurffraktion zu sein (bei 8% der Patienten im Kombinationsarm).
-    Die zweite Studie verglich bei 495 ebenfalls nicht vorbehandelten Patienten mit BRAF-mutiertem Melanom randomisiert die Kombination aus Vemurafenib und einem weiteren MEK-Inhibitor, dem Cobimetinib, mit einer Vemurafenib-Monotherapie. Primäres Ziel war hier das progressionsfreie Überleben, und es hatte sich in der unabhängigen zentralen Auswertung durch Cobimetinib von median 6,0 auf 11,3 Monate fast verdoppelt (HR 0,60; p = 0,0003). Auch beim sekundären Endpunkt Ansprechen schnitt die Kombinationstherapie mit 68% vs. 45% deutlich besser ab (davon 10% vs. 4% komplette Remissionen). Beim Gesamtüberleben sind die Medianwerte noch nicht erreicht, aber die Raten nach neun Monaten waren unter Cobimetinib ebenfalls höher (81,1% vs. 72,5%; Hazard Ratio 0,65; p-Wert 0,046); die vorab definierte Grenze für einen Stopp der Randomisierung aufgrund der Interims­analyse liegt allerdings bei einem p-Wert von 0,0000037 und ist damit noch nicht erreicht. Auch hier nahmen die kutanen Läsionen ab und niedriggra­dige kardiale Nebenwirkungen leicht zu.

Josef Gulden

Kongress der European Society for Medical Oncology (ESMO) vom 26.–30. September 2014 in Madrid.