DGHO 2014

Die Therapie der chronischen myeloischen Leukämie (CML) hat sich seit Einführung des ersten Tyrosinkinaseinhibitors (TKI) Imatinib im Jahr 2001 dramatisch verändert — mit Überlebensraten von 90% nach fünf und 84% nach zehn Jahren. Aktuell wird in zahlreichen Studien untersucht, ob man bei Patienten mit sehr gutem Ansprechen die Medikation absetzen kann, ohne damit eine Progression zu riskieren. Es gibt aber auch Fälle, die weniger gut laufen und in denen die Patienten gegen Imatinib resistent werden und möglicherweise auch auf Zweitlinien-TKIs nicht ansprechen oder diese nicht vertragen. Dann ist der Drittlinien-TKI Ponatinib das Medikament der Wahl.

Häufig liegt bei diesen resistenten Patienten eine T315I-Mutation in der Kinasedomäne des BCR-ABL-Fusionsproteins vor. Die Folge wäre in den meisten Fällen eine Progression zur akzelerierten Phase und weiter zur Blastenkrise, wo die Überlebenschancen dramatisch absinken. Für die geschilderten Situationen ist der Drittgenerations-TKI Ponatinib (Iclusig®) zugelassen, der als einzige der bisher verfügbaren Substanzen auch bei Patienten mit T315I-Mutation noch wirkt. Das konnte in der Phase-II-Studie PACE gezeigt werden, auf der auch die Zulassung beruht [1, 2], so Andreas Hochhaus, Jena:
Die Rate des kompletten zytogenetischen Ansprechens betrug hier insgesamt 54%, wobei die Patienten mit T315I-Mutation mit 70% deutlich besser abschnitten als die, die gegen Dasatinib und Nilotinib resistent waren oder diese Substanzen nicht vertrugen (48%). Dieses Ansprechen geschah in median weniger als drei Monaten. Eine gute molekulare Remission (BCR-ABL ≤ 0,1% = MR3) wurde in median 5,5 Monaten erreicht, bei allen Patienten in 38%, bei denen mit T315I-Mutation in 58% der Fälle.
Als eine signifikante Nebenwirkung erwiesen sich im Verlauf der PACE- und auch der Erstlinien-Studie EPIC vaskuläre Verschlusserkrankungen: Nach median zwei Jahren waren sie bei 20% der Patienten in der PACE-Studie beobachtet worden. Daraufhin wurde bei diesen Patienten die Ponatinib-Dosis von initial 45 mg/d reduziert; bei rund 90% der Patienten, die zuvor eine MR3 erreicht hatten, ging diese dadurch nicht verloren, auch nicht nach bis zu einem Jahr Behandlung mit niedrigerer Dosierung [3]. Statistische Modellberechnungen ergaben, so Hochhaus, dass eine Reduktion der Ponatinib-Dosis um jeweils
15 mg/d das Risiko für eine arterielle Thrombose um ein Drittel verringert [3].
Nachdem die Zulassung kurzzeitig außer Kraft gesetzt war, wird Ponatinib heute als unverzichtbar zur Therapie von CML-Patienten mit resistenter Erkrankung angesehen: Das Pharmaco­vigilance Risk Assessment Committee der europäischen Zulassungsbehörde empfiehlt, so Hochhaus, die zugelassene Indikation auf jeden Fall beizubehalten, die Patienten entsprechend klinischer Guidelines zu überwachen, nach Erreichen einer guten zytogenetischen Remission eine Dosisreduktion in Betracht zu ziehen und bei Nichterreichen eines kompletten hämatologischen Ansprechens nach drei Monaten einen Therapieabbruch zu erwägen.
Die detaillierte Auswertung der Langzeitergebnisse einer Phase-I-Studie zeigt überdies, dass die erforderlichen Ponatinib-Dosen für ein Ansprechen offenbar individuell stark variieren, so Tim Brümmendorf, Aachen [4]: Dort gab es Patienten, die bereits unter
15 mg/d eine MR3 erzielten, bei anderen waren 30 bzw. 45 mg/d nötig, und bei einigen reichte auch diese höchste Dosis nicht aus. Nachdem die Erstlinienstudie EPIC [5] trotz großer Überlegenheit von Ponatinib gegenüber der Vergleichssubstanz Imatinib wegen vaskulärer Nebenwirkungen vorzeitig abgebrochen werden musste, ist daher nun eine Studie geplant, in der verschiedene Dosierungen bei Patienten mit refraktärer CML untersucht werden sollen, um das Nutzen-Risiko-Verhältnis zu optimieren.

jfg


Literatur
1. Cortes JE et al. N Engl J Med 2013; ###
2. Kantarjian HM et al. (ASCO 2014, Abstract #7081).
3. ESH 2014, Philadelphia
4. (ASCO 2014, Abstract #7078).
5. Chuah C et al. (EHA 2014, Abstract #S679).

Satellitensymposium “Zukunftsweisende Strategien für die Behandlung der Chronischen Myeloischen Leukämie“ bei der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und medizinische Onkologie (DGHO) am 12.10.2014 in Hamburg, unterstützt von Ariad.