Die neoadjuvante Therapie ist bei Mammakarzinomen im Frühstadium heute die Regel, um möglichst gute Tumorrückbildungen zu erreichen und so schonend wie möglich operieren zu können. Es gibt gute Belege für die Prognoseverbesserung durch die neoadjuvante Behandlung, aber nicht alle Regimes sind auch zugelassen. Hier stellt sich – wie öfter in der Onkologie – die Frage des Off-label-Use.

Patientinnen mit triple-negativem Tumoren – d.h. ohne Hormon- und HER2-Rezeptoren (ca. 15–20% aller Brustkrebs-Patientinnen) – haben eine bessere Prognose, wenn sie nach neoadjuvanter Chemotherapie eine pathologische Komplettremission (pCR) erreicht haben, so Sibylle Loibl, Co-Chair der German Breast Group (GBG), Offenbach. Die GBG hat sich besonders die Weiterentwicklung der neoadjuvanten Therapie auf die Fahnen geschrieben und dabei auch international beachtete Erfolge erzielt, die sich aber nicht immer im Rahmen der Zulassungsgrenzen von Medikamenten bewegen. In der GeparSixto-Studie wurde bei Patientinnen mit triple-negativem oder HER2-positivem Brustkrebs untersucht, ob die Hinzunahme von Carboplatin zu einer 18-wöchigen neoadjuvanten Taxan-Anthrazyklin-haltigen Basis-Chemotherapie die pCR-Rate erhöhen kann. Als Taxan wurde Paclitaxel (80 mg/m2 wöchentlich), als Anthrazyklin nicht-pegyliertes lipsomales Doxorubicin (Myocet®, 20 mg/m2 und Woche) gegeben. Patientinnen mit HER2-positiven Tumoren erhielten außerdem Trastuzumab und Lapatinib, jene mit triple-negativen Tumoren hingegen Bevacizumab. Randomisiert bekam die Hälfte der Patientinnen außerdem Carboplatin, zunächst AUC2, nach Auftreten von Nebenwirkungen mit AUC1,5.
Die pCR-Rate stieg durch die Carboplatin-Gabe im Gesamtkollektiv signifikant von 36,9% auf 43,7% an; ein signifikanter Unterschied war aber überwiegend beschränkt auf die Subgruppe der Patientinnen mit triple-negativen Karzinomen: Dort war die Zunahme von 36,9% auf 53,2% mit einer Odds Ratio von 1,94 hochsignifikant (p = 0,005). Noch ausgeprägter war der Effekt bei Patientinnen mit positiver Familienanamnese für Brustkrebs oder mit Keimbahnmutationen in krebsrelevanten Genen wie BRCA1/2 oder RAD50/51C.
Carboplatin könnte sich damit zu einem wichtigen Bestandteil der neoadjuvanten Chemotherapie des triple-negativen Mammakarzinoms entwickeln, so Frau Loibl; die Empfehlungen der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO) führen sie derzeit mit einem Evidenz-Grad B und einem +, empfehlen aber für solche Patientinnen die Teilnahme an Studien.

Off-Label-Use: Wie begründen?

Wie sich das Gepar-Sixto-Regime in der Regelversorgung einsetzen lassen könnte, diskutierte der Medizinrechtler RA Claus Burgardt, Bonn: Als Entscheidungsmaßstab für die Erstattungsfähigkeit von Leistungen werden grundsätzlich die Kriterien der evidenzbasierten Medizin, also die Ergebnisse klinischer Studien angelegt. Dabei gibt es mindestens zwei Probleme, so Burgardt:
- Im Einzelfall kann das durchaus den Versorgungsbedürfnissen eines Patienten entgegenstehen. Das gilt beispielsweise bei lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankungen.
- Das Wissen um den Nutzen von Therapien ist begrenzt: Nicht für jede Anwendung gibt es über jeden Zweifel erhabene Daten aus Phase-III-Studien.
Hier kommt – in der Onkologie besonders häufig – der „Off-label“-Gebrauch von Medikamenten ins Spiel, im Fall des GeparSixto-Regimes etwa von nicht-pegyliertem liposomalem Doxorubicin, das regulär nur „in Kombination mit Cyclophosphamid zur First-line-Behandlung von metastasiertem Brustkrebs bei erwachsenen Frauen“ zugelassen ist. Bei der Begründung eines Off-label-Gebrauchs könnte ein Urteil des BSG vom 9.2.2011 hilfreich sein (Az. B 6 KA 53/10 B), so Burgardt, wonach „jede Therapie ein Mindestmaß an belegter Qualität und Wirksamkeit aufweisen muss, um bei der Binnenauswahl zwischen mehreren Off-label-Use-Therapien überhaupt mitberücksichtigt werden zu können. Ist dies der Fall, so kann eine Differenzierung danach in Betracht kommen, welches Maß an Risiken und Nebenwirkungen mit ihnen verbunden ist.“ Bei der Behandlung von Brustkrebs-Patientinnen mit triple-negativen Tumoren im Anfangs- oder im lokal fortgeschrittenen Stadium, die eine neoadjuvante Therapie erhalten sollen und kardiologische Risiken aufweisen, dürfte es medizinischer Konsens sein, dass die Anwendung einer liposomalen Anthrazyklin-Galenik diese kardialen Risiken minimieren kann.

Josef Gulden

Pressegespräch „GeparSixto – wie umsetzen im klinischen Alltag?“ im Rahmen der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Senologie in Berlin am 20. Juni 2014, veranstaltet von Teva GmbH, Ulm.