Tumorpatienten haben ein deutlich erhöhtes Risiko, eine tiefe Venenthrombose (TVT) und eine Lungenembolie (LE) zu erleiden. Die Prognose dieser hämostatischen Komplikationen ist bei ihnen wesentlich schlechter als bei Patienten ohne Krebserkrankung, und die Prophylaxe wie die Behandlung gestalten sich schwieriger. Trotz noch nicht ausreichender Datenlage wird in nationalen und internationalen Leitlinien insbesondere der Einsatz niedermolekularer Heparine (NMH) empfohlen. Eine groß angelegte Vergleichsstudie mit Vitamin-K-Antagonisten (VKA) soll jetzt mehr Klarheit verschaffen und bislang ungeklärte Fragen beantworten helfen.

Jede fünfte venöse Thromboembolie (VTE) ist auf ein bereits bestehendes Karzinom zurückzuführen. Und bei weiteren zehn bis 15 Prozent der Betroffenen weist das akute Ereignis auf ein okkultes Malignom hin. Diese Zahlen nannte Prof. Dr. Hanno Riess, Stellvertretender Leiter der Klinik und Leiter der Internistischen Onkologie an der Charité Berlin. Er erklärte, dass der Zusammenhang auch umgekehrt besteht. So sei das VTE-Risiko bei Mali­gnom-Patienten durchschnittlich etwa siebenfach erhöht, bei manchen Entitäten wie Pankreas-, Magen- und Lungenkarzinom sogar bis zu 28-fach. Neben Malignom-assoziierten Risikofaktoren wie Operation, Chemotherapie und Bestrahlung wies er auch auf allgemeine Faktoren hin wie Alter, Thrombo- und Leukozytose sowie Anämie und parenterale Ernährung. Und für die erhöhte Thromboseneigung bei Tumorpatienten machte er insbesondere Akut-Phase-Reaktionen und immunologische Prozesse wie erhöhte Makrophagen- und Monozyten-Aktivität verantwortlich sowie den Umstand, dass Tumorzellen Faktor Xa-stimulierende Faktoren freisetzen. Außerdem führten die Tumortherapien direkt zu ungünstigen Veränderungen des Gefäßstatus. Insgesamt, so Ries, ergebe sich ein Circulus vitiosus, denn die Thrombosen beeinflussten wiederum auch die Tumorerkrankung negativ.
Demgegenüber hätte sich die initiale Therapie mit NMH speziell bei Tumorpatienten bewährt. Hierzu zitierte der Experte eine Cochrane-Analyse, die einen klaren 3-Monats-Überlebensvorteil gegenüber unfraktioniertem Heparin (UFH) gezeigt hatte. Darüber hinaus kämen die bei Malignom-Patienten häufigeren Rezidive und Blutungen unter NMH-Gabe seltener vor. Auch gegenüber VKA böten NMH Vorteile. So hätte die Main-LITE-Cancer-Studie gezeigt, dass unter Tinzaparin (Innohep®) bei vergleichbarem Blutungsrisiko über einen Zeitraum von drei Monaten signifikant seltener Rezidive auftreten.
Dennoch gibt es in der Therapie und Sekundärprophylaxe von venösen Thromboembolien bei Tumorpatienten noch eine Reihe bislang ungeklärter Fragen. Das konstatierte Prof. Dr. Rupert Bauersachs von der Angiologischen Ambulanz am Klinikum Darmstadt. So sei insbesondere die optimale NMH-Dosierung noch nicht hinreichend geklärt. Und trotz der bekannten Limitationen der VKA-Therapie bevorzugten immer noch viele Onkologen diese Therapieoption, teils aus Gewohnheit und teils aus Kostengründen. In der groß angelegten CATCH-Studie (Comparison of Acute Treatments in Cancer Haemostasis) sollen nun die noch offenen Fragen geklärt werden. In dieser Studie erhalten 900 Tumorpatienten mit akuter TVT oder LE entweder Tinzaparin oder Warfarin über sechs Monate nach initialer Tinzaparin-Gabe über fünf bis zehn Tage auch im VKA-Arm. Die Ergebnisse zum primären Studienziel der Effektivität in der Verhinderung von Rezidiv-VTE werden im Herbst 2014 erwartet.

Martin Wiehl

„2. Onkologisches LEO Expertenmeeting“ von Leo Pharma am 29. März 2014 in Frankfurt am Main.