Die detaillierte Analyse immunologischer Wirkmechamismen hat zur Entdeckung von Immun-„Checkpoints“ geführt, deren Hemmung durch monoklonale Antikörper die Angriffslust von T-Lymphozyten auf Krebszellen erheblich steigern kann. Der erste und bisher einzige zugelassene „Checkpoint“-Inhibitor Ipilimumab (Yervoy®) ist seit 2011 zur Therapie des fortgeschrittenen, vorbehandelten Melanoms verfügbar, im Herbst 2013 wurde die Zulassung auf nicht vorbehandelte Tumoren erweitert.
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) kam allerdings im Rahmen der frühen Nutzenbewertung nach dem AMNOG in zwei Beschlüssen zu beiden Indikationen zu unterschiedlichen Ergebnissen: Während die Anwendung von Ipilimumab bei vorbehandelten Patienten mit einem „beträchtlichen Zusatznutzen“ einhergehe, konnte er bei der Erstlinientherapie mit dem Antikörper kein Beleg für einen Zusatznutzen gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie mit Dacarbazin (bei Patienten mit BRAF-Wildtyp) bzw. Vemurafenib (bei BRAF-mutierten Tumoren) feststellen [1]. Da die Zulassungserweiterung aufgrund retrospektiv erhobener Daten aus Phase-IV-Studien erfolgt war [2, 3] und es dazu noch keine prospektiven Studien gibt, konnte der G-BA keine inhaltliche Bewertung vornehmen. Deshalb ergibt sich aus dem Beschluss auch „keine medizinische Evidenz für den behandelnden Arzt, welche Therapie medizinisch vorrangig ist“, heißt es in einem Gutachten einer auf Medizinrecht spezialisierten Anwaltskanzlei, das im Auftrag des Herstellers Bristol-Myers Squibb erstellt wurde [4].
Entscheidend, so der Gutachter, sei die Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots: Dieses fordert, von zwei therapeutisch gleichwertigen Therapieoptionen die kostengünstigere zu wählen, gestattet aber andererseits die Wahl einer teureren Option, wenn dafür medizinische Gründe sprechen. Diese können durch Studiendaten belegt sein, aber auch auf der Ebene des individuellen Patienten bestehen. In jedem Fall sollte der medizinische Grund für die Wahl einer kostenintensiveren Therapie stets sorgfältig dokumentiert werden, so das Gutachten. Im Fall des therapienaiven Melanom-Patienten ist dabei nach dem BRAF-Status zu differenzieren:
- Bei BRAF-Wildtyp-Patienten wäre Dacarbazin die preisgünstigere Alternative gegenüber Ipilimumab und damit wirtschaftlicher, sofern nicht im Einzelfall medizinische Gründe gegen den Einsatz sprechen. Diese sollten gut dokumentiert werden.
- Bei Patienten mit BRAF-Mutation wäre selbst im Falle einer medizinischen Gleichwertigkeit die Verordnung von Ipilimumab wirtschaftlicher als die von Vemurafenib, weil die derzeitigen Jahres-Therapiekosten des Antikörpers niedriger sind. Sofern also kein medizinischer Grund besteht, Vemurafenib vorzuziehen, wäre hier Ipilimumab unter dem Wirtschaftlichkeitsaspekt die Therapie der Wahl.
Nach Einschätzung von Prof. Ale­xander Enk, dem ärztlichen Direktor der Universitäts-Hautklinik Heidelberg, bedauern die Melanom-Experten allgemein den G-BA-Beschluss, der aber in den meisten großen Zentren nichts am Einsatz von Ipilimumab ändern würde. Es gehöre für ihn in die First-line-Therapie des metastasierten Melanoms, weil es bis zum Eintritt der immunologischen Wirkung – anders als bei einer Chemotherapie – meist drei bis vier Monate dauert und man diese Zeit in späteren Therapielinien oft nicht mehr hat. Deshalb empfiehlt auch die S3-Leitlinie den frühen Einsatz [5]. Für entscheidend hält auch Enk eine sorgfältige Dokumentation der Gründe, die zur Entscheidung für Ipilimumab in der First-line führen. In Zentren gebe es dazu üblicherweise im Rahmen eines Tumorboards einen Beschluss, an dem mehrere Experten beteiligt seien.

gh

 

Literatur

1. www.g-ba.de
2. Patt D, Wong SL, Juday T, et al., Eur J Cancer 2013, 49(2):P497 .
3. Margolin K, Wong SL, Penrod JR, et al., Eur J Cancer 2013, 49(2):P488.
4. Nitz G. Wirtschaftliche Verordnung von Yerevoy®. Gutachten vom 23.07.2014.
5. S3-Leitlinie „Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Melanoms“. Version 1.1, Februar 2013, AWMF-Register-Nr: 032-024OL.