Systemische Therapie des NSCLC ohne nachgewiesene Treibermutation

Zusammenfassung

Das Lungenkarzinom ist eine der häufigsten Krebserkrankungen westlicher Industrieländer mit jährlich 35.040 Neuerkrankungen (Männer) und 17.030 (Frauen), Statistisches Bundesamt, Stand 2010. Wegen der ungünstigen Prognose sind Lungentumoren eine der häufigsten Todesursachen. In Deutschland verstarben 2012 insgesamt 44.433 (5,1%) Menschen daran, davon 29.695 Männer (7,1%) und 14.738 Frauen (3,3%). Damit ist das Lungenkarzinom die häufigste Krebstodesursache bei Männern und die zweithäufigste bei Frauen.
Histologisch lassen sich kleinzellige (SCLC) von nicht-kleinzelligen Lungenkarzinomen (NSCLC) unterscheiden. Das NSCLC wird histologisch weiter in Plattenepithel-, Adeno-, großzellige-, sarkomatoide und adenosquamöse Karzinome eingeteilt [24]. Zudem finden sich bei mehr als 50% der Patienten mit NSCLC molekulare Aberrationen, durch welche das NSCLC weiter subklassifiziert werden kann.
Therapie und Prognose des NSCLC sind stadienabhängig. In frühen Stadien kommen primär lokaltherapeutische Verfahren wie Operation oder Strahlentherapie zum Einsatz. In weiter fortgeschrittenen Stadien wird eine multimodale Therapie empfohlen.
Bei 40-50% der Patienten liegt bereits bei Erstdiagnose ein lokal fortgeschrittener oder metastasierter Tumor vor; hier stehen palliative Therapien, insbesondere die systemische Chemotherapie im Vordergrund. Die 5-Jahres-Überlebensraten liegen nach Diagnose im metastasierten Stadium deutlich unter 5%.

Grundlagen der Chemotherapie

Die Kombination einer platinhaltigen Chemotherapie mit Taxanen, Gemcitabin oder Vinorelbin galt lange Jahre als Goldstandard der Therapie des fortgeschrittenen NSCLC, später kam Pemetrexed (Alimta®) als Kombinationspartner beim Nicht-Plattenepithelkarzinom hinzu. Scagliotti et al. verglichen Cisplatin/Gemcitabin mit Cisplatin/Pemetrexed und fanden ein längeres Gesamtüberleben für Cis/Pem bei den Nicht-Platten­epithelkarzinomen. Patienten mit Platten­epithelkarzinom zeigten ein längeres Gesamtüberleben mit Cis/Gem [18]. Aufgrund dieser Ergebnisse wurde die Kombination Cisplatin/Pemetrexed als Erstlinientherapie bei nicht-platten­epithelialer Histologie zugelassen, Pemetrexed verlor dabei allerdings die Zulassung für das Plattenepithelkarzinom.

Antikörper in der Therapie des NSCLC
VEGF-Antikörper

Der VEGF-Antikörper Bevacizumab (Avastin®) ist zur Erstlinientherapie des Nicht-Plattenepithel-NSCLC in Kombination mit einer platinhaltigen Chemotherapie zugelassen. Die Zulassung stützt sich auf die Daten der Studien ECOG 4599 und AVAIL, in denen die Wirksamkeit einer Induktions-Chemotherapie mit Carboplatin/Taxol respektive Cisplatin/Gemcitabin mit oder ohne Bevacizumab überprüft wurde [16,17]. Die Hinzunahme von Bevacizumab konnte in der amerikanischen ECOG-Studie die Endpunkte progressionsfreies und Gesamtüberleben signifikant verlängern, während AVAIL einen Vorteil beim progressionsfreien Überleben erbrachte, jedoch keine Unterschiede im Gesamtüberleben zeigte.

Systemtherapien im Vergleich

Bereits vor mehreren Jahren konnte die Arbeit von Schiller identische Effektivitätsdaten verschiedener platinhaltiger Chemotherapie-Regimes im Rahmen der Erstlinienbehandlung des NSCLC zeigen [19]. Bei gleichem progressionsfreiem und Gesamtüberleben rückte daher die Verträglichkeit einzelner Kombinationsregimes in den Fokus. Die bereits oben erwähnte Studie von Scagliotti et al. zeigte beispielsweise ein günstigeres Toxizitätsprofil von Cis/Pem gegenüber Cis/Gem [18].
Ähnliche Ergebnisse konnten Grønberg et al. aufzeigen, die in einer Phase-III-Studie die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Carboplatin/Pemetre­xed versus Carboplatin/Gemcitabin überprüften [8]. Beide Kombinationen zeigten ein ähnliches progressionsfreies und Gesamtüberleben, bei jedoch geringeren hämatologischen Nebenwirkungen im Carboplatin/Pemetrexed-Arm.
Auch die Prüfung Cisplatin-freier Kombinationen z. B. mit Pemetrexed/Gemcitabin oder Paclitaxel sowie Kombinationsschemata mit Carboplatin bei fortgeschrittenem NSCLC in der Erstlinie erbrachten gute Ergebnisse bei Patienten, die sich nicht für eine Cisplatin-haltige Therapie qualifizierten [11,26].
Treat et al. werteten retrospektiv die Daten von 1.135 Chemotherapie-naiven Patienten mit NSCLC im Stadium IIIB/IV unter einer Chemotherapie mit Gemcitabin/Carboplatin (GCb), Gemcitabin/Paclitaxel (GP) oder Paclitaxel/Carboplatin (PCb) aus [23]. Die Ansprechraten auf alle verwendeten Regimes war bei den Plattenepithelkarzinomen am höchsten, wobei es keine si­gnifikanten Unterschiede zwischen den einzelnen Histologien bezüglich des medianen progressionsfreien und Gesamtüberlebens gab. Patienten mit Plattenepithelkarzinomen profitierten in dieser Studie sowohl von einer Kombinationstherapie mit PCb als auch von GP (medianes Gesamtüberleben 10,3 (PCb) bzw. 10,2 Monate (GP) versus 6,6 Monate unter GCb). Der Unterschied zwischen den verwendeten Regimes GCb und PCb war signifikant. Bei den Nicht-Plattenepithelkarzinomen lag das mediane Gesamtüberleben in allen drei Gruppen bei 8,2–8,4 Monaten.
Die Entscheidung über das Chemotherapie-Regime sollte somit neben dem Tumorstadium und der hierdurch bedingten Ausrichtung der Chemotherapie (kurativ-palliativ, neoadjuvant-adjuvant etc.) insbesondere die Histologie, genetische Marker, eventuell vorliegende Komorbiditäten, Alter und natürlich auch den Wunsch des Patienten einbeziehen.

Erhaltungstherapie

Prinzipiell unterscheidet man bei der Erhaltungstherapie zwei verschiedene Therapieansätze:

1.) „Continuous Maintenance“ beschreibt die Fortsetzung einer Induktions-Kombinationschemotherapie nach 4–6 Zyklen mit einer der vorher eingesetzten Substanzen bis zum Progress oder über einen anders definierten Zeitraum.

2.) „Switch Maintenance“ beschreibt den Einsatz einer neuen Sub­stanz nach Beendigung der Induktions-Kombinationschemotherapie. Man kann dieses Konzept auch als frühe Zweitlinientherapie bezeichnen.

Generelle Voraussetzung für den Beginn einer Erhaltungstherapie ist die Krankheitskontrolle nach initialer Chemotherapie bei guter Verträglichkeit.
Eine Phase-III-Studie zeigte eine Überlegenheit der Erhaltungstherapie mit Pemetrexed gegenüber „Best Supportive Care“ (BSC, [4]). Insgesamt wurden 663 Patienten mit NSCLC im Stadium IIIB/IV nach vorheriger platinbasierter Chemotherapie behandelt. Pemetrexed führte dabei zu einer signifikanten Verlängerung des progressionsfreien Überlebens auf 4,3 vs. 2,3 Monate im Placebo-Arm. Dieser Vorteil übertrug sich auch in eine Verlängerung des medianen Gesamtüberlebens auf 13,4 vs. 10,6 Monate im Placebo-Arm, wobei unbedingt kritisch zu bemerken ist, dass weniger als 20% der Patienten in der Kontrollgruppe im Krankheitsverlauf Pemetrexed erhielten. Dies erschwert die Interpretation des Endpunktes Gesamtüberleben.

Die größte Studie zur Untersuchung einer Erhaltungstherapie mit Pemetre­xed ist die Phase-III-Studie PARAMOUNT mit initial 1.022 eingeschlossenen Patienten mit Nicht-Plattenepithelkarzinomen der Lunge [13]. 539 dieser Patienten konnten nach vorangegangener Induktionschemotherapie mit Cisplatin/Pemetrexed in den Erhaltungs- vs. Placebo-Arm randomisiert werden (359 Pem + BSC, 180 BSC alleine). Die mediane progressionsfreie Überlebenszeit lag für Patienten im Pemetrexed-Arm bei 4,1 vs. 2,8 Monaten im BSC-Arm. Der Unterschied war statistisch signifikant. Das Gesamtüberleben zeigte sich ebenfalls signifikant verlängert (13,9 vs. 11 Monate; Hazard Ratio 0,78; 95%-Konfidenz­intervall 0,64–0,96; p = 0,0195). Die Auswertung der Lebensqualität der Patienten erbrachte keinen Unterschied für die Erhaltungstherapie im Vergleich zur Placebogruppe [1].
Aufgrund der Daten der SATURN-Studie erfolgte die Zulassung für Erlotinib (Tarceva®) als „Switch“-Erhaltungstherapie bei Patienten mit NSCLC nach Ansprechen auf eine platinhaltige Chemotherapie [2]. Innerhalb der Studie konnte ein Überlebensvorteil von elf auf zwölf Monate für die Erlotinib-behandelten Patienten (n = 438) gegenüber der Placebo-Gruppe (n = 451) gesehen werden, das progressionsfreie Überleben war mit 12,3 versus 11,1 Wochen (Placebo) statistisch signifikant verlängert (HR 0,71; 95%-KI 0,62–0,82; p < 0.0001). Auch in dieser Studie erhielt nur ein kleiner Teil der Patienten in der Placebogruppe im weiteren Krankheitsverlauf Erlotinib, was die Aussagekraft der Überlebensdaten einschränkt.
In mehreren Studien konnte zuletzt darüber hinaus ein möglicher Vorteil für eine Erhaltungstherapie mit Bevacizumab insbesondere in Kombination mit Pemetrexed nach vorangegangener Induktionstherapie mit Carboplatin, Pemetrexed und Bevacizumab gezeigt werden [12].
In die AVAPERL-Studie wurden 125 Patienten mit Bevacizumab sowie 128 Patienten mit Bevacizumab plus Pemetrexed nach vorangegangener Induktions-Chemotherapie mit Cisplatin, Pemetrexed und Bevacizumab eingeschlossen. Die Kombinations-Erhaltungstherapie zeigte hierbei ein signifikant verlängertes progressionsfreies Überleben im Vergleich zur alleinigen Gabe von Bevacizumab (7,4 vs. 3,7 Monate), das Gesamtüberleben war numerisch, allerdings nicht statistisch signifikant verlängert.
Einschränkend sollte bei dieser Studie angemerkt werden, dass hier ein hoch selektiertes Patientenkollektiv behandelt wurde und der eigentliche Standardarm – Cisplatin/Pemetrexed gefolgt von einer Pemetrexed-Erhaltungstherapie – nicht getestet wurde. Beides schränkt die Aussagekraft dieser Studie unseres Erachtens relevant ein.
Angesichts der Studienlage kann Patienten ohne Progress auf eine Induktions-Kombinationschemotherapie eine Erhaltungstherapie angeboten werden. Dies gilt insbesondere für Patienten nach vier Zyklen Cisplatin/Pemetrexed, die Kandidaten für eine Pemetrexed-Erhaltungstherapie sind. Ist Bevacizumab Teil der Erstlinientherapie, sollte nach der Datenlage die Therapie mit Bevacizumab bis zum Progress oder dem Auftreten inakzeptabler Toxizitäten fortgeführt werden.

Rationale für Zweit- und Drittlinientherapien?

Zweitlinientherapie

Mehrere Studien konnten einen Vorteil für die Zweittherapie im Vergleich zu einer rein symptomatischen Therapie im Sinne einer „Best Supportive Care“ (BSC) aufzeigen:
Shepherd et al. beschrieben erstmals 2000 bei Patienten mit NSCLC im Stadium IIIB/IV nach vorangegangener Chemotherapie einen signifikanten Vorteil im Gesamtüberleben für eine Docetaxel-Monotherapie im Vergleich zu BSC [21]. 104 Patienten mit einem ECOG-Performancestatus von 0–2 erhielten entweder Docetaxel (100mg/m2 oder 75mg/m2) oder BSC. Insgesamt zeigte sich eine Verlängerung des medianen progressionsfreien Überlebens von 6,7 Wochen im BSC- auf 10,6 Wochen im Docetaxel-Arm. Das mediane Gesamtüberleben lag bei 7,0 Monaten im Therapiearm vs. 4,6 Monate unter BSC. Die besten Ergebnisse zeigte die Gruppe der Patienten, welche mit 75mg/m2 Docetaxel behandelt worden war (Gesamtüberleben median 7,5 Monate).
Auch für Pemetrexed konnte im Vergleich zu rein supportiver Therapie ein klarer Vorteil im progressionsfreien und Gesamtüberleben bei gleichzeitig besserem Nebenwirkungsprofil im Vergleich zu Docetaxel beschrieben werden [9]. Andere Substanzen wie Ifosfamid oder Vinorelbin zeigten in Studien eine geringere Effektivität.
Die BR.21-Studie konnte eine signifikante Verlängerung von progressionsfreiem und Gesamtüberleben durch Erlotinib im Vergleich zu BSC in der Zweit- und Drittlinientherapie eines nicht molekular selektierten Patientenkollektivs beobachten [20]. Die TITAN-Studie zeigte darüber hinaus bei Patienten mit NSCLC unter einer Zweitlinientherapie mit Erlotinib keinen Unterschied bezüglich des progressionsfreien oder Gesamtüberlebens gegenüber anderen Zweitlinienregimes [3].
Die kürzlich publizierte italienische TAILOR-Studie [5] und die japanische DELTA-Studie [25] beschrieben eine signifikante Verlängerung des progressionsfreien Überlebens unter Docetaxel versus Erlotinib nach Versagen einer Erstlinientherapie. Die Stärke der TAILOR-Studie lag in der initialen Testung aller Patienten auf ihrem EGFR-Mutationsstatus und Einschluss nur der Patienten mit EGFR-Wildtyp. In der DELTA-Studie fand sich kein Unterschied beider Arme hinsichtlich des Gesamtüberlebens, während TAILOR hier einen grenzwertig signifikanten Vorteil für Docetaxel zeigte (8,2 (95%-KI 5,8–10,9) versus 5,4 Monate (4,5–6,8; HR 0,73; 95%-KI 0,53–1,00; p = 0,05).
Kontrovers dazu sind die Ergebnisse der INTEREST-Studie zu bewerten [10]. Zwischen 2004 und 2006 wurden im Rahmen dieser Phase-III-Studie insgesamt 1.466 Patienten mit metastasiertem oder fortgeschrittenem NSCLC nach vorangegangener platinhaltiger Chemotherapie entweder mit Gefitinib (Iressa®) 250 mg/d oder Docetaxel 75 mg/m2 behandelt. Es zeigte sich kein Unterschied im medianen Überleben (7,6 vs. 8,0 Monate). Ein Vorteil für Gefitinib im Kollektiv der EGFR-mutierten Patienten fand sich nicht.

Drittlinientherapie

2009 veröffentlichten Girard et al. eine retrospektive Analyse bezüglich des Benefits einer Drittlinientherapie bei Patienten mit metastasierten NSCLC [7]. Sie werteten die Daten von 173 Patienten aus, die nach vorangegangener Therapie im Rahmen einer Dritttherapie entweder eine erneute zytotoxische Behandlung (n = 131) oder eine Therapie mit dem EGFR-Tyrosinkinaseinhibitor Erlotinib (n = 42) erhalten hatten. 92% der Patienten unter Chemotherapie und 52% der Patienten unter Erlotinib zeigten eine deutliche Verbesserung der initialen Beschwerden oder des Allgemeinzustandes.
Aufgrund der vorliegenden Daten können Docetaxel, Pemetrexed (bei Nicht-Plattenepithelkarzinomen), Erlotinib oder Gemcitabin in der Drittlinie eingesetzt werden. In keiner Studie konnte bisher ein Vorteil für eine Kombinationschemotherapie in der Zweit- oder Drittlinie gegenüber einer Monotherapie beobachtet werden [14].

Systemtherapie des älteren Patienten oder von Patienten in reduziertem Allgemeinzustand

Lungenkarzinome sind insbesondere eine Erkrankung des hohen Lebensalters. Allerdings ist die Therapie in diesem Patientenkollektiv aufgrund begleitender Komorbiditäten erschwert, sodass lange Zeit die Monotherapie bei älteren Patienten als Standardtherapie galt.
2011 veröffentlichten Quoix et al. Daten einer großen Phase-III-Studie, in welcher die Durchführbarkeit und Wirksamkeit einer platinbasierten Kombinationstherapie bei älteren Patienten mit fortgeschrittenem NSCLC überprüft wurde [15]. Trotz vermehrter Nebenwirkungen im Vergleich zu einer Monotherapie mit Vinorelbin oder Gemcitabin zeigte sich durch die Kombination von Carboplatin und Paclitaxel bei Patienten zwischen 70 und 89 Jahren ein Vorteil im Gesamtüberleben für die Doubletten-Therapie.
Darüber hinaus konnten Gervais et al. zeigen, dass auch Kombinations­chemotherapien mit Carboplatin und Pemetrexed bei älteren Patienten mit ähnlichen Ergebnissen wie im jüngeren Kollektiv durchzuführen sind [6].
Daten einer brasilianischen Phase-III-Studie beschrieben kürzlich eine deutliche Verbesserung des Gesamtüberlebens durch Carboplatin/Peme­trexed versus Pemetrexed bei Patienten mit reduziertem Allgemeinzustand (ECOG 2, [27]).
Zusammenfassend gelten die Therapieempfehlungen zur Behandlung jüngerer Patienten mit NSCLC prinzipiell auch bei älteren Patienten. Dies betrifft sowohl Induktions-Chemotherapien als auch adjuvante Therapien, Erhaltungs- sowie Zweit- und Drittlinienbehandlungen. Für alle Therapieschemata konnte auch bei älteren Patienten ein Vorteil im progressionsfreien und Gesamtüberleben gesehen werden. Allerdings sollte insbesondere in diesem Patientenkollektiv eine individuelle Risikoeinschätzung unter Berücksichtigung von Komorbiditäten erfolgen.

Empfehlungen der DGHO zur Stadienabhängigen Therapie
des NSCLC

Stadium I:

Stadium IA: keine Chemotherapie.
Stadium IB: individuelle Therapieentscheidung. Es gibt Hinweise für einen Benefit bei Tumoren > 4cm.

Stadium II:

Empfehlung zur adjuvanten Chemotherapie mit vier Zyklen einer Cisplatin-basierten Kombinationstherapie, falls keine Kontraindikationen vorliegen.

Stadium III:

Hier kann keine definitive Therapieempfehlung gegeben werden. Prinzipiell muss in jedem Einzelfall die multimodale Therapie im interdisziplinären Tumorboard entschieden werden.

Stadium IV ohne Nachweis von Treibermutationen:

Trotz verbesserter Diagnostik wird die Mehrzahl der Lungenkarzinome auch heute noch im fortgeschrittenen oder metastasierten Stadium diagnostiziert. Auch wenn die Überlebenszeit dieser Patienten in den vergangenen drei Jahrzehnten durch die Entwicklung neuer Substanzen sowie zunehmend zielgerichteter Therapieoptionen deutlich verbessert werden konnte, liegt die 5-Jahres-Überlebensrate weiterhin bei nur etwa 5% und die mediane Gesamtüberlebenszeit bei ca. zwölf Monaten (gegenüber ca. sechs Monaten um 1980). Die Zeiten für Patienten mit nachgewiesener EGFR-Mutation sind deutlich länger.
Im Stadium IV werden im Wesentlichen zwei Patientenkollektive unterschieden:

Stadium IV mit solitärer zerebraler oder einer solitären Nebennieren-Metastasierung und Primärtumor maximal IIIA:

Prinzipiell ist ein multimodales Therapiekonzept nach interdisziplinärer Diskussion und unter Berücksichtigung individueller Risikofaktoren möglich.

Stadium IV mit diffuser Metastasierung:

Indikation zur palliativen Systemtherapie bei fehlenden Kontraindikationen mit einer platinbasierten Doublette. Andernfalls platinfreie Kombinations­regimes oder Monotherapien.

Systemtherapien im Stadium IV:

In einer Vielzahl von Studien wurde eine Überlegenheit der Kombinationschemotherapie gegenüber einer Monotherapie gezeigt. Generell werden für platinhaltige Kombinationen höhere Remissionsraten als für platinfreie Therapien gesehen. Patienten mit einem ECOG-Performancestatus von 0–2 ohne genetische Marker (EGFR-Mutation oder ALK-Translokation) sollten daher eine initiale, platinhaltige Kombinationschemotherapie erhalten.
In der DGHO-Leitlinie (Stand 2012) wird aufgrund mehrerer Studien die Applikation von Cisplatin-haltigen gegenüber Carboplatin-haltigen Kombinationen bevorzugt. Dies basiert u. a. auf Daten einer Studie, in der bei Nicht-Plattenepithelkarzinomen eine Verbesserung des Gesamtüberlebens durch Cisplatin-haltige im Vergleich zu Carboplatin-basierten Therapien dokumentiert wurde. Die NCCN-Guidelines von 2014 favorisieren hingegen keines der beiden Platinderivate.
Bei stabiler Erkrankung sollten Patienten insgesamt vier Zyklen, bei Remissionen bis zu sechs Zyklen erhalten. Patienten mit Plattenepithelkarzinom erhalten eine platinhaltige Kombinationschemotherapie, wobei als Kombinationspartner kein Pemetrexed eingesetzt werden sollte. Im Falle einer Erkrankungsstabilisierung kann eine Erhaltungstherapie mit Erlotinib durchgeführt werden.
Patienten mit Nicht-Plattenepithelkarzinomen erhalten vier bis sechs Zyklen einer platinhaltigen Kombinationschemotherapie. Als Kombinationspartner steht hier, anders als bei den Plattenepithelkarzinomen, auch Pemetrexed zur Verfügung. Darüber hinaus können Patienten zusätzlich mit Bevacizumab behandelt werden. Im Falle einer Erkrankungsstabilisierung kann eine Erhaltungstherapie mit Pemetrexed oder Erlotinib angeboten werden. Die Wahl der Erhaltungstherapie sollte sich an der Primärtherapie ausrichten.
Zugelassene Therapien in der zweiten Linie sind Docetaxel, Erlotinib und Pemetrexed. Eine dieser Substanzen sollte Patienten mit einem ECOG-Performancestatus von 0–1 und ausgewählten Patienten mit ECOG 2 angeboten werden. Als Drittlinientherapie steht Erlotinib zur Verfügung.
Patienten mit einem ECOG-Performancestatus von 3 und schlechter sollten keine Chemotherapie erhalten.
Wichtig ist eine frühe Integration der Palliativmedizin bei allen Patienten mit NSCLC im metastasierten Stadium [22].

Fazit

Lungenkarzinome zählen auch heute noch zu den häufigsten Todesursachen in den westlichen Industrienationen. Während Patienten, deren Erkrankung frühzeitig erkannt wird, durch lokale Therapieverfahren häufig eine relativ günstige Prognose haben, besteht bei ca. 40-50% der Betroffenen bereits bei Erstdiagnose eine metastasierte oder lokal fortgeschrittene Erkrankung. Die 5-Jahres-Überlebensrate dieser Patienten liegt auch heute noch unter 5%.
Die Chemotherapie beim fortgeschrittenen NSCLC ist in der Regel eine platinhaltige Kombinationstherapie. Die Wahl des Kombinationspartners richtet sich hierbei auch nach histologischen Kriterien. Älteren Patienten und Patienten mit ECOG-Performancestatus 2 kann eine Carboplatin-haltige Kombinationstherapie angeboten werden, alternativ kommen vor allem Monotherapien zum Einsatz.
Im Anschluss an vier bis sechs Zy­klen einer Kombinationstherapie kann eine Erhaltungstherapie in Erwägung gezogen werden. Daten zur Zweit- und Dritttherapie im Rezidiv konnten ebenfalls einen Vorteil für Patienten im Vergleich zu alleinigem BSC zeigen.
Eine frühe Integration der Palliativmedizin im metastasierten Stadium sollte angeboten werden.

Dr. med. Marit Ahrens
Universitätsklinikum Frankfurt
Medizinische Klinik II
Hämatologie, Onkologie
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