Kolorektales Karzinom: Wirksamere Therapie durch Personalisierung

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Die Einführung des ersten monoklonalen Antikörpers gegen den Rezeptor für epidermalen Wachstumsfaktor (EGFR), Cetuximab (Erbitux®), als zielgerichtete Therapie u. a. für das kolorektale Karzinom, war ein großer Erfolg. Kurz darauf zeigte sich, dass von solchen Antikörpern Patienten besonders profitieren, in deren Tumor ein weiteres Protein im EGFR-Signalweg, das KRAS-Onkoprotein, nicht mutiert ist. Im vergangenen Jahr schließlich konnte in verschiedenen Studien nachgewiesen werden, dass dies für Mutationen in drei verschiedenen Exonen, sowohl des KRAS- als auch des nahe verwandten NRAS-Gens, zutrifft: EGFR-Antikörper sind bei Patienten mit kolorektalem Karzinom, die bezüglich beider Gene den Wildtyp aufweisen, außergewöhnlich wirksam und bringen solchen Patienten einen Überlebensvorteil, der bei dieser Indikation vorher noch niemals gesehen wurde. Anfang dieses Jahres änderte die Europäische Kommission daher die Zulassung von Cetuximab: Künftig müssen durch molekulare Tests die Patienten identifiziert werden, die bezüglich beider RAS-Onkogene (KRAS und NRAS) den Wildtyp aufweisen und deshalb in besonderem Maß von einer EGFR-Therapie profiitieren; nur diese Patienten sollen künftig solche Antikörper erhalten.


Grundlage dafür waren neue Biomarker-Daten aus der Phase-II-Studie OPUS, die Sabine Tejpar, Leuven, beim ASCO-GI-Kongress im Januar in San Francisco erstmals vorgestellt hatte [1]. Dabei wurde Tumormaterial von Patienten mit KRAS-Wildtyp-Tumoren, die eine FOLFOX-Chemotherapie mit oder ohne Cetuximab erhalten hatten, auf weitere RAS-Mutationen untersucht. Bei knapp einem Drittel von ihnen (31%) fanden sich solche zusätzlichen Mutationen im KRAS- oder NRAS-Gen (RAS-Gene). Die Patienten mit dem Wildtyp beider Gene zeigten einen noch größeren Nutzen durch die Zugabe von Cetuximab zur Chemotherapie (FOLFOX) – sowohl bei der Gesamtansprechrate (61,1% vs. 30,4%; p = 0,008) als auch beim medianen progressionsfreien Überleben (12,0 vs. 5,8 Monate; Hazard Ratio 0,43; p = 0,018). Für Patienten mit Mutationen in einem der RAS-Gene brachte die Antikörper-Therapie keinen Vorteil (PFS 5,6 vs. 7,8 Monate; HR 1,59; p = 0,018).

Wirksamste Therapie zuerst anwenden

Die Prognose ist bei Patienten mit fortgeschrittenem kolorektalem Karzinom umso besser, je wirksamer die in der Erstlinie verabreichte Therapie ist, sodass hier die effektivste Behandlungsoption eingesetzt werden sollte [2]. In der FIRE-3-Studie, so Studienleiter Prof. Volker Heinemann, München, erhielten Patienten mit metastasiertem kolorektalem Karzinom (mCRC) mit KRAS-Wildtyp eine FOLFIRI-Chemotherapie und randomisiert entweder Cetuximab oder den Anti-VEGF-Antikörper Bevacizumab [3]. Beim primären Endpunkt Ansprechrate und beim sekundären Endpunkt progressionsfreies Überleben unterschieden sich beide Arme nicht si­gnifikant. Somit wurde der primäre Studienendpunkt nicht getroffen. Der sekundäre Endpunkt Gesamtüberleben war unter der Cetuximab-Therapie gegenüber dem VEGF-Antikörper um mehr als ein Vierteljahr verlängert (von median 25 auf 28,7 Monate; Hazard Ratio 0,77; p = 0,017).
Offensichtlich hat die Erstlinientherapie den größten Einfluss auf die Prognose des Patienten; „eine ineffektive Erstlinienbehandlung“, so Prof. Heinemann und Prof. Ralf Hofheinz, Mannheim, „kann auch durch Zweitlinien- und weitere Therapien nicht mehr kompensiert werden“ (Tabelle). Die effektivste Behandlungsoption sollte daher bereits in der Erstlinie gegeben werden: Die Daten von Phase-III-Studien mit EGFR-Antikörpern bei RAS-Wildtyp-Patienten demonstrieren, dass intensive Therapien in der Erstlinie ein besonders langes Gesamtüberleben ermöglichen. Daher sollte vor jeder Erstlinientherapie beim mCRC eine RAS-Testung erfolgen.

Das gilt nicht nur für Patienten mit auf die Leber beschränkten, potenziell resektablen Metastasen und Patienten mit durch den Tumor verursachten Symptomen, sondern auch für asymptomatische Patienten – eine Gruppe, die immerhin 60–70% aller Patienten mit kolorektalem Karzinom umfasst: Wenn man hier auf die Strategie sequenzieller, wenig intensiver (Mono-)Therapien setzt, verliert man in jeder weiteren Therapielinie einen nicht unerheblichen Teil an Patienten, die keine Folgetherapie mehr erhalten können. Deshalb, so Hofheinz, „ist auch bei asymp­tomatischen, aber definitiv nicht resezierbaren Patienten, die in einem guten Allgemeinzustand sind, eine möglichst intensive Erstlinientherapie zu empfehlen.“
Die aktuellen Studienergebnissen waren für die Leitgruppe für das kolorektale Karzinom der Arbeitsgemeinschaft Internistische Onkologie (AIO) Anlass, beim AIO-Herbstsymposium 2013 in Berlin ein Statement zu verabschieden [2], wonach
die primäre Bestimmung des RAS-Mutationsstatus (KRAS und NRAS) bei Patienten mit metastasiertem kolorektalem Karzinom empfohlen wird,
bei Vorliegen eines RAS-Wildtyps der primäre Einsatz eines Anti-EGFR-Antikörpers mit einem klinisch relevanten Überlebensvorteil verbunden ist und daher im Therapiekonzept berücksichtigt werden sollte und
Patienten mit einer RAS-Mutation keinen Vorteil durch eine Anti-EGFR-Therapie haben.

Josef Gulden

Literatur

1. Tejpar S et al. J Clin Oncol 32, 2014 (suppl 3) (ASCO-GI 2014, Abstract #LBA444).
2. www.aio-portal.de/tl_files/aio/Arbeitsgruppen/Kolon-Rektum/statement_der_krk_
    leitgrupep_11-2013.pdf
3. Heinemann V et al. J Clin Oncol 2013; 31 (Suppl) (ASCO 2013, Abstract #LBA3506)
4. Maughan TS et al. Lancet 2011; 377: 2103-14.
5. Saltz LB ete al. J Clin Oncol 2008; 26: 2013-9.
6. Bokemeyer C et al. Ann Oncol 2011; 22: 1535-46.
7. Hurwitz H et al. N Engl J Med 2004; 350: 2335-42.
8. Langer C et al. ESMO 2008 (Abstract #385P).
9. Peeters M et al. J Clin Oncol 2010; 28: 4706-13.
10. Giantonio BJ et al. J Clin Oncol 2007; 25: 1539-44.
11. Grothey A et al. Lancet 2013; 381: 303-12.
12. Karapetis CS et al. N Engl J Med 2008; 359: 1757-65.
13. Amado RG et al. J Clin Oncol 2008; 26: 1626-34.

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