Neun von zehn Tumorpatienten entwickeln unter Zytostatika eine Neutropenie. Erstes Zeichen einer febrilen Neutropenie (FN) sind Fieber von ≥ 38,3 °C oder 38 °C über eine Stunde bzw. zweimal innerhalb von zwölf Stunden sowie ein Abfall der neutrophilen Granulozyten auf unter 1000/µl. Dieses Fieber, so Prof. Hartmut Link, Kaiserslautern, muss man extrem ernst nehmen, da beispielsweise ein lebensbedrohlicher septischer Schock auftreten kann. Bei stationärer Aufnahme wegen einer FN liegt die Mortalität ohne Begleiterkrankungen bei 1,2%, bei nachgewiesener Infektion bereits bei 4,9%; mit einer oder zwei Komorbiditäten steigen die Raten auf 6,7%/14,7% bzw. 12,9%/28,9%.
Ein erhöhtes Risiko für eine FN haben Link zufolge Patienten ab 65 Jahren, in fortgeschrittenen Krankheitsstadien, mit schlechtem Allgemeinzustand, bei vorausgegangener febriler Neutropenie sowie solche ohne Antibiotika-Prophylaxe. Frauen haben zudem ein höheres Risiko als Männer, weitere Risikofaktoren sind Hb-Werte < 12 g/dl, Leber-, Nieren- oder kardiovaskuläre Erkrankungen, eingeschränkte Immunfunktion sowie ein schlechter Ernährungszustand. Oft zwingt eine FN zur Reduktion der Chemotherapie-Dosis oder zu einer Verschiebung von Chemotherapie-Zy­klen, wodurch die Mortalität durch die maligne Erkrankung ansteigen kann.
Bei Patienten mit einem FN-Risiko > 20% ist gemäß internationaler Leitlinien stets eine G-CSF-Gabe erforderlich, bei einem FN-Risiko zwischen 10% und 20% sollte man individuell abwägen, unter 10% ist kein G-CSF erforderlich, solange nicht nach einem Chemotherapie-Zyklus Probleme durch Zytopenien auftreten. Viele myelotoxische Chemotherapien sind also nur unter Gabe von G-CSF durchführbar.
Das humane Glykoprotein G-CSF (Granulozyten-Kolonie-stimulierender Faktor), so Prof. Matthias Gunzer, stimuliert die Proliferation hämatopoetischer Vorläuferzellen, deren Differenzierung zu reifen neutrophilen Granulozyten in allen Entwicklungsstadien sowie die Freisetzung der Neutrophilen und deren Funktionen wie Chemotaxis und Phagozytose. Die spezifische Wirkung des natürlichen Glykoproteins und seiner rekombinant hergestellten Derivate (z. B. Filgrastim) wird durch Bindung an humane G-CSF-Rezeptoren auf neutrophilen Granulozyten vermittelt.
Als neues rekombinantes, langwirksames G-CSF-Präparat steht seit Kurzem Lipegfilgrastim (Lonquex®) zur Verfügung. Das kovalente Konjugat aus Filgrastim und einem Methoxypolyethylenglykol-(mPEG-)Molekül von 20 kDa wird einmal (6 mg) pro Chemotherapiezyklus angewendet und ist wirksam und sicher. Es verkürzt die Dauer von Neutropenien und vermindert die Inzidenz einer FN unter zytotoxischer Chemotherapie bei Erwachsenen (Ausnahme: CML und MDS).
Die Risikofaktoren für eine FN, so Link, sind nicht ausreichend publiziert, für die tägliche Praxis oft nicht verfügbar und in den Leitlinien nicht leicht zu finden. Hilfe bietet die neue Datenbank ONKOPTI® (www.onkopti.de): Basierend auf Originalpublikationen enthält sie alle relevanten Protokollbestandteile einschließlich Angaben zur Toxizität.

Helga Vollmer

Mittags-Symposium „G-CSF optimieren = Therapie optimieren“ anl. des 31. Deutschen Krebskongresses am 20. Februar 2014 in Berlin, unterstützt von TEVA GmbH, Ulm.