Pathologen leisten durch die Analyse von Gewebeproben die Voraussetzung für die onkologische Präzisionsmedizin und ermöglichen erst exakte Diagnosen und damit die passgenaue Auswahl komplexer Therapien. Trotz ihrer zentralen Bedeutung steht die Pathologie jedoch vor gewaltigen Herausforderungen, die ihre Leistungsfähigkeit gefährden.
Fachkräftemangel und Spezialisierungslücke
„Ich betrachte die Entwicklung der Pathologie in Deutschland mit Sorge“, erklärte der Tagungspräsident des DGP-Kongresses Prof. Philipp Ströbel, Göttingen. So komme bei einer Zahl von 1.923 Fachärzten für Pathologie (Stand 31.12.2024) lediglich ein Pathologe auf 44.200 Einwohner in Deutschland [1]. Dies bedeute für die Pathologie eine hohe Arbeitsbelastung. „Wir sind im europäischen Vergleich das Schlusslicht“, ordnete Ströbel ein. Doch damit nicht genug, das Problem wird sich in den nächsten fünf bis zehn Jahren weiter zuspitzen, wenn nach Angabe von Ströbel rund 30 % der berufstätigen Pathologen in Rente gehen.
Daneben erfordere die stattfindende Wissensexplosion in der Krebsmedizin eine fachliche und wissenschaftliche Spezialisierung für jede Krebsentität über Jahre und Jahrzehnte. „Als Generalist ist es völlig unmöglich, up to date zu bleiben“, erklärte Ströbel. „Dank der Präzisionsmedizin wird selbst der häufige Tumor zur Seltenheit, weil wir immer mehr Subtypen haben, für die wir ein Verständnis brauchen“, pflichtete Prof. Christoph Röcken, Vorsitzender der DGP, ihm bei.
„Wir brauchen qualifizierte Ärzte und Nachwuchsmediziner, um diese unglaubliche Diskrepanz zwischen unserem Wissenszuwachs und keiner ausreichenden Zunahme an Fachkräften zu überbrücken“, verdeutlichte Röcken das Dilemma der Pathologie. „Pathologie ist kein Nebenfach – sie ist das Rückgrat der Medizin“, konstatierte er. Trotz ihrer zentralen Rolle bleibt die Pathologie im deutschen Gesundheitssystem unterfinanziert und unterbewertet. „Die aktuelle Krankenhausreform fokussiert stark auf klinische Fächer und die Allgemeinmedizin, vernachlässigt aber das Querschnittfach Pathologie – ebenso wie seltene Erkrankungen, die hochspezialisierte Diagnostik erfordern“, kritisierte der Pathologe.
Bei allen Strukturreformgedanken im Gesundheitswesen blieb die Pathologie bislang unberücksichtigt, so Röcken. Spezialexpertise werde weiterhin erwartet, aber nicht honoriert, und die strukturelle Förderung hochqualifizierter Diagnostik bleibe aus. Die Trennung in ambulante und stationäre Sektoren erschwere die Profilbildung und führe zu massiven Ungleichgewichten bei der Vergütung, fasste er zusammen. „Wenn wir die fachärztliche Exzellenz der Pathologie erhalten wollen, brauchen wir endlich politische Rückendeckung und verlässliche Rahmenbedingungen, die den tatsächlichen Anforderungen an das Fach gerecht werden.“
Die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung in Deutschland mit pathologischer Expertise ist auch nach Ströbels Meinung gefährdet. „Dieses Problem trifft vor allem die Spitzenmedizin und seltene Erkrankungen“, mahnte er. Ein Teil des Problems sieht der Pathologe darin, dass Zweitmeinung und Zentralisierung im föderalen deutschen Gesundheitssystem für den Bereich Pathologie nicht strukturell vorgesehen und nicht finanziert sind. Außerdem würden eine umfassende Bedarfsanalyse und Planung möglicher Szenarien fehlen. „Hier ist die Unterstützung von Politik und Fachöffentlichkeit erforderlich. Die digitale Pathologie und der Einsatz von Verfahren der künstlichen Intelligenz können zwar unterstützen, aber das Problem nicht lösen!“, betonte Ströbel.
Beispiel Weichteilsarkome
Sarkome sind eine seltene Erkrankung: Laut Prof. Eva Wardelmann sind etwa 1 % der malignen Erkrankungen bei Erwachsenen Sarkome, bei Kindern sind es 7 bis 10 % der Krebserkrankungen. Bislang würde nur weniger als die Hälfte der Betroffenen in einem der 21 von der Deutschen Krebsgesellschaft zertifizierten Sarkomzentren behandelt – mit deutlichen Einbußen in der Prognose der Erkrankten. Als Grund für die niedrigere Prognose außerhalb von Sarkomzentren gab Wardelmann an: „Weil die Patienten primär nicht richtig diagnostiziert und behandelt wurden. Zweitmeinungen führen bei bis zu 30 % der Fälle zu einer therapeutisch relevanten Diagnoseänderung“, berichtete sie. Fehldiagnosen zögen eine falsche und oft zu späte Therapie nach sich – mit einer erheblichen Mehrbelastung für die Erkrankten durch eine höhere Morbidität und Mortalität sowie deutliche Mehrkosten für das Sozial- und Gesundheitssystem, mahnte sie weiter.
Die Kompetenz der Zentren und der Referenzpathologie sei deshalb sehr wichtig. „Weit weniger als 50 % der Sarkome werden referenzpathologisch zweitbegutachtet“, wusste Wardelmann. Dies sei zum Beispiel in Frankreich anders geregelt. Referenznetzwerke würden dort dazu führen, dass Diagnosen fast automatisch referenzpathologisch zweitbegutachtet würden. Das Problem in Deutschland: Es gebe nur etwa 20 Pathologen, die ausreichend Spezialwissen zu den 100 verschiedenen Subtypen von Weichgewebs- und Knochentumoren aufweisen könnten. „Die meisten Pathologen sehen nur selten Sarkome, jeder Einzelne hat kaum Erfahrung, und wir haben nur eine geringe Zahl an Referenzpathologen mit lediglich an wenigen Standorten vorgehaltenen Spezialmethoden.“
„Eine Zweitbefundung in einem pathologischen Spezialzentrum für seltene Erkrankungen ist in Deutschland nicht vorgeschrieben und wird auch nicht finanziert. Für Pathologieinstitute lohnt sich der Aufbau von Spezialwissen also nicht und ist damit für viele junge Ärzte unattraktiv, weil Anerkennung, Förderung und Vergütung fehlen. Hier sind dringend Kurskorrekturen nötig, denn es drohen Versorgungslücken, die bei der Versorgung von Menschen mit seltenen Erkrankungen beginnen und dann auch in der Fläche spürbar werden.“ Deshalb schlägt Wardelmann vor:
- adäquate Vergütung von komplexerer pathologischer Diagnostik,
- vermehrte Wertschätzung und Förderung der Referenzpathologie,
- gezielte Akquise von Nachwuchs mit strukturierter Weiterbildung,
- Spezialisierung in der Pathologie durch systematischen Personalaufbau.