Mammakarzinom: Lokale und systemische Therapien von Hirnmetastasen

DOI: https://doi.org/10.47184/tk.2024.02.4

Aufgrund verlängerter Überlebenszeiten und einer besseren systemischen Kontrolle treten Hirnmetastasen beim metastasierten Mammakarzinom in Abhängigkeit vom Subtyp bei bis zu 40 % der Patientinnen auf. Zunächst steht bei Hirnmetastasen die lokale Therapie im Vordergrund; diese kann durch eine systemische Therapie ergänzt werden. Insbesondere beim HER2-positiven metastasierten Mammakarzinom wurden in den vergangenen Jahren Studien explizit mit Patientinnen mit Hirnmetastasen durchgeführt. Durch den Einsatz des Tyrosinkinasehemmers Tucatinib in der HER2CLIMB-Studie entsteht ein klinisches Szenario, das es Patientinnen mit asymptomatischen Hirnmetastasen erlaubt, zunächst eine systemische Therapie ohne lokale Therapie durchzuführen. Doch trotz lokaler und systemischer Therapien bleibt die Prognose beim Auftreten von Hirnmetastasen schlecht.

Schlüsselwörter: Hirnmetastasen, metastasiertes Mammakarzinom, Lebensqualität, Chemotherapie, Strahlentherapie

Hirnmetastasen treten beim metastasierten Mammakarzinom häufig auf. In Abhängigkeit vom histologischen Subtyp und der Dauer der Metastasierung verändert sich der Anteil der Patientinnen mit Hirnmetastasen. Während die Wahrscheinlichkeit der Hirnmetastasierung bei Diagnosestellung der Metastasierung mit 2–10 % noch relativ selten ist, finden sich drei Jahre nach Diagnosestellung bei 8–30 % der Patientinnen Hirnmetastasen. Am häufigsten entwickeln Patientinnen mit HER2-positivem (HER2+) Mammakarzinom Hirnmetastasen, wobei innerhalb der Gruppe ein negativer Östrogenrezeptorstatus mit einer höheren Wahrscheinlichkeit einer Hirnmetastasierung assoziiert ist [1]. Patientinnen mit Hirnmetastasen eines Mammakarzinoms haben eine schlechtere Prognose als Patientinnen mit anderen Metastasenlokalisationen. Sie sind außerdem oft durch eine hohe Symptomlast in ihrer Lebensqualität deutlich eingeschränkt.

Auch die Prognose von Patientinnen unterscheidet sich in Abhängigkeit von der Histologie der Hirnmetastase. Patientinnen mit HER2+ Metastasen haben eine bessere Prognose als Patientinnen mit HER2-negativen (HER2–) Metastasen. Die Gruppe der Patientinnen mit HER2+, hormonrezeptorpositiven (HR+) Metastasen hat innerhalb dieser Subgruppen die beste Prognose und die Gruppe der triplenegativen Metastasen die schlechteste mit einem medianen Überleben von knapp sechs Monaten. Das mediane Überleben nach der Diagnose Hirnmetas­tasen in einer deutschen Registerstudie beträgt sieben Monate nach Diagnose der Hirnmetastasen, die 1-Jahres-Überlebensrate liegt bei 37 % [2].

Prognostisch besonders ungünstig ist die Gruppe der Frauen mit einer Meningeosis carcinomatosa mit einer medianen Überlebenszeit von nur drei Monaten.

Lokale Therapie

Zunächst steht bei Hirnmetastasen die lokale Therapie im Vordergrund; diese kann durch eine systemische Therapie ergänzt werden (Abb. 1).

 

In seltenen Fällen der asymptomatischen Hirnmetastasierung kann die lokale Therapie gegebenenfalls zeitversetzt eingesetzt werden.

Operative Therapie von Hirnmetastasen

Operative Therapie von symptomatischen Hirnmetastasen

Eine chirurgische Therapie symptomatischer Metastasen ist dann indiziert, wenn neurologische Symptome wie Sprachstörungen oder eine Halbseitenlähmung bestehen oder epileptische Anfälle persistieren. Eine unverzügliche operative Therapie ist indiziert bei akuter Hirndrucksymptomatik, etwa bei einer Kleinhirnmetastase mit konsekutivem Nervenwasserstau. Eine operative Therapie kann auch dann sinnvoll sein, wenn eine alleinige Bestrahlung der Metastase aufgrund der Größe (> 3,0–3,5 cm) der Metastase oder bei einem ausgedehnten perifokalen Ödem nicht sicher möglich ist. Dabei kann die Resektion von einzelnen oder mehreren Metastasen (bis zu n = 3) erwogen werden.

Operative Therapie von ­asymptomatischen Hirnmetastasen

Indikationen zur chirurgischen Versorgung asymptomatischer Metastasen sind in Anlehnung an die Leitlinie der ASCO-SNO-ASTRO aus dem Jahr 2022 folgende [3]:

  • Patientinnen mit Verdacht auf Hirnmetastasen ohne primäre Krebsdiagnose,
  • Patientinnen mit großen Tumoren mit raumforderndem Effekt insbesondere in der hinteren Schädelgrube.

Strahlentherapie von ­Hirnmetastasen

Postoperative Bestrahlung des Tumorbetts

Nach der Resektion von Hirnmetastasen ohne postoperative Bestrahlung ist das Risiko für ein Lokalrezidiv im Resektionsgebiet sehr hoch (ca. 30–50 %). Früher wurde deshalb nach der operativen Entfernung von Hirnmetastasen eine Ganzhirnbestrahlung durchgeführt. Diese senkte in Studien sowohl das Lokalrezidivrisiko als auch das Risiko des Auftretens neuer Hirnmetastasen im Verlauf. Aufgrund der Nebenwirkungen der Ganzhirnbestrahlung mit neurokognitiven Einschränkungen wurde diese zugunsten einer stereotaktischen Bestrahlung des Tumorbetts mittlerweile weitgehend verlassen.

Der Erhalt der neurokognitiven Funktion ist bei Patientinnen mit stereotaktischer Radiotherapie besser; allerdings treten neue Hirnmetastasen häufiger im Verlauf auf als nach einer Ganzhirnbestrahlung. Diese erhöhte Rezidivrate wirkte sich jedoch in randomisiert-kontrollierten Studien nicht negativ auf das Gesamtüberleben (OS) [4] oder die Lebensqualität aus.

Bestrahlung ohne operative ­Resektion

Die zielgenaue stereotaktische Bestrahlung ist ein radioonkologisches Verfahren, bei dem ausschließlich die bildgebend identifizierten Hirnmetastasen bestrahlt werden. Wird die stereotaktische Bestrahlung in einer einzigen Fraktion verabreicht, wird diese auch als Radiochirurgie bezeichnet. Insbesondere bei größeren Hirnmetastasen (> 2–3 cm) kommen durch die Notwendigkeit einer Dosisabsenkung bei Einzeitbestrahlung und dem erhöhten Risiko für Radionekrosen häufig hypofraktionierte Schemata zum Einsatz, das heißt die Aufteilung der ­Dosis auf mehrere Gaben.

Für kleinere Hirnmetastasen < 2 cm ist die lokale Tumorkontrolle nach der Radiochirurgie sehr hoch (circa 85 %). Für größere Metastasen mit einem Durchmesser von 2–4 cm lassen sich mit hypofraktionierten Regimen immer noch hohe lokale Kontrollraten von 69–88 % erreichen.

Technisch ist die stereotaktische Bestrahlung mittlerweile auch für Patientinnen mit mehr als fünf bis zehn Hirnmetastasen – unter bestimmten Voraussetzungen auch bei mehr als zehn Hirnmetastasen – durchführbar. Hierbei sollte jedoch darauf geachtet werden, dass das Gesamtvolumen der bestrahlten Metastasen 15 ml nicht übersteigt. Nach stereotaktischer Bestrahlung sollten vierteljährliche Kontrollen anhand der Magnetresonanztomografie (MRT) erfolgen – einerseits zur Beurteilung der lokalen Tumorkontrolle im Bereich der bestrahlten Metastasen, andererseits aufgrund des Risikos neuer Metastasen. Der Einsatz der Ganzhirnbestrahlung bleibt den Patientinnen vorbehalten, die bereits lokal vortherapiert sind oder die aufgrund des Ausmaßes der zerebralen Metastasierung nicht für eine stereotaktische Bestrahlung geeignet sind. Die Ganzhirnbestrahlung kann Hippocampus-schonend durchgeführt werden, um neurokognitive Einschränkungen zu verringern [5].

Problem der Radionekrose

Nach stereotaktischer Bestrahlung entwickeln etwa 5–10 % der Patientinnen eine Radionekrose. In der klinischen Praxis ist eine Unterscheidung zu einem lokalen Tumorprogress oft schwierig. Wenn keine Symptomatik besteht, ist in der Regel zunächst eine MRT-Verlaufskontrolle zu empfehlen. Eine weitere Abklärung mittels spezialisierter Bildgebung mit MRT (Perfusion oder Spektroskopie) oder Positronenemissionstomografie (PET)/Computertomografie (CT) (meist ­[18F]-Fluorethyl­tyrosin [FET]-PET/CT) kann ebenfalls erwogen werden.

Bei vorliegender Symptomatik ist eine Behandlung mit Steroiden angezeigt. Kommt es nicht zu einer klinischen Besserung und/oder ist die Läsion bildgebend weiter progredient, sollte eine Resektion diskutiert werden. Bei gesicherter steroidrefraktärer Radionekrose kann eine Off-label-Behandlung mit Bevacizumab diskutiert werden. In zwei prospektiven Studien konnte mit der Gabe von Bevacizumab (2-mal 7,5 mg/kg Körpergewicht [KG] im Abstand von drei Wochen oder 4-mal 5 mg/kg KG im Abstand von jeweils zwei Wochen) ein signifikant besseres bildgebendes und klinisches Ansprechen erreicht werden als mit Steroiden.

Systemische Therapie von Hirnmetastasen

Es konnte gezeigt werden, dass die Gabe einer systemischen Therapie nach der Diagnose der Hirnmetastasierung mit einer besseren Prognose assoziiert ist (medianes Überleben mit systemischer Therapie 13 vs. 3 Monate ohne systemische Therapie). In Abhängigkeit vom Allgemeinzustand der Patientin, der extrakraniellen Metastasierung und den Vortherapien können je nach Subtyp des Primärtumors verschiedene Substanzen ausgewählt werden.

Nachdem über Jahre hinweg Patientinnen mit Hirnmetastasen aus klinischen Studien ausgeschlossen wurden, hat man in neueren Studien explizit Frauen mit Hirnmetastasen zugelassen beziehungsweise das Auftreten von Hirnmetastasen unter der Therapie ausgewertet. Bei der Auswahl der systemischen Therapie richtet man sich nach dem Subtyp der Primärerkrankung beziehungsweise der Histologie der Metas­tasierung. Insbesondere beim HER2+ Mammakarzinom finden sich vermehrt Studien, in denen zugunsten der systemischen Therapie auf eine lokale Therapie verzichtet wird. Hierbei handelte es sich größtenteils um asymptomatische Patientinnen mit kleinen, oft lokal vorbehandelten Metastasen.

HER2-negatives Mammakarzinom

Beim HER2– metastasierten Mammakarzinom gibt es keine Substanz, für die eine besondere Aktivität für Frauen mit Hirnmetastasen bewiesen werden konnte. Das Medikament Etirinotecan Pegol zeigte sich in der Phase-II-Studie BEACON besonders effektiv in der Subgruppe der Frauen mit Hirnmetastasen [6], die Phase-III-Bestätigungsstudie ­ATTAIN war jedoch negativ.

In einer Phase-II-Studie mit dem CDK4/6-Hemmer Abemaciclib bei 165 Frauen mit Hirnmetastasen ergab sich in einer Kohorte, dass die Abemaciclib-Konzentration im Gehirn hoch war, allerdings ohne gesteigerte Effektivität [7].

In der ASCENT-Studie wurden Patientinnen mit einem metastasierten triplenegativen Mammakarzinom nach zwei oder mehr Therapielinien eingeschlossen. Als Einschlusskriterium galt auch eine stabile ZNS-Metastasierung, die – im Abstand von vier Wochen mittels MRT untersucht – nicht größenprogredient sein durfte. Die Patientinnen mussten mindestens zwei Wochen ohne antikonvulsive Therapie oder Kortikosteroide ausgekommen sein, bevor sie als stabil definiert werden konnten. Dies war in der Studie bei 61 von insgesamt 529 Patientinnen (12 %) der Fall. Die Patientinnen erhielten das Antikörper-Wirkstoff-Konjugat Sacituzumab-Govitecan versus einer Behandlung nach Wahl des Arztes. Die Überlebensdaten unterschieden sich wenig von der Gesamtkohorte (progressionsfreies Intervall 2,8 vs. 1,6 Monate; OS 6,8 vs. 7,5 Monate) [8]. Die Interpretation der Daten ist durch die kleine Subgruppe ­limitiert. Von den Patientinnen mit einer BRCA-Keimbahnmutation, die im Rahmen der EMBRACA-Studie eine Therapie mit dem PARP-Inhibitor Talazoparib erhielten, wurde eine Subgruppe mit bei Studieneinschluss stabilen Hirnmetastasen publiziert. Hier zeigte sich wie in der Gesamtgruppe ein Vorteil für das mediane progressionsfreie Überleben bei den mit Talazoparib behandelten Patientinnen: 5,7 Monate (95%-Konfidenzintervall [95%-KI] 4,1–8,1) mit Talazoparib versus 1,6 Monate (95%-KI 1,2–4,3) mit Chemotherapie nach Wahl des Arztes [9].

HER2-positives Mammakarzinom

Da der Anteil an Patientinnen mit einem metastasierten HER2+ Mammakarzinom mit bis zu 30–40 % im Erkrankungsverlauf sehr hoch ist, haben sich in den vergangenen Jahren vermehrt Studien mit dieser Kohorte auseinandergesetzt (Abb. 2; Tab. 1).

Tab. 1 Studienlage zur Therapie von Hirnmetastasen von Patientinnen mit einem metastasierten HER2-positiven Mammakarzinom. 

Studie
(Jahr der
Publikation)

Phase

Anzahl der Patientinnen mit Hirn­metastasen

Status der Hirn­metastasen

Medikation

Intrakranielle Ansprechraten

HER2CLIMB

(2022) [10]

II

291

Stabil und aktiv

Tucatinib + Trastuzumab + Capecitabin

47,0 %

HER2CLIMB02

(2023) [20]

III

204

Stabil und aktiv

Tucatinib + T-DM1

42,0 %

DESTINY-Breast03

(2021) [13]

III

36

Stabil

Trastuzumab-­Deruxtecan

64,0 %

TUXEDO-1

(2022) [14]

II

15

Aktiv

Trastuzumab-­Deruxtecan

73,0 %

DEBBRAH

(2023) [15]

II

21

Stabil und aktiv

Trastuzumab-­Deruxtecan

46,2 % (aktiv)

66,7% (alle Patientinnen)

KAMILLA

(2020) [21]

III

398

Stabil

T-DM1

21,0 %

LANDSCAPE

(2013) [22]

II

45

Aktiv

Lapatinib + Capecitabin

66,0 %

NALA

(2020) [17]

III

161

Stabil

Neratinib + Capecitabin

23,0 %

TBCRC-022

(2017) [16]

II

49

Aktiv

Neratinib + Capecitabin

49,0 % (Lapatinib-naiv)

33,0 % (Vortherapie mit  Lapatinib)

PATRICIA

(2023) [23]

II

39

Aktiv

Pertuzumab + Hochdosis-Trastuzumab

11,0 %

NEfERT-T

(2016) [24]

II

29

Asymptomatisch

Paclitaxel + Neratinib

Nicht berichtet;

Inzidenz für ZNS-­Metastasen reduziert

Die Studie HER2CLIMB nahm als Erste explizit Patientinnen mit Hirnmetas­tasen eines HER2+ Mammakarzinoms nach der Behandlung mit Trastuzumab/Pertuzumab sowie T-DM1 auf. Diese Patientengruppe machte 50 % der Studienkohorte aus. In die Studie eingeschlossen wurden Patientinnen mit aktiven Hirnmetastasen (definiert als asymptomatisch unbehandelt, n = 66; und progredient nach Behandlung, n = 108) sowie behandelten, stabilen Hirnmetastasen (n = 177). Die Patientinnen erhielten den Tyrosin­kinasehemmer Tucatinib oder Placebo in Kombination mit Trastuzumab und Capecitabin. Bei Patientinnen mit Hirnmetastasen lag das progressionsfreie Überleben (PFS) im Median bei 9,5 Monaten mit dem Studienmedikament versus 4,1 Monaten im Placeboarm. Der Anteil der nach einem Jahr progressionsfrei Überlebenden betrug im experimentellen Arm 35 %, im Placeboarm 0 % [10].

In einer aktualisierten Analyse nach einer zusätzlichen Nachbeobachtungszeit von 15,6 Monaten (insgesamt 29,6 Monate) führte Tucatinib in Kombination mit Trastuzumab und Capecitabin zu einem OS-Vorteil von 9,1 Monaten bei Patientinnen mit Hirnmetastasen. Bezogen auf Patientinnen mit aktiven Hirnmetastasen betrug die Überlebensverlängerung 9,6 Monate, bezogen auf Patientinnen mit behandelten stabilen Hirnmetastasen 5,2 Monate. Die Dauer des Therapieansprechens war im Tucatinib-Arm im Vergleich zum Kontroll­arm fast verdreifacht [11].

In einer Subgruppenanalyse der randomisierten Studie DESTINY-Breast03, in der das Antikörper-Chemotherapie-Konjugat Trastuzumab-Deruxtecan (­T-DXd) mit T-DM1 verglichen worden ist, zeigte die T-DXd-Behandlung in allen Subgruppen einen konsistenten Wirksamkeitsvorteil gegenüber T-DM1 [12]. In die Studie konnten Patientinnen mit stabilen Hirnmetastasen eingeschlossen werden. Der Vorteil für den primären Endpunkt PFS war mit einer Hazard Ratio von 0,28 deutlich positiv.

In einer Subgruppenanalyse zeigte sich, dass die Behandlung mit T-DXd im Vergleich zu T-DM1 zu einer größeren Wirksamkeit bei Patientinnen mit und ohne Hirnmetastasen führte. Die T-DXd-Behandlung ist mit einem deutlichen intra­kraniellen Ansprechen und einem Rückgang der ZNS-Erkrankung verbunden: 27,8 % intrakraniell komplettes Ansprechen für T-DXd versus 2,8 % für T-DM1; 2,8 % intrakranielle Progression für T-DXd versus 22,2 % für T-DM1 bei allerdings kleiner Fallzahl [13].

Darüber hinaus wurden im April 2022 erste Daten der einarmigen Studie ­TUXEDO-1 vorgestellt, in der die intrakranielle Effektivität von T-DXd bei 15 Patientinnen auch mit progredienten Hirnmetastasen untersucht worden ist [14]. Die Studie TUXEDO-1 erreichte ihren primären Endpunkt mit einer Ansprechrate von 73,3 % (komplettes und partielles Ansprechen sowie stabile ­Erkrankungssituation).

Erste Daten der Studie DEBBRAH, in der die Effektivität von T-DXd bei stabilen, unbehandelten und progredienten Hirnmetastasen untersucht wird, deuten ebenfalls auf eine Wirksamkeit der Subs­tanz bei ZNS-Metastasen hin [15].

In der Phase-II-Studie ­TBCRC-022 und in der Phase-III-Studie NALA wurde die Kombination des Tyrosinkinasehemmers Neratinib mit Capecitabin untersucht. Bei 30 Patientinnen ohne Capecitabin-Vorbehandlung betrug die ZNS-Ansprechrate in der Studie TBCRC-022 49 % [16]. In der NALA-Studie ergab sich ein medianes PFS in der Gesamtgruppe von 8,8 Monaten für Neratinib versus 6,6 Monate für Lapatinib. Die kumulative Inzidenz der Intervention für ZNS-Metastasen lag bei 22,8 % für Neratinib versus 29,2 % für Lapatinib [17].

Leptomeningeosis ­carcinomatosa

Ein karzinomatöser Befall der Meningen als Leptomeningeosis neoplastica (LM) ist mit einer sehr ungünstigen Prognose assoziiert. Patientinnen mit einem lobulären Subtyp und einem triplenegativen Tumor haben ein relativ höheres LM-Risiko als Patientinnen mit anderen Subtypen des Mammakarzinoms. Typische klinische Anzeichen von LM, die differenzialdiagnostisch an eine LM denken lassen sollten, sind:

  • Kopfschmerzen,
  • Übelkeit und Erbrechen,
  • psychische Veränderungen,
  • Gangschwierigkeiten,
  • Hirnnervenlähmungen mit Doppelbildern,
  • Sehstörungen,
  • Hörverlust,
  • sensomotorische Defizite der Extremitäten,
  • Cauda-Equina-Syndrom,
  • radikuläre, Nacken- und Rückenschmerzen.

In der Diagnostik werden die Durchführung einer kranialen MRT (cMRT) sowie eine Liquorpunktion empfohlen. Aufgrund der eher geringen Sensitivität einer Zytomorphologie sollte eine Liquorpunktion gegebenenfalls bis zu dreimal wiederholt werden, bis eine LM als Differenzialdiagnose ausgeschlossen werden kann.

Therapieoptionen bei LM

Zusätzlich zur situationsspezifischen Systemtherapie kann eine intra­thekale Therapie durchgeführt werden. Bei LM eines Mammakarzinoms ist neben dem liposomalen Cytarabin die intrathekale oder intraventrikuläre Verabreichung von Methotrexat (10–15 mg; 2- bis 3-mal pro Woche, mit/ohne Folsäure-Rescue) am häufigsten verwendet worden.

In zwei kleineren Studien wurde eine Effektivität der intrathekalen Anwendung von Trastuzumab beschrieben [18].

Eine Strahlentherapie kann durchgeführt werden bei einem isolierten spinalen oder zerebralen Befall und nodulären Auflagerungen, insbesondere bei hierdurch bedingter Symptomatik. In Einzelfällen kann eine Neuroachsenbestrahlung erwogen werden, die in einer Phase-II-Studie bei Patienten mit Mamma- oder Lungenkarzinom zu einer signifikanten OS-Verlängerung gegenüber einer fokalen, symptomorientierten Bestrahlung geführt hat [19].

Fazit für die Praxis

  • Aufgrund verlängerter Überlebenszeiten und besserer systemischer Kontrolle treten Hirnmetastasen beim Mammakarzinom häufiger auf.
  • Die lokale Therapie der Hirnmetastasen wird durch eine systemische Therapie ergänzt.
  • Die lokale Therapie besteht aus einer operativen Resektion mit Nachbestrahlung des Tumorbetts, der stereotaktischen Bestrahlung von Metastasen oder der Ganzhirnbestrahlung.
  • Die Wahl der systemischen Therapie richtet sich vor allem nach der extrakraniellen Erkrankungssituation und nach dem Subtyp des Mammakarzinoms.
  • Trotz der lokalen und systemischen Therapien bleibt die Prognose beim Auftreten von Hirnmetastasen schlecht.
  • Unklar bleibt weiterhin, ob ein Screening von Patientinnen mit metastasiertem Mammakarzinom auf das Vorliegen von Hirnmetastasen mit einem Überlebensvorteil für die Patientin assoziiert ist; es sollte deshalb nicht standardmäßig erfolgen.

Interessenkonflikte

Potenzielle Interessenkonflikte: Isabell Witzel hat Honorare von AstraZeneca, Daiichi Sankyo, Gilead, Lilly, Merck Sharp & Dome, Novartis, Pfizer, Roche, onkowissen und Seagen erhalten. David Krug hat Honorare von Merck Sharp & Dome, Pfizer, AstraZeneca, ESO, ESMO, med update, onkowissen und best practice onkologie sowie eine Studienförderung von Merck KGaA und der Deutschen Krebshilfe erhalten, zudem ist er im Advisory Board von Gilead tätig. Die Autorin und ihr Koautor erklären, dass sie sich bei der Erstellung des Beitrags von keinen wirtschaftlichen Interessen leiten ließen.