Kardiovaskuläre Erkrankungen wie Atherosklerose und Aortenerkrankungen entstehen durch eine chronische Aktivierung immunologischer Mechanismen [1]. Dieser Zusammenhang wird zwar seit Jahrzehnten vermutet, aber erst einzelne große klinische Studien der letzten Jahre konnten dies mit eindeutigen Daten belegen.
Klinische Daten
1994 zeigten Liuzzo et al. erstmalig, dass der Serumspiegel des Akutphaseproteins C-reaktives Protein (CRP) mit einem schlechten Outcome bei Patienten mit instabiler Angina pectoris assoziiert ist. Ridker et al. konnten diese Daten bei angeblich gesunden Männern der „Physicians‘ Health Study“ bestätigen [2]. Ihre Daten zeigen, dass das CRP-assoziierte erhöhte kardiovaskuläre Risiko durch die Einnahme von Aspirin im Vergleich zu Placebo signifikant reduziert werden konnte. Die Autoren postulierten schon damals, dass diese kardioprotektiven Effekte von Aspirin nicht ausschließlich auf eine Thrombozytenaggregationshemmung, sondern zusätzlich auf eine anti-inflammatorische Erkankungs-modifizierende Wirkung zurückzuführen waren.
Auch Statinen wurden anti-inflammatorische pleiotrope Wirkmechanismen zugesprochen. Die Studie PROVE IT-TIMI 22 analysierte daher den Zusammenhang zwischen LDL-Cholesterin- und CRP-Serumspiegeln nach Behandlung mit 80 mg Atorvastatin oder 40 mg Pravastatin und den klinischen Endpunkten erneuter Myokardinfarkt oder kardiovaskulärer Tod in Patienten nach akutem Koronarsyndrom [3]. Bei Patienten, in denen die Statintherapie zu einer LDL-Cholesterinsenkung auf < 70 mg/dl führte, war eine Reduktion des kombinierten Endpunkts von 4,0 auf 2,7/100 Personenjahre zu verzeichnen. Interessanterweise war eine Verminderung des CRPs auf < 2 mg/l ebenfalls mit einer effektiven Reduktion der Endpunkte von 3,9 auf 2,8/100 Personenjahre assoziiert. Patienten, in denen sowohl LDL als auch CRP unter die genannten Grenzwerte gesenkt werden konnte, hatten das beste Outcome mit einer Ereignisrate von 1,9/100 Personenjahre. Diese Daten bekräftigen nicht nur den Zusammenhang zwischen kardiovaskulären Ereignissen und zirkulierendem CRP als Biomarker für das systemisch-inflammatorische Niveau, sondern belegen, dass durch eine anti-inflammatorische Therapie der Erkrankungsverlauf modifiziert werden kann.
LDL und CRP sind hierbei nicht nur indirekte Biomarker einer systemischen Veränderung, sondern sind mit direkten Effekten an atherosklerotischen Plaques assoziiert. In der REVERSAL-Studie untersuchten Nissen et al. das Volumen koronarer Läsionen mittels intravaskulärem Ultraschall bei Patienten vor und 18 Monate nach Einleitung einer Statintherapie [4]. Auch hier war eine LDL- oder CRP-Senkung jeweils mit einer verminderten Plaqueprogression vergesellschaftet. Bei Patienten, in denen sowohl LDL als auch CRP unterhalb des Medians gesenkt wurde, war sogar eine Plaqueregression von -2,41 ± 31,6 mm3 im Mittel zu erreichen. So beeindruckend diese klinischen Daten auch sind, so blieb doch der genaue Pathomechanismus, welcher LDL-Cholesterinspiegel, inflammatorische Biomarker, Plaquegröße und kardiovaskuläres Outcome verbindet, unklar.
Cholesterinkristalle und Atherosklerose
Dass Cholesterineinlagerungen in der Gefäßwand verantwortlich für die Entstehung atherosklerotischer Plaques sind, wird bereits seit Langem vermutet [5]. Sie sind makroskopisch als sogenannte „fatty streaks“ bereits in frühen Stadien vaskulärer Läsionen erkennbar. Mikroskopisch sind Cholesterinablagerungen sowohl extrazellulär in Form von Cholesterinkristallen (cholesterol crystals, CCs), als auch intrazellulär in Makrophagen als lipid droplets nachweisbar [6]. Zusammen stellen diese sogenannten Schaumzellen und die extrazellulären CCs volumetrisch den Hauptanteil atherosklerotischer Plaques dar (Abb. 1). Der Beitrag von Makrophagen als Regulatoren immunologischer Mechanismen, welche zur Atherosklerose führen, ist gut belegt, und deren Aktivierung, z. B. durch oxidiertes LDL, wird als zentrale Voraussetzung angesehen [7]. CCs waren in atherosklerotischen Läsionen histologisch jedoch über einen langen Zeitraum lediglich indirekt als sogenannte cholesterol crystal clefts nachweisbar. Diese Hohlräume entstehen im Rahmen der Gewebefixierung durch alkoholische Lösungsmittel, welche effektiv die CCs auflösen und herausspülen. Da diese cholesterol crystal clefts erst in fortgeschrittenen Läsionen offensichtlich sind, wurden CCs mit dem typischen histologischen Spätstadium der Atherosklerose assoziiert, und man zog sie daher als primären inflammatorischen Stimulus nicht in Betracht. Unter Etablierung eines neuen Fixier- und Färbeprotokolls sowie anschließender Darstellung via Laserreflektionsmikroskopie konnten wir erstmals zeigen, dass CCs auch schon in frühesten atherosklerotischen Läsionen nachweisbar sind [8]. Zudem ist deren Auftreten mit einer Co-Lokalisierung rekrutierter Makrophagen assoziiert, ohne dass sich bereits andere histologische Merkmale atherosklerotischer Plaques darstellen [9]. CCs sind daher vermutlich aktiv an der Initiierung vaskulärer Läsionen beteiligt.
Seitdem wurden CCs auch in instabilen Plaques und aspirierten koronaren Thromben bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom nachgewiesen [10, 11]. Es wird daher vermutet, dass sie zusätzlich an der Pathologie der Plaqueruptur beteiligt sind.
Cholesterinkristalle, Inflammasom-Aktivierung und IL-1
CCs werden von Monozyten/Makrophagen als sogenannte „danger signals“ erkannt und phagozytiert [12]. Intrazellulär führen CCs – wie viele kristalline Substanzen – zu einer phagosomalen Destabilisierung und einer lysosomalen Ruptur [8, 13]. Diese führt durch eine Aktivierung des NLRP3-Inflammasoms zu einer Freisetzung pro-inflammatorischer Zytokine der Interleukin-1 (IL-1)-Familie (Abb. 1) [14].