Immunologie und Kardiovaskuläres System -Neue Perspektiven für Forschung und Therapie

Die Herzmedizin hat in den letzten Jahren eine unvergleichbare Erfolgsgeschichte geliefert. Die effektive und nebenwirkungsarme Behandlung der kardiovaskulären Risikofaktoren wie Bluthochdruck oder Hypercholesterinämie, die medikamentöse Therapie nach Herzinfarkt oder/und bei Herzinsuffizienz sowie insbesondere natürlich die interventionelle Therapie bei akutem Herz­infarkt oder bei lebensbedrohlichen Herzklappenerkrankungen im Konzert mit einer modernen kardiovaskulären Intensivmedizin haben zum einen zu einer verminderten Prävalenz der kardiovaskulären Erkrankungen in entwickelten Ländern und darüber hinaus zu einer verminderten Morbiditäts- und Mortalitätslast bei manifester Herzkreislauferkrankung geführt. Diese Fortschritte in der Herzmedizin sind der wichtigste singuläre Grund für die erfreuliche Verbesserung der Lebenserwartung in unseren Gesellschaften in den letzten Dekaden.
Trotz dieser Erfolge bleiben die Herzkreislauferkrankungen die Todesursache Nr. 1 nicht nur in den Industrienationen, sondern auch weltweit. Trotz ausgefeilter pharmakologischer Therapien und revolutionären interventionellen Reparaturstrategien bleiben die Sterblichkeits- und Re-Hospitalisierungsraten nach Erkrankungen wie Herzinfarkt, Aortenaneurysma oder -dissektion, Herzklappenerkrankungen und bei der Herzinsuffizienz sehr hoch. Zudem sind Kosten für die Post-hoc-Behandlung der manifesten Erkrankung immens hoch und werden angesichts der demographischen Entwicklung unser Gesundheitsbudget in Zukunft noch mehr belasten.
Ausweg bietet – neben der sehr schwer zu vermittelnden und anzuwendenden und im Übrigen auch teuren Primärprävention – nur das bessere Verständnis der zugrunde liegenden Krankheitsmechanismen, damit frühere Erkennung und Therapie möglich werden und eine aufwendige Reparatur und nachfolgende Morbiditäts- und Mortalitätsnachteile vermieden werden können.
Das junge Feld der kardiovaskulären „Inflammationsforschung“ hat in den letzten Jahren erarbeitet, dass zahlreiche Erkrankungen, wie die zum Herzinfarkt und Schlaganfall führende Atherosklerose, aber auch Herzinfarkt, Herzinsuffizienz sowie die besonders bedrohlichen Aorten- und Herzklappenerkrankungen, wesentlich bedingt und beschleunigt werden durch entzündliche Prozesse. Diese sind charakterisiert durch Interaktionen zwischen nicht-residenten immunkompetenten zirkulierenden Zellen wie Makrophagen und T-Lymphozyten, mit den residenten Strukturen in der Gefäßwand oder z. B. in der Herzklappe. Präliminäre Untersuchungen haben gezeigt, dass bestimmte Ma­krophagen-Subtypen, spezielle Zytokine (z. B. IL-1β), bestimmte Schädigungssignale (Cholesterinkristalle, Nukleinsäuren) diesen vaskulären, myokardialen oder valvulären Entzündungsprozess initialisieren bzw. beschleunigen. Trotz großer Bemühungen sind wir ganz am Anfang des Verständnisses der immunologischen Phänomene der Herzkreislauf-erkrankungen. Aber die bereits vorgelegten Daten machen uns hoffnungsvoll, dass die noch bessere Erforschung der kardiovaskulären immunologischen Mechanismen längerfristig zu einer verbesserten Versorgung der Patienten führen kann. 

 

Erste Erfolge wurden bereits vorgelegt. In Tiermodellen wurden zahlreiche anti-inflammatorische Konzepte als atheroprotektiv identifiziert. Einige dieser Mechanismen haben bereits die klinische Arena erreicht. Große Studien konnten zeigen, dass die Inhibition der Interleukin-1β-Kaskade mit Canakinu­mab, aber auch die anti-inflammatorische Behandlung mit Colchicin erfolgreich kardiovaskuläre Endpunkte bei Patienten mit Atherosklerose und begleitender koronarer Herzerkrankung vermindern kann.
Das vorliegende Heft will Einblick geben in die verschiedensten Facetten der kardiovaskulären Immunologie. Wir würden uns freuen, wenn wir Sie durch die Lektüre des Journals mit unserer Begeisterung und Freude für dieses Gebiet anstecken könnten.

Autoren
Sebastian Zimmer
Georg Nickenig
und Gunther Hartmann