Tiermodelle zur Erforschung von SARS-CoV-2 und COVID-19

Während des letzten Jahres breitete sich das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 weltweit rasant aus. In einem Teil der Infizierten verursacht das Virus die COVID-19-Erkrankung, die durch Lungenentzündung und neurologische Symptome gekennzeichnet ist. Bei Risikopatienten kann die Infektion zu tödlichen Komplikationen führen, womit SARS-CoV-2 angesichts der hohen Zahl an Infizierten global als eine sehr ernst zu nehmende Bedrohung für die Gesundheit der Menschen und unsere sozialen Systeme einzuschätzen ist. Die Entwicklung sicherer und wirksamer antiviraler Medikamente gegen SARS-CoV-2 und hilfreicher Therapien für Infizierte erfordert das Studium des Erregers in adäquaten Tiermodellen. SARS-CoV-2 nutzt das Angiotensin Converting Enzyme 2 (ACE2) als Eintrittsrezeptor. Die Stärke der Bindung von SARS-CoV-2 an das ACE2-Protein entscheidet darüber, wie effizient das Virus eine Spezies infizieren kann, und ob die Infektion Krankheitssymptome auslöst, die das jeweilige Tier als Modellorganismus qualifizieren. Mäuse, als eine der wichtigsten Laborspezies, eignen sich nur nach gentechnischen Veränderungen der Maus oder des Virus als Modell für SARS-CoV-2. Dafür stellen Hamster, Frettchen und Rhesusaffen sehr wichtige Tiermodelle dar, weil diese nach Infektion mit SARS-CoV-2 relevante Aspekte von COVID-19 abbilden. Verschiedene Vakzin-Kandidaten wurden z. B. in Rhesusaffen getestet und lieferten vielversprechende Ergebnisse. Zusammenfassend steht der Forschung bereits eine Reihe nützlicher Tiermodelle zur Verfügung, die schon jetzt entscheidende Beiträge zur Entwicklung von Vakzinen gegen SARS-CoV-2 und neuer Therapien für COVID-19 geleistet haben.

Schlüsselwörter: SARS, SARS-CoV-2, COVID-19, Virus, Tiermodelle, Pathologie, Impfstoff, Immuntherapie

1. Hintergrund

In jedem der letzten drei Jahrzehnte sah sich die Menschheit mit einer neuen tödlichen Virusinfektion, ausgelöst durch Mitglieder der Coronavirus-Familie, konfrontiert. Während nach dem Jahr 2003 keine neuen Ausbrüche auf das SARS-Coronavirus (SARS-CoV) zurückzuführen waren, steigt die Zahl der Infizierten mit dem MERS-Coronavirus (MERS-CoV) seit seiner Entdeckung im Jahr 2012 geringfügig aber stetig an. Bis zu diesem Jahr verzeichnete die WHO 8.098 Infektionen mit SARS-CoV und 2.494 Infektionen mit MERS-CoV, die zu 774 (SARS) und 858 (MERS) Todesfällen führten. Das im Februar 2020 identifizierte Virus SARS-CoV-2 ist der Auslöser der COVID-19-Erkrankung [1, 2]. Durch effiziente Mensch-zu-Mensch-Übertragung konnte SARS-CoV-2 bisher ca. 25 Millionen Menschen infizieren und tötete etwa 770.000 der Infizierten (https://covid19.who.int/). Diese einhundertmal höhere Zahl an absoluten Todesfällen innerhalb von nur 9 Monaten im Vergleich zu dem über zwei bzw. acht Jahre andauernden Infektionsgeschehen mit SARS oder MERS verdeutlicht die Gefährlichkeit dieses neuen hochansteckenden Coronavirus. Aufgrund der rapiden Ausbreitung erklärte die WHO im März 2020 das Infektionsgeschehen, ausgelöst durch SARS-CoV-2, zu einer Pandemie.
In Deutschland zeigen sich nach bis zu 10 Tagen Inkubationszeit (95ste Perzentile) bei etwa 14 % der Infizierten schwere Verläufe mit Symptomen wie z. B. trockenem Husten, Schnupfen, Fieber und Atemnot. Bei ca. 5 % der Infizierten kommt es zu kritischen Verläufen wie einer beatmungspflichtigen Lungenentzündung, an der bis zu drei Viertel der beatmeten Patienten versterben. Ein wichtiger Risikofaktor für schwere Verläufe ist unter anderem ein Patientenalter von über 50 Jahren. Zusätzlich werden häufig neurologische Symptome wie der vorübergehende Verlust des Geruchs- und Geschmackssinnes, nach überstandener Infektion aber auch andere neurologische Einschränkungen berichtet (www.rki.de).
Getrieben von täglich steigenden Zahlen an Infizierten und dem Fehlen eines Impfstoffes starteten in vielen Laboren weltweit Studien zur Entwicklung wirksamer antiviraler Medikamente und adäquater Therapien für Erkrankte. Um dies zu erreichen, ist die Erforschung bestimmter Aspekte der Erkrankung – wie systemische Pathologie, die komplexe Dynamik von Immunantworten und die Evaluation von Interventionsstrategien – in Tiermodellen unabdinglich. Wir möchten hier einige wichtige Tiermodelle für SARS-CoV-2 beschreiben und ausgewählte Erkenntnisse zur Biologie von SARS-Viren sowie von COVID-19 hervorheben, die mithilfe dieser Modelle gewonnen wurden.
Nachdem deutlich wurde, dass SARS-CoV-2 eine hohe Ähnlichkeit zu SARS-CoV aufweist, konnte schnell das Angiotensin Converting Enzyme 2 (ACE2) als Entry-Rezeptor beider Viren identifiziert werden [1, 3, 4]. ACE2 ist auf der Oberfläche von Zellen in Lunge, Niere, Leber, Darm und Hoden zu finden, wo es als Teil des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems (RAAS) an der Regulation des Blutdruckes über den Elektrolyt-Wasserhaushalt beteiligt ist [5]. SARS-CoV und SARS-CoV-2 binden mit dem auf der Hüllmembran des Virus lokalisierten Spike-Protein an ACE2, was zu Internalisierung des Rezeptors und Infektion der ACE2-positiven Zelle durch Fusion von Virus- und endosomaler Membran führt [6]. Allerdings ist die Affinität des Spike-Proteins zu vielen nicht-humanen orthologen Proteinen geringer als zum humanen ACE2, sodass einige der üblicherweise bevorzugten Tiermodelle, wie z. B. Mäuse, nur schwer durch SARS-CoV(-2) infiziert werden können und dadurch meist keine günstigen Modelle für SARS-Infektionen oder COVID-19 darstellen [7, 8]. Als Resultat der ersten SARS-Epidemie 2002–2003 wurden aber verschiedene Tiermodelle entwickelt, die zum Teil wichtige Einblicke in die Biologie von SARS-Viren und die von ihnen ausgelöste Erkrankung lieferten.

2. Mausmodelle

Aufgrund von vergleichsweise geringen Haltungskosten, kurzen Generationszeiten und einem in vielerlei Hinsicht dem Menschen ähnlichen Immunsystem sind Mäuse wichtige Modelltiere für die immunologische Forschung. Neben den verschiedenen Aus- und Inzuchtstämmen gibt es unterschiedliche Arten gentechnisch veränderter Mauslinien, bei denen prinzipiell zwei Kategorien unterschieden werden können: somatische Modelle und Keimbahn-Modelle. Im Gegensatz zu somatischen Modellen vererben letztere ihre genetische Veränderung an ihre Nachkommen und erlauben es so, eine ganze Kolonie mit weitestgehend identischen Eigenschaften zu erzeugen, auf die über einen langen Zeitraum zurückgegriffen werden kann. Klassischerweise gibt es bei Keimbahn-Modellen zwei Kategorien: Transgene Mäuse und genveränderte Mäuse (gene-targeted mice). Transgene Mäuse tragen häufig eine zu ihrem Genom fremde genetische Information oder eine zusätzliche Variante eines Mausgens. Die Integration klassischer Transgene erfolgt an einem zufälligen Ort im Genom in variabler Kopienzahl, wodurch sich deren Expression sogar zwischen Founder-Tieren derselben Linie stark unterscheiden kann. Transgene können außerdem die Ausprägung benachbarter Gene am Integrationsort verändern. In genveränderten Mäusen wird eine vorher festgelegte Veränderung gezielt in einem genomischen Bereich durchgeführt (z. B. ein knock out eines Gens oder ein knock in eines Reportergens). Durch die geringere Variabilität aufgrund des gezielten Eingriffes gelten diese Modelle meist als „definierter“ im Vergleich zu konventionellen Transgenen. Per Definition fallen damit z. B. alle mittels CRISPR/Cas9 generierten Mäuse in diese Kategorie. Beide Systeme haben unter bestimmten Bedingungen Vorteile, auf die wir hier nicht weiter eingehen.
In den letzten Jahren wurden auch Mausmodelle mit transienten gentechnischen Veränderungen in somatischen Zellen wieder attraktiv. Diese können relativ schnell ohne kostenintensive Generierung durch eine Transgenic Facility und anschließender Haltung der speziellen Mauslinie generiert werden. Um das gewünschte genetische Material in das Zielorgan einzubringen, stehen heute eine Vielzahl viraler Vektorsysteme zur Verfügung. Insbesondere Vektoren, die sich von verschiedenen Retroviren, Adenoviren oder Adeno-assoziierten Viren ableiten, haben sich aufgrund guter Reproduzierbarkeit, der einfachen Handhabung, geringer Herstellungskosten und geringer Sicherheitsanforderungen durchgesetzt. Alle diese Techniken wurden verwendet, um Mausmodelle für SARS-Coronaviren zu etablieren.

2.1 K18-hACE2-Transgen (offizielle Bezeichnung: Tg(K18-ACE2)2Prlmn)

Die 2007 publizierte transgene Mauslinie trägt das humane ACE2-Gen unter der Kontrolle des Epithel-spezifischen Keratin-18-Promoters (K18-hACE2). K18-hACE2-Mäuse konnten produktiv mit SARS-CoV (Urbani) infiziert werden, was in einer progressiven Gewichtsreduktion und Letalität innerhalb von einer Woche nach Inokulation resultierte. Virusgenom und infektiöses Virus konnten in Lunge und Gehirn infizierter Mäuse nachgewiesen werden. Zudem zeigten beide Organe eine Entzündung, die durch eingewanderte Immunzellen und erhöhte Expression proinflammatorischer Zytokine gekennzeichnet war. Interessanterweise waren die Mäuse nach passiver Immunisierung mit dem Spike-spezifischen neutralisierenden Antikörper MAb201 vor der Erkrankung geschützt [7]. Dass durch die Infektion von K18-hACE2 Mäusen mit SARS-CoV-2 wichtige Aspekte von COVID-19 rekapituliert werden können, zeigten gleich mehrere Arbeitsgruppen parallel. Alle Gruppen beobachteten Gewichtsverlust und eine Lungenentzündung [9–13], die in zwei der drei Studien mit einer Disseminierung des Virus ins ZNS und dem Tod der Mäuse innerhalb einer Woche nach Infektion assoziiert war [10, 12, 13].

2.2 HFH4-ACE2-Transgen (offizielle Bezeichnung: Tg(FOXJ1-ACE2)1Rba)

Diese Mauslinie wurde im Jahr 2016 publiziert und exprimiert ACE2 unter der Kontrolle des humanen Hepatocyte nuclear factor-3/forkhead homologue 4 (HFH4)-Promoters. Der Promoter ist hauptsächlich in Flimmerepithelzellen der Lunge aktiv, es wurde aber auch ACE2-Expression in Gehirn, Leber, Niere und Darm nachgewiesen. Die Infektion von HFH4-ACE2-Mäusen mit SARS-CoV (Urbani) führte zu Gewichtsverlust und einer Lungenentzündung mit aktiver Virusreplikation sowie Disseminierung des Virus ins Gehirn. Innerhalb einer Woche erreichten alle infizierten Mäuse die Abbruchkriterien. Passive Immunisierung mit neutralisierenden Antikörpern schützte auch in diesem Modell vor einem tödlichen Verlauf der Infektion [14]. Auch SARS-CoV-2 kann HFH4-AC2-transgene Mäuse infizieren. In der kürzlich publizierten Studie erlagen allerdings nur die Mäuse der Infektion, in denen sich das Virus bis ins ZNS ausgebreitet hatte. Die Daten aus diesem Modell deuteten ebenfalls daraufhin, dass die Infektion des ZNS mit SARS-CoV-2 nicht allein von der Viruslast abhing, da in den Lungen aller infizierten Mäuse über die gesamte Zeit der Studie vergleichbare Mengen an Virusgenom nachweisbar waren. Die überlebenden Mäuse produzierten neutralisierende Antikörper und waren höchstwahrscheinlich dadurch vor einer Reinfektion mit demselben SARS-CoV-2-Isolat geschützt [15].

2.3 CAG-hACE2-Transgen (offizielle Bezeichnung: Tg(CAG-ACE2)AC70Ctkt)

Ein weiteres Mausmodell prägt hACE2 unter der Kontrolle des synthetischen CAG-Promoters aus (CAG-hACE2). Hier wurden mehrere Founder generiert, die sich in der Stärke der Transgenexpression unterschieden. Ebenso wie K18-hACE2-Mäuse entwickelten auch CAG-hACE2-Mäuse nach Infektion mit SARS-CoV eine letale Pneumonie mit ZNS-Inflammation. CAG-hACE2-Mäuse mit schwächerer Ausprägung des Rezeptors konnten die Infektion ausheilen und zeigten auch keine Virusreplikation im Gehirn [16]. Bisher wurden keine Daten zur Infektion mit SARS-CoV-2 in diesem Modell veröffentlicht.

2.4 mAce2-ACE2-Transgen (offizielle Bezeichnung: Tg(Ace2-ACE2)1Cqin)

Um das Expressionsprofil des endogenen Ace2-Gens zu erhalten, trägt diese Linie ein Transgen, von dem das ACE2-Gen unter der Kontrolle des Maus-Ace2-Promoters abgelesen wird. Im Gegensatz zu den zuvor diskutierten transgenen Linien, die auf Inzucht-Mausstämmen basieren, wurde die mAce2-ACE2-Linie im Auszucht-Mausstamm CD1 (ICR) generiert. ACE2-Expression konnte in Lunge, Herz, Niere und im Darm nachgewiesen werden. Nach Infektion mit SARS-CoV (PUMC01) zeigte sich, wie in den anderen Modellen, eine Lungenentzündung, allerdings keine Letalität. Weitere extrapulmonale Organe, wie z. B. das Gehirn, zeigten Blutungen und Entzündung. Dort konnte allerdings kein Virusantigen nachgewiesen werden [17]. Der Unterschied in der Schwere der Erkrankung im Vergleich zu den anderen ACE2-transgenen Mäusen könnte an einer geringeren Expressionsstärke durch den endogenen Ace2-Mauspromoter, durch Positionseffekte am Integrationsort des Transgens, oder durch veränderte Immunologie aufgrund des genetischen Hintergrundes liegen. Nach Infektion der mAce2-ACE2-Mäuse mit einem in Wuhan isolierten SARS-CoV-2 (HB-01) zeigte sich derselbe Verlauf wie nach Infektion mit SARS-CoV [8].

2.5 ACE2 knock in (offizielle Bezeichnung: Ace2em1(ACE2)Yowa)

In einem ähnlichen Ansatz generierte eine Arbeitsgruppe mithilfe der CRISPR/Cas-Technologie eine Mauslinie mit einem knock in des ACE2-Gens in den endogenen Maus-Ace2-Lokus. Der knock in zerstört das Maus-Ace2-Gen und trägt zusätzlich eine IRES-tdTomato Reporterkassette. ACE2-Expression konnte in Lunge, Niere, Milz und Dünndarm detektiert werden. In der Lunge exprimierten hauptsächlich Club-Zellen (Keulenzellen) den Fluoreszenzreporter, was darauf hindeutete, dass diese Zellen auch ACE2 auf ihrer Oberfläche tragen und Zielzellen für SARS-CoV-2 sein könnten. Nach intranasaler Infektion mit SARS-CoV-2 zeigte sich Virusantigen vermehrt in den Club-Zellen der Lunge, allerdings auch in Lungenzellen, die das Reportergen nicht exprimierten. Bisher ist unklar, ob die Expression von IRES-tdTomato in diesem Modell zu einhundert Prozent mit der ACE2-Expression korreliert oder ob Virusantigen auf andere Weise in vermeintlich ACE2-negative Zellen gelangte. Infizierte ACE2-Knockin-Mäuse entwickelten die für SARS-CoV-2 charakteristische interstitielle Lungenentzündung, ohne schwere klinische Symptome. Ähnlich wie für COVID-19 berichtet, führte die Infektion älterer Mäuse zu einer stärker ausgeprägten Lungenentzündung, die von Gewichtsverlust (< 10 %) begleitet wurde. Bei infizierten Mäusen beider Altersstufen wurde Virusgenom im Gehirn nachgewiesen, aber keine der infizierten Mäuse verstarb oder erreichte die Abbruchkriterien. Um Berichten einer potenziellen fäkal-oralen Übertragung auf den Grund zu gehen, infizierten die Autoren ihr Mausmodell auf dem intragastrischen Weg. An Tag fünf nach Infektion wurden Virusprotein und eine Entzündung in der Lunge festgestellt, was bedeutete, dass zumindest in diesem Modell eine fäkal-orale Übertragung möglich war [18].

2.6 Transiente somatische ACE2-Expression

In einer kürzlich publizierten Studie wurden C57BL/6- und Balb/c-Mäuse intranasal mit einem Ad5-ACE2-Vektor inokuliert, um diese transient für eine Infektion mit SARS-CoV-2 besser empfänglich zu machen. Nach Infektion mit SARS-CoV-2 wurde Virusgenom in Lunge, Herz, Milz und im Gehirn der Mäuse nachgewiesen. Die Mäuse entwickelten eine nicht-letale Lungenpathologie und konnten die Virusinfektion kontrollieren. Nach Antikörper-vermittelter Blockade des Typ-I-Interferonrezeptors vor der Infektion mit SARS-CoV-2 kam es zwar zu einem stärkeren Gewichtsverlust, allerdings waren die Virustiter nicht höher als in infizierten Mäusen mit funktionellem Typ-I-Interferon(IFN)-Signaling [19].
Eine weitere Gruppe benutzte das Adeno-assoziierte Virus (AAV) 9 als Vektor für ACE2 in C57BL/6-Mäusen. Obwohl infektiöses Virus aus den mit SARS-CoV-2 inokulierten Mäusen isoliert werden konnte, zeigten diese keine klinischen Symptome. Zwei Wochen nach Infektion waren im Serum aller infizierten Mäuse neutralisierende Antikörper zu finden. Die Analyse der Lungen zeigte ab Tag zwei nach Infektion eine zelluläre Entzündung sowie eine starke Typ-I-IFN-getriebene antivirale Immun­antwort (75 % aller induzierten Transkripte waren durch Typ-I-IFN reguliert). Im Gegensatz dazu zeigten mit AAV9-ACE2 transduzierte Typ-I-IFN-Rezeptor-Knockout-Mäuse keine Lungenpathologie und keinen Zytokinsturm nach Infektion mit SARS-CoV-2 [20]. Wie im zuvor beschriebenen Ad5-ACE2-Modell waren die Virustiter unbeeinflusst. Diese Daten deuten auf eine zentrale Rolle des Typ-I-IFN-Systems als eine mögliche treibende Kraft bei der Entgleisung der Immunantwort gegen SARS-CoV-2 hin (siehe auch nächster Abschnitt).

2.7 Maus-adaptierte Viren

Im Gegensatz zur genetischen Veränderung des Wirtes kann das Virus durch Passagierung und Selektion auf bestimmte biologische Eigenschaften, wie z. B. Pathogenität, an den Wirt angepasst werden. So wurde eine Maus-pathogene Variante des SARS-CoV (Urbani) generiert (SARS-CoV MA15), die in Balb/c-Mäusen eine letale Infektion mit Lungenentzündung auslöste [21]. Mäuse, die zuvor mit dem apathogenen parentalen Virus Urbani infiziert wurden, waren gegen die tödliche Infektion mit MA15 geschützt. Das Balb/c-SARS-CoV-MA15-Modell brachte auch entscheidende Einblicke in den Mechanismus der Lungenpathologie. SARS-CoV kodiert für viele Antagonisten des Typ-I-IFN-Systems, welche dazu dienen, die IFN-Antwort zu unterdrücken, um eine effizientere Virusreplikation zu ermöglichen. Die Gruppe von Stanley Perlman, die auch die K18-hACE2-transgenen Mäuse entwickelte, fand heraus, dass ein durch Interferon induzierter antiviraler Status die Infektion und Pathologie mit SARS verhindern kann. Im Kontext einer produktiven Infektion ist es aber das Typ-I-IFN-System, das maßgeblich die Entzündungsreaktion in der Lunge antreibt. IFN-Rezeptor-Knockout-Mäuse zeigten keine Pathologie nach Infektion mit Maus-pathogenem SARS-CoV-MA15 [22]. Im Zusammenhang mit einigen Berichten über eine starke Typ-I-IFN-Antwort bei COVID-19-Patienten mit schweren Verläufen deuten diese Daten darauf hin, dass die zeitlich kontrollierte Steuerung der Typ-I-IFN-Antwort im Kontext einer Infektion mit SARS-Viren möglicherweise als protektive Maßnahme (temporäre lokale Induktion als Schutz vor Infektion) und auch als therapeutische Maßnahme (systemische Blockade der Typ-I-IFN-Antwort in COVID-19-Patienten mildert Entzündungsreaktion) eingesetzt werden könnte. Letzteres wird bereits mittels JAK/STAT-Inhibitoren in COVID-19-Patienten getestet [23].
Im Gegensatz zur phänotypischen Selektion spontaner Virusmutanten veränderte eine Gruppe, basierend auf Strukturdaten des Spike-Proteins, gezielt kritische Aminosäuren in der Rezeptorbindungsdomäne des Proteins. Das auf diese Weise generierte rekombinante SARS-CoV-2-MA-Isolat löste nach Infektion von Balb/c-Mäusen eine nicht-letale Lungenentzündung mit Gewichtsverlust aus. Wieder waren die Symptome nach Infektion in älteren Mäusen stärker ausgeprägt als in jüngeren Mäusen, ähnlich wie es für COVID-19 beobachtet wird. Vakzinierung der Mäuse mit rekombinantem SARS-CoV-2-Spike schützte die Mäuse vor Infektion. Neben der Produktion von Typ-I-IFN können sich Epithelien auch mithilfe der Sekretion von Typ-III-IFN (IFNλ) gegen Virusinfektionen verteidigen. Ein modifiziertes IFNλ1 (PEG-IFNλ1) ist bereits in klinischen Studien zur Behandlung von Hepatitis-D-Infektionen und wird ebenfalls als mögliche Behandlung bei COVID-19 getestet (NCT04388709). Bei Balb/c-Mäusen konnte die Vorbehandlung der Mäuse mit PEG-IFNλ1 die Infektion mit SARS-CoV-2-MA unterbinden [24]. Im Hinblick auf eine Translation sollten die Ergebnisse bezüglich des Einsatzes von rekombinantem IFN (I oder III) aus den folgenden Gründen sehr differenziert betrachtet werden: 1) Im Mausmodell wurde PEG-IFN als Prävention und nicht als Therapie, wie für COVID-19 geplant, eingesetzt. 2) Obwohl beide Interferonfamilien über eigenständige Rezeptoren verfügen, induzieren sie zum Teil dieselben Interferon-regulierten Gene. Die Rolle von Typ-I- oder Typ-III-IFN-Signaling in der Pathologie von COVID-19 ist bisher noch nicht eindeutig geklärt [23].

3. Frettchen

Frettchen (Mustela putorius furo) sind eine domestizierte Form des europäischen Iltis. Sie werden häufig als Modell­organismus für Atemwegsinfektionen, insbesondere mit Influenza, aber auch mit SARS-CoV verwendet, da sie eine dem Menschen ähnliche Reaktion zeigen [25, 26]. Es konnte in verschiedenen Studien gezeigt werden, dass Frettchen über die Nase auch mit SARS-CoV-2 infizierbar sind und mit einer Erhöhung der Körpertemperatur sowie gelegentlichem Husten reagieren. Sie überleben die Infektion aber in allen getesteten Fällen und entwickeln nach 8–12 Tagen neutralisierende Antikörper [27–29]. Nach intranasaler Infektion sind infektiöse Viren in den Nasenmuscheln und in der Luftröhre, virale RNA auch in der Lunge, der Niere und dem Darm nachweisbar [27]. Infizierte Frettchen sind in der Lage, andere Frettchen über direkten Kontakt zu infizieren, was bei diesen nach zwei Tagen ebenfalls zu Gewichtsverlust führt und zu viraler RNA in Nasenspülungen und im Speichel [27]. Wird der Kontakt über ein luftdurchlässiges Gitter begrenzt, ist die virale RNA nur noch in einem Teil der Tiere nachweisbar und es konnte kein Gewichtsverlust mehr beobachtet werden [27]. Daher stellen Frettchen ein wertvolles Modell für Infektion und Transmission von SARS-CoV-2 dar.

4. Hamster

Mit Computermodellierung wurde eine Bindung von SARS-CoV-2 an das ACE2-Protein von Hamstern vorhergesagt [30]. In der Tat zeigen Hamster nach intranasaler Infektion Gewichtsverlust und die Expression viraler Antigene in Nase, Bronchien, Lunge und Darm. Sowohl virale RNA als auch infektiöse Viren können in Nasenspülungen nachgewiesen werden [31]. Dies geht mit Schädigungen der Lunge einher, die sowohl in der Histopathologie als auch im CT nachgewiesen werden können [32]. Die Stärke der Symptome, gemessen am Gewichtsverlust, steigt mit höherem Alter der Tiere [33]. Allerdings wurde auch in diesem Modell keine Letalität beobachtet. Die gegenseitige Ansteckung von Hamstern ist sowohl über direkten Kontakt als auch über Aerosole, aber kaum über verschmutzte Käfige möglich [31]. Daher konnte mit Hamstern experimentell getestet werden, dass chirurgische Masken zumindest einen teilweisen Schutz vor SARS-CoV-2-Übertragung bieten [34]. Außerdem konnte bereits gezeigt werden, dass humane neutralisierende Antikörper auch Hamster vor einer Infektion schützen [35].

5. Primaten (non human primates, NHP)

Primaten stellen aufgrund ihrer Ähnlichkeit zum Menschen ein sehr wichtiges Modell für die Entwicklung von Wirkstoffen und die Erforschung von Krankheiten dar. Dabei werden vor allem Makaken, im Speziellen Cynomolgen (Macaca fascicularis, Javaneraffen) und Rhesusaffen (Macaca mulatta) verwendet [36]. Single cell RNAseq-Daten zeigen, dass die wichtigen Rezeptoren für SARS-CoV-2 – ACE2 und TMPRSS2 – bei Rhesusaffen in denselben Zelltypen, Typ-2-Pneumozyten und Zilienzellen, exprimiert werden wie beim Menschen [37].
Daher sind Primaten auch ein wertvolles Modell für die Erforschung der Pathogenese von COVID-19 und für die Entwicklung von Vakzinen und Wirkstoffen. Zu Cynomolgus-Affen ist bekannt, dass sie mit den bereits länger erforschten Coronaviren SARS-CoV und MERS-CoV infizierbar sind, und sie lassen sich auch mit SARS-CoV-2 infizieren [38]. Dabei verläuft die Infektion mit SARS-CoV-2 meist mit schwachen oder keinen Symptomen. Virale Partikel können 2–4 Tage nach der Infektion mit RT-PCR und Viruskultur in Nasen- und Rachenabstrichen nachgewiesen werden [38]. Das Alter der Affen hatte im Gegensatz zum Menschen keinen Einfluss auf die Schwere der Symptome, allerdings waren in älteren (15–20 Jahre alten) Tieren die Virustiter in den Abstrichen höher. Dabei muss jedoch auch die geringe Anzahl der bis jetzt untersuchten Affen im Vergleich zu der hohen Zahl an infizierten Menschen berücksichtigt werden. In der histopathologischen Analyse zeigen die infizierten Cynomolgen diffuse alveoläre Schäden und Immunzellinfiltrate.
Im direkten Vergleich zeigen Rhesusaffen häufiger Symptome als Cynomolgen (Temperaturerhöhung bei 100 % der Tiere im Vergleich zu 33 % [39]). In anderen Studien wurde zusätzlich von Gewichtsverlust berichtet [40]. Auch bei den Rhesusaffen war SARS-CoV-2 in Nasen-, Rachen- und zum Teil in Rektalabstrichen nachweisbar [40]. Bei beiden Arten konnten Veränderungen der Lunge in Röntgenaufnahmen beobachtet werden, in ähnlicher Form, wie sie auch beim Menschen beschrieben werden [39, 40]. Dies wird durch Studien in Cynomolgen gestützt, die ebenfalls eine symptomlose Infektion beschreiben, aber im CT Abnormalitäten wie Milchglastrübungen sehen, die auch für humane mild-moderate Infektionen typisch sind [41]. Sowohl die abnormalen Bereiche in der Lunge als auch die drainierenden Lymphknoten zeigten eine erhöhte Aufnahme von FDG im PET/CT, was zu der erhöhten Immunzellinfiltration in der Histopathologie passt [38, 41].
Aufgrund ihrer Infizierbarkeit und ihrer Bedeutung als Spezies für die Toxikologie wurden bereits mehrere präklinische Studien zur Entwicklung von Vakzinen in Makaken publiziert. Dabei wurden sowohl inaktivierte Viren [42], rekombinante Adenoviren, die SARS-CoV-2-S-Protein-Varianten exprimieren [43], DNA-Vakzinen, die für S-Protein codieren [44], als auch Protein-Vakzinen mit der rekombinanten RBD-Domäne des Virus in Alum [45] verwendet. Da die Verläufe in Rhesusaffen ohnehin mild sind, konnten als Endpunkte für die Effektivität „nur“ neutralisierende Antikörper und eine stark reduzierte Vermehrung des Virus nach Infektion gezeigt werden. Diese Endpunkte wurden aber in allen Ansätzen erreicht. Von großer Bedeutung für die Entwicklung von Vakzinen im Menschen ist hier, dass keine Fälle von Verstärkung der Infektion durch Antikörper (antibody-dependent enhancement of infection) beobachtet wurden.
Zusammenfassend sind Makaken ein wichtiges Modell, weil sie ohne genetische Veränderung infizierbar sind und Kernsymptome der SARS-CoV-2-Infektion in der Histopathologie und der Radiologie abbilden. Bei den bisher untersuchten Affen sind die Verläufe im Vergleich zum Menschen bei geringen Fallzahlen aber immer milde. Trotzdem konnten Vakzin-Kandidaten in diesen Modellen erfolgreich die Virusvermehrung reduzieren.

6. Andere Tierarten

Die Untersuchung der Infektiosität von SARS-CoV-2 in weiteren Tierarten geschah hauptsächlich, um das Potenzial von COVID-19 als Zoonose zu untersuchen. Während Katzen nach intranasaler Infektion eine Vermehrung des Virus in den Atemwegen und der Lunge zeigten und auch andere Katzen infizieren konnten, zeigten Hunde und Schweine keine virale Replikation [28, 29]. Flughunde, die als ursprüngliches Reservoir für SARS-CoV-2 diskutiert wurden, zeigten eine asymptomatische Infektion, konnten aber andere Flughunde anstecken [28]. Hühner und Enten zeigten nach intranasaler Applikation von SARS-CoV-2 keine klinischen Symptome, keine Viren in Nasen- oder Kloakenspülungen sowie keine Serokonversion [28, 29].

7. Zusammenfassung

Im Zuge der Ausbreitung von SARS-CoV-2 konnten sehr schnell wichtige Erkenntnisse über die Pathogenität des Virus und über die COVID-19-Erkrankung gewonnen werden, weil im Kontext mit der SARS-Epidemie vor zwanzig Jahren bereits Tiermodelle für die Infektion etabliert wurden, und außerdem weitere neuartige in vivo-Ansätze zur Verfügung standen. In einer Phase, in der wir gerade beginnen, die Rolle des Immunsystems in der Pathologie von SARS-CoV-2-Infektionen zu verstehen, werden solche Modelle auch in Zukunft entscheidende Beiträge zur Entwicklung antiviraler Medikamente und möglicher Immuntherapien für COVID-19 leisten.

Autoren
Dr. rer. nat. Marcel Renn, MBA
Institut für Klinische Chemie und Klinische Pharmakologie,
Universitätsklinikum Bonn
Dr. rer. nat. Rayk Behrendt
Institut für Immunologie,
Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus TU Dresden
Aus der Rubrik