Immunmetabolismus

Editorial

Viele von uns kramen ihre alten Biochemie-Lehrbücher oder die berühmten Biochemical Pathways-Poster von Gerhard Michal wieder heraus (oder ziehen Online-Ressourcen zurate), um sich metabolische Mechanismen ins Gedächtnis zu rufen, denn das Interesse am Metabolismus nimmt zu, besonders in der immunologischen Community. Aufgrund neuer Erkenntnisse und getrieben durch neue Messmethoden setzt sich mehr und mehr die Einsicht durch, dass die metabolische Aktivität einer Zelle nicht nur eine letzte Konsequenz der Integration von Genen und Umwelt ist, sondern ein integraler Bestandteil von Zellaktivität und -identität. Statt nur eine Folge von Zelltyp, eingehenden Signalen und der Verfügbarkeit von Nährstoffen zu sein, fließen Signale vom Metabolismus zurück, und steuern aktiv andere zelluläre Prozesse, indem sie z. B. in Signaltransduktion, Zellzyklus und Epigenetik eingreifen. Diese Sichtweise induziert neue Fragestellungen, denen sich das Feld widmet:
Was sind die metabolischen Charakteristika bestimmter Immunzellen, und wie verändern sie sich im Zuge von Differenzierung und Aktivierung? Durch welche konkreten molekularen Mechanismen findet der Austausch von Information und die wechselseitige Regulation zwischen Metabolismus und anderen zellulären Prozessen statt? Wie zelltypspezifisch sind die entdeckten Mechanismen? Welche therapeutischen Optionen ergeben sich, um ein Krankheitsgeschehen durch metabolische Intervention (unterstützend zu anderen Therapien) positiv zu beeinflussen? Die Arbeit an diesen Fragen bringt besondere experimentelle Herausforderung mit sich, da sich durch den schnellen Turnover von Metaboliten jede Manipulation sofort auswirkt, und sich für eine native Analyse seltener primärer Populationen die Gewinnung von ausreichend Material schwierig gestalten kann. Wo eine direkte ex vivo-Analyse keine Option ist, wird daher zunehmend nach organotypischen Medien und Kulturbedingungen gesucht.
Viele Immunologen fanden den Einstieg in die aktive Arbeit am Metabolismus über die als Seahorse-Technologie bekannte extrazelluläre Flussanalyse. Im zellsparenden 96-Well-Format erlaubt sie die Bestimmung der Aktivität von mitochondrialer Atmungskette (Sauerstoffverbrauch) und Glykolyse (Ansäuerung des Mediums durch Laktat) in intakten Zellen unter dynamischen Bedingungen. Die wahre Revolution findet aber derzeit im Bereich der Metabolomforschung statt. Die sogenannte Targeted Metabolomics ermittelt massenspektrometrisch die Konzentration von vorab festgelegten Metaboliten. Sie wird ergänzt durch NMR-basierte Metabolomics, die zwar nur eine geringere Zahl an Metaboliten bestimmen kann, aber durch quantitative Aussagen, hohe Reproduzierbarkeit und eindeutige Identifikation durch die erhaltenen Strukturdaten glänzt, und die die Probe nicht verbraucht, sodass bei schwer zu gewinnenden Proben weitere Messungen angeschlossen werden könnten.
Da es sich beim Metabolismus um Enzymkinetiken und Fließgleichgewichte handelt, können sich massive Änderungen in einzelnen metabolischen Pathways möglicherweise in nur sehr geringen Schwankungen der Konzentration einzelner Metaboliten niederschlagen. Dazu kommt, dass nicht alle Metaboliten eines Pathways gleichermaßen akkumulieren oder abreichern, sondern sich auch gegenläufig verhalten können. Die Analyse der metabolischen Aktivität von Pathways erfordert daher das Isotope Label Tracing, bei dem der Einbau isotopenmakierter Metaboliten wie 13C-Glukose oder -Glutamin in zelluläre Metaboliten verfolgt wird. Durch die metabolische Fluss-Analyse, das heißt die gemeinsame Analyse der Lable Tracing-Daten mit extrazellulären Aufnahme- und Sekretionsraten im Kontext eines mathematischen Modells des Metabolismus, können noch weitreichendere Aussagen aus den Daten abgeleitet werden. Die wahre omics-Technologie im engeren Sinne ist jedoch die Untargeted Metabolomics, da sie eine unvoreingenommene, nicht hypothesengetriebene Forschung zulässt. Hierbei werden im Prinzip alle über der Nachweisgrenze vorkommenden Metaboliten massenspektrometrisch bestimmt, wobei polare und apolare Metaboliten (Lipide) getrennt verarbeitet werden müssen, was die Messzeit erhöht. Diese Technologie ist allerdings weniger sensitiv und erlaubt nur relative Aussagen zu sich verändernden Metabolitkonzen­trationen. An Genomics- und Proteomics-Daten gewöhnt erwarten wir auch von ihr, sofort die Identität der gemessenen Metaboliten zu erfahren, und sind mitunter enttäuscht, wenn wir für im Sinne unserer biologischen Fragestellung interessante Hits „nur“ molekulare Massen oder Summenformeln genannt bekommen. Der Unterschied ist jedoch leicht zu erklären, wenn man bedenkt, dass Metaboliten, anders als Gene oder Proteine, keine Sequenz haben, sondern sich mitunter nur in der räumlichen Orientierung weniger Atome unterscheiden, was ihre Identifizierung ungleich schwieriger und aufwendiger macht.
Kommerzielle Anbieter stoßen in diese Lücke und bieten uns durch bioinformatischen Abgleich der Daten zu Masse und Retentionszeit anhand großer pro­prietärer Datenbanken relativ belastbare Aussagen zur Identität der Metaboliten. Allerdings können auch dadurch nur bereits bekannte Metaboliten mit mehr oder weniger hoher Sicherheit identifiziert werden. Viele gemessene, darunter auch endogene, aber vor allem aus der Nahrung oder der Darmflora stammende Metaboliten sind jedoch bisher unbekannt. Daraus ergibt sich die spannende Per­spektive, in den eigenen Proben neue, krankheitsrelevante oder für die Funktion des Immunsystems wichtige Metaboliten zu identifizieren. So wurde z. B. der häufig nachgewiesene Metabolit Itaconat zunächst für ein Xenobiotikum gehalten, da es industriell hergestellt wird und in der Umwelt vorkommt. Es ist jedoch ein endogener Metabolit, der durch Makrophagen produziert in den bakteriellen Stoffwechsel eingreift. Die Chancen und Herausforderungen dieses jungen Feldes sind also sehr vielfältig. Die Anfang Mai 2019 in Braunschweig gegründete Deutsche Gesellschaft für Metabolomforschung (DGMet), die in diesen Tagen in München ins Vereinsregister eingetragen wird, stellt sich ihnen. Eine wesentliche Zielsetzung der DGMet ist neben der Vernetzung mit anderen Fachgebieten die Entwicklung von Standards im Feld und damit die Erhöhung der Reproduzierbarkeit, z. B. durch Ringstudien. Es bietet sich nun eine Möglichkeit zur Zusammenarbeit zwischen unseren Fachgesellschaften, die Synergien freisetzen und das Feld des Immunmetabolismus in Deutschland voranbringen kann. Wir wünschen der neuen Fachgesellschaft einen guten Start und Ihnen viel Freude mit der Lektüre dieser Ausgabe von DGfI Immunologie, für die wir Beiträge aus diesem Themenbereich aus Immuno­log(inn)ensicht zusammengestellt haben. Allen Autoren sei herzlich für ihre Beiträge gedankt. Besonders zur Lektüre und vor allem zur Weitergabe an interessierte Laien empfehlen möchte ich den Beitrag von Julia Jellusova aus der Kategorie „Immunologie leicht gemacht“.

Ich danke Dr. Jörg Büscher, Max-Planck-Institut für Immunologie und Epigenetik, für die kritische Durchsicht.

Autor
Prof. Dr. Olaf Groß
Institut für Neuropathologie, Universitätsklinikum Freiburg
Exzellenzcluster CIBSS und BIOSS, Universität Freiburg Institut für Klinische Chemie und Pathobiochemie, Klinikum rechts der Isar, Technische Universität München