Fäkaler Mikrobiota-Transfer – Stand der Dinge und Perspektiven

Die rezidivierende Clostridium-difficile-Infektion (CDI) ist aktuell die einzige weltweit anerkannte Indikation für die Anwendung eines fäkalen Mikrobiota-Transfers (FMT). In der klinischen Praxis haben sich verschiedene Applikationsformen etabliert (Duodenalsonde, Koloskopie, rektaler Einlauf, orale Kapseln), über die mit Ausnahme des rektalen Einlaufes das Auftreten eines erneuten Rezidives in ca. 80% nach einer einmaligen und in ca. 90% nach mehrmaligen Applikationen erzielt werden kann. Regulatorisch besteht weltweit keine einheitliche Zuordnung des FMT im Sinne einer Definition als Arzneimittel, Gewebe oder andersartiges Therapeutikum. In Deutschland unterliegt der FMT dem Arzneimittelgesetz, sodass in der Herstellung dieselben behördlichen Auflagen wie bei der klassischen Medikamentenherstellung zum Tragen kommen. Andere Indikationen des FMT sind untersucht worden und schließen unter anderem die Colitis ulcerosa ein. Im Gegensatz zur CDI ist hier ein wiederholter FMT erforderlich, um das klinische Ansprechen zu erhalten. Darüber hinaus spielt der Spender – und damit die Zusammensetzung des Transplantats – eine kritische Rolle. Andere Bereiche, in denen die Wirksamkeit des FMT geprüft wird, sind metabolische Erkrankungen, Graft versus Host sowie mentale Erkrankungen. Auf lange Sicht stellt sich die spannende Frage, ob es bei dem FMT bleiben wird, oder ob in Zukunft eher die für die Therapie einer Erkrankung relevanten bakteriellen Metaboliten alleine transferiert werden und auch alleine den gewünschten Effekt erzielen können.
Schlüsselwörter: Fäkaler Mikrobiota-Transfer, Clostridium-difficile-induzierte Kolitis, chronische entzündliche Darmerkrankungen

Aktuell konsentierte Indikation

Die menschliche Mikrobiota ist ein komplexes, aktuell noch unvollständig erfasstes und verstandenes Ökosystem. Sie spielt eine unentbehrliche Rolle für die Entwicklung und Aufrechterhaltung einer großen Anzahl homöostatischer Prozesse im menschlichen Körper, inklusive der Resilienz gegenüber Pathogenen [1].
Medikamente, insbesondere Antibiotika, können signifikante Veränderungen in der Zusammensetzung der Mikrobiota hervorrufen, die das Auftreten von Clostridium-difficile-Infektionen (CDI), der weltweit häufigsten Ursache von nosokomialen Diarrhöen, begünstigen [2]. Bei einer vergleichsweise hohen Anzahl der betroffenen Patienten kommt es im Verlauf zu hartnäckigen, rezidivierenden Infektionen. Wie erstmalig randomisiert im Jahre 2013 gezeigt [3], stellt der fäkale Mikrobiota-Transfer (FMT) einen äußerst effizienten therapeutischen Ansatz für diese Patienten dar. Dabei werden Bakterien und deren Metaboliten aus dem Stuhl eines oder mehrerer gesunder Spender in den Darm eines Patienten übertragen. Mittlerweile wurde die klinische Effektivität des FMT zur Behandlung von rezidivierenden CDI bereits in einer Vielzahl von Studien belegt. Die Heilungsraten liegen relativ stabil mit ca. 80% nach einer einmaligen und ca. 90% nach mehrmaligen Applikationen [4]. Basierend auf diesen Daten wird der FMT weltweit für die Therapie der rezidivierenden CDI ausdrücklich empfohlen – seit 2013 vom American College of Gastroenterology (ACG) und seit 2014 von der Europäischen Gesellschaft für klinische Mikrobiologie und Infektionserkrankungen (European Society for Clinical Microbiology and Infectious Diseases, ESCMID) [5, 6].

Technische Aspekte

Zahlreiche Studien haben sich mit der Wirksamkeit verschiedener Applikationsformen beschäftigt, wobei die Applikation über eine Sonde, die endoskopisch im Duodenum platziert wird, eine Applikation per Koloskopie, per rektalem Einlauf und die orale Gabe von Kapseln sich weltweit etabliert haben [7]. Während die Gabe per Einlauf eindeutig mit reduzierten Ansprechraten verbunden ist [8], wird kontrovers diskutiert, ob ein klarer Vorteil für eine der übrigen Applikationsformen auf Basis der aktuellen Evidenz bestätigt werden kann [7]. Trotz allem ist es absehbar, dass die orale Einnahme sich langfristig als Applikationsform durchsetzen wird, da sie den Patienten die Unannehmlichkeiten und Risiken einer Endoskopie erspart. Allerdings bedarf es dazu einer weiteren Optimierung der Verkapselungstechniken und der Ermöglichung einer gezielten Freisetzung der Kapselinhalte in spezifischen Darmabschnitten.
Ebenfalls weiterentwickelt haben sich Techniken zur Haltbarmachung von FMT-Präparaten. Während die initial verwendeten frisch zubereiteten Präparate eine hohe logistische Herausforderung an Spender, Patient und Behandler darstellten, ermöglicht das Einfrieren der Präparate oder auch eine Gefriertrocknung eine deutlich verlängerte Haltbarkeit bei unveränderter Wirksamkeit [8, 9].
Die Weiterentwicklung von Herstellung und Applikationsmöglichkeiten hat den Einsatz des FMT in der klinischen Praxis deutlich vereinfacht. Trotzdem bestehen vor allem auf rechtlicher und regulatorischer Ebene weiterhin viele Herausforderungen, die es zu meistern gilt.

Regulatorische Aspekte

In Deutschland wird der FMT dem Arzneimittelgesetz (AMG, § 2) zugeordnet und kann daher momentan nur als individueller Heilversuch durchgeführt werden. Dies bedeutet, dass der oder die das Präparat herstellende Arzt oder Ärztin dies auch selbst verabreichen muss. Eine Versendung von Präparaten an andere Behandler ist in diesem Rahmen also ausgeschlossen. Für die Durchführung randomisierter kontrollierter Studien mit FMT-Prüfpräparaten oder die Abgabe von Präparaten an andere Behandler bedarf es einer Herstellung unter sogenannten Good Manufacturing Practice (GMP)-Bedingungen, wie sie auch für andere Arten von Medikamenten vorgeschrieben sind. Die entsprechenden Auflagen wirken vor allem darauf hin, den Herstellungsprozess und die Qualität der Präparate zu standardisieren und Kontaminationen auszuschließen. Aktuell befinden sich in Deutschland mehrere solcher Herstellungsanlagen im Aufbau. Die einzige bisher in Europa zertifizierte Stuhlbank mit GMP-Herstellungsbedingungen befindet sich in Lyon im Besitz einer pharmazeutischen Firma. Dort werden Prüfpräparate für klinische Studien an hämatologischen Patienten hergestellt und an die jeweiligen Studienzentren ausgeliefert.
Auf internationaler Ebene besteht allerdings große Variabilität bez. der für eine Abgabe von Produkten zu erfüllenden Auflagen. Das Vorhalten von GMP-Standards, d. h. das nachweisliche Einhalten von besonders hohen Qualitätsstandards im Rahmen der Arzneimittelherstellung, ist hier nur selten notwendig. Die weltweit größte Stuhlbank, OpenBiome, wird in den USA betrieben. Sie hat bisher über 30.000 Präparate ausgeliefert. Weitere aktive Stuhlbanken befinden sich z. B. in den Niederlanden (Leuven), Deutschland (Köln) und Frankreich (Paris) [10].
Insgesamt lässt sich schlussfolgern, dass durch die Heterogenität der regulatorischen Einordnung in verschiedenen Ländern die klinische und wissenschaftliche Implementierung des FMT in einigen Regionen deutlich erschwert ist. Insbesondere innerhalb Europas wäre hier eine einheitliche, praktikable und transparente Regelung wünschenswert.

Chronisch entzündliche Darmerkrankungen als weitere Indikation?

Die Pathogenese chronisch entzündlicher Darmerkrankungen ist bis heute nur unvollständig verstanden. Die weltweit zunehmende Inzidenz der letzten Jahrzehnte deutet jedoch auf eine prominente Rolle von Umweltfaktoren hin [11]. Es konnte in den letzten Jahren gezeigt werden, dass Umweltfaktoren einen Einfluss auf die Zusammensetzung der intestinalen Mikrobiota haben [12]. Eine Reihe von Arbeiten zeigen auf, dass sich diese Zusammensetzung bei einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung dahingehend ändert, indem die Diversität sinkt und hier insbesondere Teile der Mikrobio­ta, die positive Auswirkungen auf die intestinale Barriere ausüben, nur reduziert zu finden sind [13]. Damit war es naheliegend, der Hypothese nachzugehen, diese „fehlregulierte“ Mikrobiota gegen die eines gesunden Spenders auszutauschen, um damit die chronisch entzündliche Darmerkrankung in eine Remission zu bringen. Die bislang vorliegenden kontrollierten Studien beschränken sich auf die Colitis ulcerosa. Die ersten beiden Studien verwendeten hierzu Transplantate von einzelnen Spendern [14, 15]. Auch wenn in beiden Studien der primäre Endpunkt verfehlt wurde, zeigen sie wesentliche Punkte auf: 1. Spricht ein Patient an, dann kommt es zu einer Zunahme der Diversität der intestinalen Mikrobiota [15]; 2. Im Gegensatz zu den oben dargestellten Daten zu CDI, bei der die Zusammensetzung des Transplantats nicht so kritisch zu sein scheint, zeigte sich in einer der beiden Arbeiten eine klare Assoziation zwischen einem Spender und dem klinischen Ansprechen [14]. Bis heute bleibt es jedoch in weiten Teilen unklar, was die besondere Zusammensetzung dieses Spenders ausmacht. Um sich dieser Herausforderung zu nähern, wurde in der australischen Folgestudie ein Multispender-Ansatz gewählt [16]. Bemerkenswert ist, dass bei dieser Studie trotz Multispenderansatz immer noch eine Assoziation zwischen klinischem Ansprechen und einem Spender beobachtet wurde [16, 17]. In die Planung der australischen Arbeit wurden die Vorerfahrungen der zwei ersten kontrollierten Arbeiten einbezogen, und man entschied sich für ein intensiviertes Protokoll. In einem Placebo-kontrollierten Vorgehen erfolgte der erste FMT koloskopisch, gefolgt von fünf Einläufen/Woche über acht Wochen. Der primäre Endpunkt war hier die klinische Remission in Kombination mit einer endoskopischen Remission oder Ansprechen in Woche 8 [16]. Dieser Endpunkt wurde erreicht. Diese Daten zeigen auf, dass durch eine kontinuierliche Modulation der luminalen Seite eine klinische Remission erreicht werden kann, jedoch mit dieser Strategie in der Mehrheit keine langfristige Remission nach Beenden der Transplantation erreicht wird. Man kann spekulieren, warum die Situation bei der Colitis ulcerosa anders ist als bei der CDI. Ein wesentlicher Aspekt besteht sicherlich darin, dass die chronisch entzündlichen Darmerkrankungen nicht nur durch die Mikrobiota getrieben werden, sondern vielmehr eine intestinale Entzündung zur Dysbiose führt (siehe auch Abb. 1). Damit wäre prospektiv vorstellbar, dass kombiniert Ansätze, d. h. eine systemische anti-inflammatorische Therapie in Kombination mit einem FMT, zu einem besseren Ergebnis führen könnten.

Andere Indikationen

Neben den chronisch entzündlichen Darmerkrankungen wird bei einer Reihe weiterer Erkrankungen der Ansatz des FMT untersucht. Die initialen Experimente zeigen, dass der FMT aus einer adipösen Maus in eine schlanke Maus diese adipös werden lässt. Vergleichbare Daten liegen für den Menschen vor [15, 18–20]. Daher war es naheliegend, FMT in dem Feld der metabolischen Erkrankungen weiterzuentwickeln. Erste Daten zeigen, dass ein FMT von gesunden Probanden in Patienten mit einem metabolischen Syndrom bei diesen zu einer signifikanten Verbesserung der metabolischen Situation führte [21].
Ein konzeptionell spannender Bereich ist die „Gut-Brain“-Achse; es ist schon länger bekannt, dass die intestinale Mikro­biota die Entwicklung des Gehirns beeinflusst. Gleichzeitig konnte eine veränderte intestinale Mikrobiota mit mehreren Erkrankungen wie Autismus oder Stimmungsschwankungen assoziiert werden [22]. Hier werden weitere Daten zeigen müssen, welche klinische Relevanz diese Beobachtungen haben.
Aus medizinischer Sicht hochrelevant sind erste Daten aus dem Feld der Graft-versus-Host-Erkrankung. Als Komplikation wurde hier eine ausgeprägte Reduktion der Diversität der intestinalen Mi­kro­biota beobachtet und eng damit assoziiert die Anwesenheit von multiresistenten Keimen [23, 24]. Durch die Durchführung eines FMT konnten hier nicht nur der Gesamtzustand der Patienten, sondern auch die Diversität erhöht und das Problem der multiresistenten Keime kontrolliert werden. Bemerkenswert ist, dass hier für den FMT bei den Patienten Stuhlproben vor der Hochdosis-Chemotherapie gesammelt wurden und die Patienten dann einen FMT mit ihrem eigenen Stuhl erhielten. Dieser Ansatz könnte weitreichende Auswirkungen im Bereich der Intensivmedizin haben [25].

Vision

Die Strategie, dass man einen FMT von einem gesunden Spender durchführt, vermittelt den Eindruck, dass es sich um einen sehr unpräzisen Ansatz handelt. Es stellt sich die Frage nach den Faktoren, die die zu beobachtenden Effekte vermitteln. Für einzelne Bakterien sind hier mögliche Mechanismen beschrieben. So produzieren Faecalibacterium prausnitzii unter anderem kurzkettige Fettsäuren wie Butyrat, die wiederum für den Erhalt der intestinalen Barriere kritisch sind [26, 27]. Das bedeutet aber, dass unter Umständen nicht die Anwesenheit eines einzelnen Bakteriums erforderlich ist, sondern vielmehr definierte Metaboliten. Eine Arbeit aus dem Feld der CDI deutet an, dass dies mehr sein könnte als eine theoretische Überlegung. In dieser Fallserie wurde bei Patienten mit therapie­refraktärer CDI ein „Sterilfiltrat“ gesunder fäkaler Mikrobiota transplantiert und führte ebenfalls zu einer Heilung der Kolitis [28]. Elegant wäre es, wenn eine definierte Metabolitenkomposition in Kapseln verfügbar wäre. Damit wäre nicht nur ein spezifischerer Eingriff möglich, sondern es würde auch das regulatorische Vorgehen erleichtern.

Autoren
Prof. Dr. med. Maria J. G. T. Vehreschild
Leiterin Schwerpunkt Infektiologie
Medizinische Klinik II
Universitätsklinikum Frankfurt
Prof. Dr. Britta Siegmund
Ärztliche Centrumsleitung CC 13, Direktorin der Med. Klinik m. S. Gastroenterologie, Infektiologie und Rheumatologie
Charité – Universitätsmedizin Berlin
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