Nachruf für Prof. Dr. med. Helmuth Deicher

Am 11. Juli 2017 ist Prof. Helmuth Deicher kurz vor Vollendung seines 88. Lebensjahres friedlich entschlafen. Für uns war Helmuth Deicher ein großartiger, unvergessener und prägender klinischer und wissenschaftlicher Lehrer. Unprätentiös, nie polarisierend, immer interessiert und ansprechbar, fördernd – ohne uns zu verbiegen, immer zugewandt und mit Augenmaß. Er verstand es, in seiner Abteilung eine freie, offene, unbeschwerte Atmosphäre zu schaffen, in der wir gerne arbeiteten und in der es immer um die Sache der klinischen Immunologie und Rheumatologie ging sowie um die beste ärztliche und menschliche Behandlung der Patienten.
Ausgebildet in der Marburger Inneren Medizin der 50er-Jahre unter seinem Mentor Fritz Hartmann bot sich ihm früh die Chance, in eines der besten immunpathologischen Labors der Welt zu Henry Kunkel nach New York zu gehen. Er nutzte diese Chance brilliant: 1958–1960 entdeckte er zusammen mit Holman und Kunkel im Serum von Lupus-Patientinnen erstmals Antinukleäre Antikörper und Anti-DNS-Autoantikörper. Er publizierte diese Befunde hochrangig im Journal of Experimental Medicine. Noch heute bilden diese Arbeiten einen Meilenstein in der Erforschung systemischer Autoimmunkrankheiten.  
Zurückgekehrt nach Deutschland baute er zusammen mit Fritz Hartmann in den 60er- und 70er-Jahren an der Medizinischen Hochschule Hannover den bedeutendsten nationalen Schwerpunkt zur Erforschung der Immunpathologie entzündlich-rheumatischer Systemerkrankungen auf. Hier war alles zu finden: moderne Labors neben großzügigen Stationen und Ambulanzen, der erste, sehr erfolgreiche Sonderforschungsbereich zur Erforschung der Immunpathologie und Pathobiochemie der rheumatischen Entzündung. Das alles wurde begleitet von innovativer Physiotherapie, Versorgungsforschung und einer intensiven Interdisziplinarität. Diese fruchtbare, wissenschaftliche Landschaft, besonders aber die Person Helmuth Deicher, überzeugten mehrere junge Wissenschaftler, nach längeren Forschungsaufenthalten im Ausland nach Deutschland zurückzukehren. Joachim R. Kalden erhielt als erster die Möglichkeit, seine immunpathologischen Forschungen zur Myasthenia gravis, Sarkoidose und rheumatoiden Arthritis in Hannover zu vertiefen. Für Hans-Hartmut Peter ermöglichte H. Deicher den Aufbau einer tumorimmunologischen Melanomambulanz mit der Erforschung spontaner Lymphozytotoxizität gegen Tumorzellen. Werner J. Pichler setzte seine Arbeiten zu T-Zell-Subpopulationen fort und Reinhold Schmidt konnte hier seine klinisch-immunologische Entwicklung nach den Grundlagenstudien am Dana Farber Cancer Center in Boston fortsetzen.
Dieser breite immunologische Standortvorteil blieb nicht ohne Folgen: Die MHH wurde unter Führung von Hartmann und Deicher zur Wiege der modernen klinischen Immunologie und Rheumatologie in Deutschland. Joachim R. Kalden und Hans-Hartmut Peter wurden auf Lehrstühle für Rheumatologie und klinische Immunologie in Erlangen bzw. Freiburg berufen. Werner J. Pichler wurde einer der Nachfolger von Alain de Weck im Institut für Immunologie und Allergologie am Inselspital Bern. Auch eher Grundlagen-immunologisch orientierte Immunologen wie Ernst und Helga Gleichmann und Wolfgang Kreth waren kurzzeitig in Herrn Deichers Abteilung tätig.
Das Erbe von Helmuth Deicher an der MHH hat sein Nachfolger Reinhold Schmidt weiter entwickelt. Neue Bereiche wie Fc-Rezeptor-Forschung, Complement, HIV, Vaskulitis, Immundefizienz und  Kollagenose-Forschung kamen hinzu. Somit bleibt die Hannoveraner Abteilung von Helmuth Deicher auch in Zukunft ein Leuchtturm und eine Wiege der klinischen Immunologie.
Am Grabe von Helmuth Deicher haben Schüler und Freunde in Dankbarkeit zurückgeblickt und die Präsidenten zweier großer deutscher Fachgesellschaften, der Rheumatologie und der Immunologie, kondoliert. Dies unterstreicht die Bedeutung des Lebenswerkes von Helmuth Deicher: Er war ein unvergessener Pionier der klinischen Immunologie, ein großer Arzt, ein kritischer Wissenschaftler und ein wunderbarer Mensch. Wir danken ihm und werden sein Andenken stets in Ehren halten.

Hans-Hartmut Peter, Freiburg; Joachim R. Kalden, Erlangen
Werner J Pichler, Bern; Reinhold E. Schmidt, Hannover