Direkte orale Antikoagulanzien (DOAKs): Was kann die Labordiagnostik aktuell leisten?

DOI: https://doi.org/10.47184/td.2025.02.03

In bestimmten klinischen Situationen wie einer Notoperation oder einer Thrombolyse bei Apoplex ist die Bestimmung der Konzentration von direkten oralen Antikoagulanzien im Blut angezeigt. Während die Massenspektrometrie als Goldstandard sowie Anti-Xa- und Anti-IIa-Assays auf Gerinnungsanalyzern eine zuverlässige Aussage über den Medikamentenspiegel zulassen, ist dies bei gängigen Gerinnungstests zum Teil nicht der Fall.

Schlüsselwörter: Monitoring, Quick, PTT, INR, ACT, Urinstick, viskoelastische Tests

Die Geschichte der Antikoagulanzien begann vor etwas mehr als 100 Jahren mit der Entdeckung des Heparins in Leberzellen und des Dicumarols bei der sogenannten Süßkleekrankheit. Erst durch die Entdeckung des Heparins wurde z. B. die Durchführung der Dialyse kurz nach dem Zweiten Weltkrieg machbar. So entwickelten sich im Laufe der Zeit zwei Möglichkeiten der Antikoagulation: die orale Antikoagulation mittels Vitamin-K-Antagonisten (VKA) auf der einen Seite und die intravenöse Antikoagulation mit Heparin auf der anderen Seite. Dazu wurden gleichzeitig entsprechende Testsysteme zum Monitoring der Antikoagulation (PT/Quick-Wert/INR für die VKA und PTT für die Heparine) etabliert. Beide Wege wurden im Laufe der Zeit weiterentwickelt (z. B. Verfahren zur Herstellung der niedermolekularen Heparine). Mit der Zunahme an Indikationen für eine Antikoagulation sind auch die Anforderungen an diese Therapieform stetig gestiegen – darunter beispielsweise der Wunsch nach größerer therapeutischer Breite oder dem Vermeiden einer HIT II bei unfraktioniertem Heparin (UFH). Zudem besteht ein Bedarf an oralen Antikoagulanzien mit besser steuerbarem Wirkungseintritt und -ende.

Die genannten Anforderungen führten in den Jahren 1990 bis 2000 zur gezielten Entwicklung neuer Antikoagulanzien. Dies umfasste u. a. das Hirudin und die Etablierung des Fondaparinux als synthetisches Pentasaccharid und schließlich die direkten oralen Antikoagulanzien (DOAKs) mit einem jeweils klaren Zielmolekül, z. B. dem Faktor Xa oder dem Faktor IIa [1].

Monitoring

Die DOAKs zeichnen sich durch Eigenschaften wie eine größere therapeutische Breite (kein regelmäßiges Labormonitoring mehr nötig) und eine kurze Halbwertszeit aus. Auch wenn es dadurch normalerweise nicht notwendig ist, die Konzentration der DOAKs regelmäßig zu monitoren, gibt es klinische Situationen, in denen eine Messung doch erforderlich ist. Dies gilt insbesondere für die Restspiegelbestimmung zur Blutungsabschätzung vor operativen (Notfall-)Eingriffen oder vor einer Thrombolyse bei Apoplexbehandlung. Zudem wird z. B. bei großen Blutungsereignissen, bei Leber- oder Niereneinschränkung und bei Adipositas oder Magersucht zur Messung geraten [2]. Auch nach bariatrischen Eingriffen kann eine Spiegelbestimmung angebracht sein [2]. Zudem gibt es mittlerweile eine Vielzahl an weiteren Indikationen für den Einsatz der DOAKs. Dies gilt z. B. für Patientinnen und Patienten mit tumorbedingten Thrombosen [4] oder auch bei Kindern [5].

Eine Empfehlung zum regelmäßigen Monitoring findet sich in immer mehr Leitlinien wieder, z. B. in der aktuellen ACC/AHA/ACCP/HRS-Leitlinie zum Management von Patientinnen und Patienten mit Vorhofflimmern [6]. Dies wird u. a. bei Personen mit Leber- oder Nierenerkrankungen und bei Personen mit einer vermehrten Blutungsneigung angeraten.

Auch die Gabe eines Antidots hängt vom Restspiegel des DOAK ab. Hier wird je nach Fragestellung eine Medikamentenkonzentration von > 30 ng/mL oder > 50 ng/mL als Kriterium genannt. Ebenfalls gilt die Empfehlung bei der Durchführung von bestimmten chirurgischen Eingriffen oder einer Lyse bei einem Restspiegel von < 30 ng/mL oder < 50 ng/mL.

Analytik

Prinzipiell ist es unstrittig, dass die Methoden der Wahl zur Bestimmung der Konzentration der DOAKs im Blut die spezifischen Tests sind. Allerdings ist die schnelle Verfügbarkeit der Tests nicht immer gewährleistet. Daher gibt es immer wieder alte und neue Ideen bezüglich 
alternativer Analysen. 

Massenspektrometrie

Goldstandard bis heute ist die Bestimmung der einzelnen DOAKs mittels Massenspektrometrie, mit der auch bei fehlendem Wissen um das verwendete DOAK eine eindeutige Aussage möglich ist. Kuhn et al. konnten zeigen, dass mit einer Messung alle DOAKs parallel bestimmt werden können [7]. Diese massenspektrometrische Analytik ist allerdings nicht routinetauglich. 

Anti-Xa- und Anti-IIa-Assays

Mittlerweile gibt es für alle DOAKs spezifische Tests, die von verschiedenen Firmen für verschiedene Gerinnungsanalyzer angeboten werden. Diese Tests basieren für die FXa-inhibierenden DOAKs auf den entsprechend kalibrierten Anti-Xa-Assays und sind äquivalent zur o. g. Goldstandardmethode. Ebenfalls korrelieren die häufig verwendeten chromogenen Anti-IIa-Assays für die Bestimmung des Dabigatrans mit der massenspektrometrischen Messung. 

Auch die Messung aller anti-Xa-wirksamen DOAKs mittels ausschließlich einer Kalibration wurde in verschiedenen Studien getestet. Dabei wird insbesondere die Kalibration des Anti-Xa-Assays für das niedermolekulare Heparin verwendet. Für die Verwendung eines definierten Tests auf einem definierten Analyzer bietet diese Technik gute Hinweise auf eine Über- oder Unterschreitung der Zielkonzentrationen von < 30 ng/mL oder < 50 ng/mL je nach eingenommenem DOAK [8]. Allerdings kann dieses Vorgehen die spezifische Bestimmung der DOAK-Konzentration nicht ersetzen.

Globaltests

Die klassischen Globaltests der Gerinnungsuntersuchung wie Quick und PTT sind zum Ausschluss einer relevanten Konzentration der DOAKs nicht geeignet. Die Empfindlichkeit für eine Restkonzentration von DOAKs im Plasma ist dabei abhängig vom jeweiligen Testsystem, dem Reagenz und anderen Variablen in der Plasmaprobe. Zudem können die Ergebnisse dieser Tests in kritisch kranken Personen durch eine Vielzahl an weiteren Faktoren beeinflusst werden, z. B. bei einer Leberdysfunktion, einer disseminierten intravasalen Gerinnung (DIC) oder auch im Zusammenhang mit präanalytischen Faktoren. Es besteht daher keine gesicherte Korrelation zwischen dem Ergebnis der Globaltests und der DOAK-Konzentration [9].

INR, PTT und ACT am POC

Die Verwendung etablierter POCT-Systeme für INR, PTT und ACT könnte unter Umständen einen Beitrag zur Bestimmung einer DOAK-Konzentration von > 30 ng/mL oder > 50 ng/mL in einer Entscheidungssituation (z. B. mögliche Lysetherapie bei einem Schlaganfall) leisten. So findet sich bei einer POCT-gestützten INR-Bestimmung bei ca. 20 % der Personen mit einer INR von > 1,1 (als angenommener Entscheidungsgrenze) ein Rivaroxaban-Spiegel < 30 ng/mL. Diesen Patientinnen und Patienten würde dann eine Lysetherapie vorenthalten werden. Auf der anderen Seite findet man bei einer INR von < 1,0 auch noch ca. 20 % der Patientinnen und Patienten mit einer Rivaroxaban-Konzentration zwischen 30 und 100 ng/mL. Diese Personen hätten möglichweise bei einer Lyse ein erhöhtes Blutungsrisiko. Ähnliche Ergebnisse findet man auch für Edoxaban und Dabigatran mit einer besseren Spezifität. Für die Bestimmung einer Restkonzentration an Apixaban ist diese Methode nicht aussagekräftig [10, 11]. In der Gesamtschau ist der Einsatz solcher Systeme zum Ausschluss eines relevanten DOAK-Spiegels aus Sicht des Autors und der Autorin nur eingeschränkt sinnvoll. 

Urinstick

Ähnliche Daten mit einem hohen Anteil an falsch-positiven Ergebnissen an diesem Entscheidungspunkt wurden auch bei der Verwendung eines Urintests gezeigt (siehe z. B. [12]). 

Viskoelastische Tests

Der Einsatz viskoelastischer Analysen zum Nachweis von DOAKs zeigt für die üblichen Testverfahren die gleichen Limitierungen wie die Globaltests der Gerinnung. Einen möglichen Ansatz zum besseren Nachweis einer relevanten DOAK-Konzentration (FXa-inhibierend) stellt bei einem der Anbieter der Einsatz eines Russel’s Viper Venom(RVV)-Tests dar. Allerdings wurde dieses Verfahren bis heute noch nicht weiterentwickelt und steht somit aktuell für den Einsatz in der Laborroutine nicht zur Verfügung [13, 14].

Fazit

Zusammenfassend bietet unserer Meinung nach keines der derzeit verfügbaren POCT-Systeme eine hinreichende diagnostische Sicherheit, um auf Grundlage des aktuell diskutierten Cut-off von 30 ng/mL (bzw. 50 ng/mL) eine klinisch und rechtlich abgesicherte Entscheidung zu treffen.

Die Entwicklung spezifischer Antidots wie Idarucizumab oder Andexanet alfa sowie deren weitere Charakterisierung ist für Personen, die DOAKs einnehmen, unerlässlich. Für die Messung der DOAKs unter Andexanet alfa gibt es bis heute keinen zertifizierten und validen Test [15].

Bei aller Diskussion um die beste Messmethode sollte nicht vergessen werden, dass es bis dato keine etablierten Grenzwerte gibt, um z. B. einen klinisch signifikanten Effekt auszuschließen oder zuverlässig vorherzusagen. Auch das Vorhandensein von therapeutischen Bereichen sucht man vergebens. Diesbezüglich durchgeführte solide Studien fehlen bis heute und sollten eigentlich verstärkt gefordert werden.   

Autoren
Dipl.-Chem. Dr. Thomas Eller MHA
Akademie für Gesundheitsberufe der Mühlenkreiskliniken, Minden
Prof. Dr. rer. nat. Dr. med. Ingvild Birschmann
Leitung Hämostaseologie am Herz- und Diabeteszentrum Nordrhein-Westfalen HDZ