Workflow der Nukleinsäuretestung: Zwei in Eins

Wir leben in einer seltsamen Zeit, in der uns die Corona-Pandemie gelehrt hat, dass der berühmte Sack Reis, der in China umfällt, durchaus auch in Deutschland Auswirkungen haben kann. Diese sind noch längst nicht verarbeitet, da kommt als nächste Hürde ein Krieg in Europa hinzu, der endgültig für eine Verknappung von Rohmaterialien sorgt. Die gegenwärtige Situation lässt auch die In-vitro-Dia­gnostika-Industrie nicht unbeeinflusst. Auch einige Firmen, die molekularbiologische Nachweissys­teme und Assays zur Verfügung stellen, sind davon betroffen. Die Tendenz zu kompakten integrierten Vollautomaten ist schon allein wegen des Bedarfs an PCR-Nachweisen des SARS-CoV-2-Virus stark gestiegen. Trotzdem oder gerade deshalb wird es Zeit, einen Schritt zurückzutreten und die beiden Teilprozesse des Nukleinsäurenachweises wieder einmal getrennt voneinander zu betrachten.

Die Probenvorbereitung für den Nachweis von Nukleinsäuren besteht aus der Isolierung und Aufreinigung der Ziel-Nukleinsäuren aus den unterschiedlichsten Probenmaterialien. Nach dem Aufbruch von Zellen oder der Entfernung von Lipoproteinhüllen gilt es, den Zelldebris und andere den nachfolgenden Amplifikations­prozess störende Fremdstoffe zu entfernen und die Nuklein­säuren aufzureinigen, bevor der zweite Prozessschritt, die Amplifikation und Detektion der Ziel-Nukleinsäuren, ablaufen kann. Diese beiden sehr unterschiedlichen Prozessschritte werden hier getrennt von­einander in zwei verschiedenen Tabellen dargestellt. Denn zwei getrennte Workflows haben den Vorteil, dass man schneller auf veränderte Bedingungen wie das Auftreten von Varianten bei Bakterien- und Virusarten reagieren kann, dass man einen Teil der isolierten Nukleinsäure abzweigen und parallel in weiteren, selbstentwickelten Tests (LDT) einsetzen oder ggf. auch für Nachuntersuchungen asservieren kann.

Isolierung und Aufreinigung

Die Tabelle der Automaten zur Nukleinsäureaufreinigung enthält drei ganz unterschiedliche Geräte, die modular in Kombination mit einem oder mehreren PCR-Cyclern inklusive Detektor den gesamten Workflow des Nukleinsäurenachweises bilden. Zum Aufschluss von Zellen oder Protein- bzw. Lipoproteinhüllen werden unterschiedliche, auf den nachzuweisenden Krankheitserreger und auf das Probenmaterial abgestimmte Methoden angewendet. Dazu gehören physikalische oder chemische Verfahren, die in der Tabelle aufgeführt sind. Der chemische Aufschluss kann mit Enzymen oder chaotropen Salzen – also solchen Substanzen, die geordnete Wasser­stoffbrückenbindungen im Wasser stören – unterstützt durch Wärme erfolgen (vgl. Zeile „Prinzipien der Zelllyse“ in der Rubrik „Prozessbeschreibung“).

Zur eigentlichen Nukleinsäureisolierung hat sich der Einsatz von magnetischen oder paramagnetischen Partikeln bewährt. Das Ergebnis dieser Prozedur ist ein Eluat, das die Nukleinsäuren enthält. Dieses Eluat wird entweder im Gerät zum Assay-Setup vorbereitet oder beispielsweise an einen Liquidhandler übergeben. Details dazu und die wichtigen Strategien zur Vermeidung von Verschleppungen finden Sie ebenfalls in der Rubrik Prozessbeschreibung.

Fertige Assay-Kits gibt es auch für die Nukleinsäureaufreinigung. Sie bestehen aus vorbefüllten Kartuschen, die nahezu alle benötigten Materialien in hochreiner Form enthalten, z. B. nukleasefreies Wasser oder je nach Assay Proteinase K und RNase.

 

Amplifikation und Detektion

Zwei der Geräte zur Nukleinsäureaufreinigung bilden einen modularen Workflow mit einem oder mehreren Thermocyclern. Grundsätzlich geht es im zweiten Prozess­schritt um die Amplifikation von Ziel­sequenzen und um die Detektion von Fluoreszenzen. Es gibt auch die Möglichkeit, die Amplifikationsprodukte nach einer Endpunkt-PCR zu bestimmen. Der Vorteil dabei ist, dass die Reaktion zum Zeitpunkt der Detektion abgeschlossen ist. Es werden keine ct-Werte bestimmt. Dafür können aber bis zu 50 Targets pro Reaktionsansatz ausgewertet werden.

Zu guter Letzt

Was verbindet die In-vitro-Diagnostika-Industrie mit der Automobilindustrie? Dort werden Bauteile von Zulieferfirmen mit bewährten, zuverlässigen Produkten von verschiedenen Herstellern eingesetzt. Das gilt auch für manche Anbieter von Systemen für die Molekularbio­logie. Sie verwenden teilweise die gleichen Gerätebauteile, geben den Systemen aber dann ein eigenes Design, nutzen ihre individuell entwickelten Primer und Sonden, ihre selbst entwickelte Software und dürfen dann unter ihrem eigenen Label firmieren. Das ist kein Nachteil, denn die Individualität entsteht ja letztendlich durch die genannten Weiterentwicklungen.

Dr. Gabriele Egert
Mitglied der Redaktion 
Prof. Dr. Udo Reischl
Mitglied im Fachbeirat