Für die Erhaltung der Integrität des Organismus spielt das Immunsystem mit seinen angeborenen und erworbenen Mechanismen eine zentrale Rolle. Zur Erfassung von spezifischen Immunantworten sind im medizinischen Labor vor allem Antikörpernachweise fester Bestandteil der Diagnostik. Immunglobuline können typischerweise stabil im Serum nachgewiesen und mit gut etablierten Immunoassays routinetauglich erfasst werden. Bei vielen Infektionen, aber auch bei Autoimmunerkrankungen, Allergien oder Immundefekten ist die Bestimmung von spezifischen Antikörpern oder von Immunglobulinklassen ein wesentliches Element des diagnostischen Prozesses.
Die Untersuchung der zellulären Elemente des Immunsystems birgt für die medizinische Routine viele Herausforderungen. Meist müssen die Untersuchungen an frischem Blut durchgeführt werden, was hohe Anforderungen an Präanalytik und an die Analytik selbst stellt. Unterscheiden lassen sich Untersuchungen, bei denen Zellpopulationen quantifiziert und Aussagen über ihren Differenzierungs- und Aktivierungszustand getroffen werden können, und funktionelle Tests, die beispielsweise zelluläre Immunantworten analysieren. Die Quantifizierung und Charakterisierung von Zellpopulationen erfolgt in der Regel durch eine Immunphänotypisierung mittels Durchflusszytometrie [1, 2].
Funktionelle Untersuchungen sind so aufgebaut, dass die Zellen im Vollblut oder nach Isolation mit geeigneten Stimulatoren inkubiert und so aktiviert werden. Die Folgen dieser zellulären Aktivierung lassen sich dann nachweisen, und zwar entweder als totale Antwort der eingesetzten Zellprobe (engl. bulk assay) oder auf dem Niveau von Einzelzellen. Beispiele für Bulk Assays sind beispielsweise die Freisetzung von Zytokinen oder der Nachweis einer Zellproliferation. Solche Testverfahren sind technisch wenig komplex – vorausgesetzt das Labor verfügt über die Logistik für die Einhaltung der Präanalytik sowie die notwendige Ausrüstung und Erfahrung im Umgang mit zellulären Proben. Dies limitiert die Etablierung solcher Methoden auf wenige spezialisierte Labore.
Untersuchungen auf Einzelzellniveau können Phänotypisierung und funktionelle Testung kombinieren und erlauben daher sehr viel spezifischere Aussagen über die Antwort bestimmter Zellpopulationen. Eine solche Analysentiefe kann unter bestimmten Umständen notwendig sein, um protektive Immunantworten zu detektieren, wie in verschiedenen Studien gezeigt werden konnte [3]. Aktuell sind solche Verfahren wegen ihrer Komplexität eher der Forschung vorbehalten. Mit der stürmischen Verbreitung von Vielfarb-Durchflusszytometern werden sie aber auch in die Routinediagnostik Einzug halten.
Wir konzentrieren uns im Folgenden auf funktionelle Untersuchungen, die in der Routinediagnostik verwendet werden.
Reaktivität von T-Zellen
Stimulation durch Mitogene
Seit Langem etabliert und immer noch weit verbreitet sind Tests, die auf der Messung eingebauter radioaktiv markierter Substanzen basieren. Ein prominentes Beispiel ist der Lymphozytentransformationstest (LTT), ein basaler Test für die Untersuchung der Stimulierbarkeit von Zellen zur Proliferation. Die Zellen werden dazu über eine Dichtegradientenzentrifugation getrennt und typischerweise für drei Tage mit Mitogenen stimuliert. Mitogene sind polyklonale Aktivatoren, die bevorzugt T-Zellen (z. B. Concanavalin A oder Phytohämagglutinin) oder B- und T-Zellen (Pokeweed-Mitogen) aktivieren. Nach der Inkubation werden die Zellen einfach gezählt oder aber sich teilende Zellen markiert. Klassischerweise erfolgt die Markierung über den Einbau von 3H-markiertem Thymidin in die DNA. Aufgrund der hohen regulatorischen Anforderungen im Umgang mit Radioaktivität und der stetig steigenden Entsorgungskosten sind radioaktiv basierte Funktionstests aus heutiger Sicht für viele Labore nicht mehr sinnvoll und werden durch andere Verfahren abgelöst.
Mittlerweile sehr gut etablierte Alternativen sind beispielsweise die Verwendung nicht-radioaktiver Nukleotidanaloga wie Bromodexyuridin, Ethynyldeoxyuridin, Farbstoffe wie VPD450 (Violet Proliferation Dye 450) und CFSE (Carboxyfluorescein-Succinimidyl-Ester) oder der Nachweis einer verstärkten Stoffwechselaktivität (zum Beispiel mittels 3-(4,5-Dimethylthiazol-2-yl)-2,5-diphenyltetrazoliumbromid (MTT)). Besonders vorteilhaft gegenüber den radioaktiven Methoden sind der Wegfall der strengen Regularien (Personalschulung, entkoppelte Laborräume, radioaktiver Müll), der Ansatz als einfacher durchflusszytometrischer Funktionsassay, und die Auswertung von gut sichtbaren Zellwolken oder Peaks sich teilender Zellen. Bei Verwendung interkalierender Farbstoffe kommt allerdings deren genotoxisches Potenzial hinzu.
Eingesetzt werden solche Mitogen-LTTs vorwiegend in der Diagnostik primärer Immundefekte, um eine generelle Orientierung über die Stimulierbarkeit der Lymphozyten zu erhalten. Sie sind daher auch Bestandteil der entsprechenden Klassifikationskriterien.
Antigen-spezifische T-Zell-Antwort
Grundsätzlich eignet sich der LTT aber auch zum Nachweis einer Antigen-spezifischen T-Zell-Antwort im Bereich der Typ-IV-Sensibilisierung. Der Nachweis solcher Antworten ist klinisch relevant bei der Abklärung von nicht-IgE-vermittelten allergischen Reaktionen. Diese sind beispielsweise die weit verbreiteten Allergien gegen Nickel und andere Metalle, aber auch die Sensibilisierungen gegenüber Acrylaten, die unter anderem in Pflastern und Kunststoffen vorkommen.
Erreger-spezifische T-Zell-Antwort
Ein weiteres Einsatzgebiet der Untersuchung der T-Zell-Reaktivität ist der Nachweis von erregerspezifischen Immunantworten. Prominentestes Beispiel ist hier der Nachweis einer zellulären Immunität nach Kontakt mit Mycobacterium tuberculosis mittels Enzyme Linked Immuno Spot Assay (ELISpot), dessen Readout allerdings nicht auf der Proliferation der spezifischen T-Zellen, sondern auf dem Nachweis einer Interferon(IFN)-gamma-Freisetzung beruht. Dabei werden die isolierten Zellen in einer beschichteten Mikrotiterplatte inkubiert und die Anzahl der reagierenden Zellen wird über den Nachweis sezernierter Produkte (Immunglobulin, Zytokine) als Spot in der Zellumgebung nachgewiesen.
Aktuell zeichnet sich ab, dass dies auch bei Cytomegalovirus (CMV) und SARS-CoV-2 [4] eine gewisse Bedeutung erlangen könnte. Bei ausreichend robusten Tests und wenn die exakte Differenzierung der aktivierten Zellen nicht erforderlich ist, ist der ELISpot eine sinnvolle, routinetaugliche und gut etablierte Methode (Abb. 1).