Variable Immundefekte stellen ein sehr heterogenes Krankheitsbild dar, und zwar sowohl bezüglich ihrer Ursachen als auch der immunologischen und klinischen Präsentation. Sie zeichnen sich durch eine Differenzierungsstörung der B-Lymphozyten und einen damit einhergehenden Antikörpermangel aus. Klinisch treten vorwiegend bakterielle Infekte der Atemwege und eine Reihe nicht infektiös bedingter Komplikationen auf. Die Diagnose erfolgt durch den Ausschluss anderer Erkrankungen und eine vorwiegend klinisch-immunologische Diagnostik.
Schlüsselwörter: primäre Immundefizienz, variabler Immundefekt, CVID, Immunphänotypisierung
Die Infektanfälligkeit ist ein im klinischen Alltag häufiges Symptom mit vielfältigen Ursachen. Angeborene (primäre) Immundefekte stellen bei der Abklärung eine seltene, aber wichtige Differenzialdiagnose dar. Variable Immundefekte (engl. Common Variable Immunodeficiency Disorders, CVID) sind die häufigsten primären Immundefekte im Erwachsenenalter.
CVID definiert – als Ausschlussdiagnose – eine sehr heterogene Gruppe von angeborenen Antikörpermangelsyndromen. Eine Auswahl von Differenzialdiagnosen finden Sie auf Seite 157. Die 1999 von den Europäischen (ESID) und panamerikanischen Gesellschaften (PAGID) für Immundefekte veröffentlichten diagnostischen Kriterien für CVID wurden kürzlich mehrfach überarbeitet, um den Fortschritten bei der Aufklärung der primären Immundefekte (aktuell > 300 bekannte Gendefekte) allgemein sowie der Pathophysiologie, Immunologie und Klinik der CVID gerecht zu werden. In diesem Zusammenhang wurde auch empfohlen, die ursprüngliche englische Beschreibung für das Akronym von „Common Variable ImmunoDeficiency“ durch „Common Variable Immunodeficiency Disorders“ zu ersetzen, um zu unterstreichen, dass es sich um eine Vielzahl unterschiedlicher Krankheitsbilder handelt. Nach der aktuellen ICON-Definition (International Consensus Document) der CVID müssen für deren Diagnose die im Kasten gelisteten Kriterien erfüllt sein [1].
Die 2014 veröffentlichten CVID-Diagnosekriterien der ESID [2] umfassen neben den in ICON enthaltenen Kriterien auch eine umfangreichere Diagnostik zum Ausschluss einer begleitenden T-Zell-Störung und beziehen den Mangel an Gedächtnis-B-Zellen als einen wichtigen Leitbefund mit ein. Die Diagnose von CVID erfordert aber primär den Ausschluss anderer Ursachen einer Hypogammaglobulinämie, wie z. B. das Vorliegen von Lymphomen, Eiweißverlust, Nebenwirkungen von Medikamenten, bestimmte Infektionen und andere primäre Immundefekte (s. S. 157).
Die Prävalenz der CVID wird auf 1 : 100.000 bis 1 : 10.000 geschätzt [1]. Nur bei etwa 5 bis 15% der betroffenen Patienten findet sich eine positive Familienanamnese. CVID können sich in jedem Lebensalter manifestieren, am häufigsten zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr. Die Diagnose sollte nicht vor dem vierten Lebensjahr gestellt werden, da im frühen Kindesalter die Abgrenzung zu anderen (Immundefekt)-Erkrankungen schwierig ist [1].