Laubenvögel

Editorial

Die Themenzusammenstellung für die Herbstausgabe von Trillium Diagnostik gleicht jedes Jahr einem großen Puzzle, denn im Herbst konzentrieren sich die Fachkongresse, auf denen diese Zeitschrift ausliegt. Natürlich ist es unser Ehrgeiz, dort allen Teilnehmern etwas zu bieten, Laborärzten (DGKL und BDL), Trans­fusionsmedizinern (DGTI), Molekular­pathologen (DGP) – und nicht zu vergessen den Besuchern der MEDICA: Nach mehrjähriger Pause will die Messe Düsseldorf ihr internationales Publikum endlich wieder vier Tage lang gezielt mit aktuellen Themen rund um die Labor­diagnostik ansprechen (siehe nächste Seite).

Wir hoffen, dass es uns gelungen ist, das Puzzle innovativer Themen zu einem schlüssigen Bild zusammenzufügen – vom fetalen Rhesusstatus, den man heute risikolos aus dem Blut der Schwangeren bestimmen kann, über die Entwicklung des kindlichen Mikrobioms bis zu den (womöglich gar nicht so) freien Nukleinsäuren im Serum von Sportlern und Krebskranken.

Eines wurde beim Sortieren der vielfältigen Themen für diese Ausgabe wieder sehr klar: Nicht nur dieses Herbstheft, sondern die gesamte medizinische Diagnostik ist wie ein Puzzle vielgestaltiger, bunter Steinchen, die keiner durchgängigen Logik folgen.

Die Jahres­tagung der DGKL in Oldenburg steht unter dem Motto „Von OMICS und Big Data zur Grundversorgung" und stellt damit die entscheidende Frage: Was bringt es dem in der Grundversorgung tätigen (Labor-) Arzt, wenn neue Technologien und wissenschaftliche Erkenntnisse die Menge der Puzzleteile ins Unermessliche wachsen lassen? Und wie können Computer helfen, im scheinbaren Chaos ein schlüssiges Bild zu erkennen?

Zufälligerweise bietet sich in Oldenburg ein zweiter, recht origineller Bezug zum Tagungsthema an: Das dortige Landesmuseum „Natur und Mensch" veranstaltet Führungen durch die Welt der Laubenvögel, einer höchst ungewöhnlichen Sperlings­familie, deren Männchen den Balzplatz als überdachte Laube gestalten. Den Eingang schmücken sie mit Hölzchen, Blüten und bunten Steinen dergestalt, dass sich aus zusammenpassenden Teilen stimmige Muster ergeben. Ornithologen werten diese Fähigkeit als Zeichen besonderer Intelligenz – und die Laubenvogelweibchen offenbar auch: Sie paaren sich nur mit Männchen, die es schaffen, die Puzzleteile zu einem schlüssigen Bild zusammenzufügen.

Auf S. 161–163 zeigen wir am Beispiel des ganz alltäglichen Kumulativ­befunds, wie Algorithmen aus der Bioinformatik dazu beitragen, die bereits heute von der Labormedizin produzierte Datenflut so aufzubereiten, dass der Befundempfänger sie auf einen Blick erfassen und deuten kann. Die Leistung des Computers besteht dabei vor allem darin, die Zahlenwerte mit Farben zu hinterlegen. So unterstützt er den Arzt, im scheinbar wirren Zahlensalat Muster zu erkennen und daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen.

Diese Fähigkeit ist ein Zeichen besonderer Intelligenz – bei Menschen und bei Laubenvögeln.

Prof. Dr. Georg Hoffmann
Herausgeber