Vergessene Genotypen

Kommentar

Seit Kurzem kann die Hepatitis C effektiv therapiert werden – zweifellos ein Meilenstein in der Hepatologie. Die Zulassungsstudien für neue Therapeutika bezogen sich jedoch in erster Linie auf die in den westlichen Ländern vorherrschenden HCV-Genotypen 1 bis 3. Für die verbleibenden Genotypen 4 bis 6 findet man nur jeweils ein bis maximal drei Studien, obwohl von diesen Virustypen weltweit etwa jeder fünfte Erkrankte betroffen ist. In Zentralafrika herrscht z. B. Typ 4, in Südafrika 5a und in Südost­asien Typ 6 vor.
Vor dem Hintergrund einer verstärkten Migration betrifft uns diese Herausforderung in Deutschland durchaus. So geht das epidemiologische Jahrbuch 2015 des RKI davon aus, dass sich unter den Zuwanderern (zum Beispiel aus Afrika, Syrien oder Afghanistan) ein hoher Prozentsatz von HCV-Erkrankten befindet, von denen bislang Herkunftsland und Migrationsstatus nicht erfasst werden. Hier tickt eine Zeitbombe, denn die Verbreitung der HCV-Infektion speist sich ja aus dem großen Pool unentdeckter Träger ohne assoziierte Beschwerden.
In eigenen Untersuchungen an einem Krankenhauskollektiv fanden wir unter allen Neuaufnahmen mit einer GPT über 50 U/l überraschenderweise 4% Anti-HCV-Träger. Auf rund 20 Mio. Krankenhausaufnahmen in Deutschland hochgerechnet könnten also durch ein gezieltes Screening bis zu 100.000 zusätzliche Erstdiagnosen pro Jahr gestellt werden. Dies würde das von der WHO ausgerufene Ziel, die Hepatitis C auszurotten, effektiv unterstützen und zugleich die „vergessenen Genotypen“ in Deutschland unter schärfere Kontrolle stellen.


Priv.-Doz. Dr. med. Andreas Ambrosch
Mitglied der Redaktion