Die Begleitdiagnostiker

Editorial

Prof. Poul Sorensen, Pathologe an der Universität Vancouver, Kanada, richtet in dieser Ausgabe einen Appell an seine deutschen Kollegen: Sie mögen sich doch in ihrer täglichen Arbeit nicht ausschließlich auf die Begleitdiagnostik für innovative Krebs­therapien fokussieren, sondern auch eigene Forschungskapazitäten aufbauen, um ihr Fach angesichts der vielen neuen Technologien im Umfeld der Companion Diagnostics wissenschaftlich weiterzuentwickeln. 

Da Trillium Diagnostik ja auch von vielen Kollegen anderer diagnostischer Disziplinen, insbesondere aus der Labormedizin und Mikro­biologie, gelesen wird, erreicht dieser Aufruf zusätzlich einige tausend weitere Ärzte und Naturwissenschaftler, die womöglich ebenfalls bereits zu reinen „Begleitdiagnostikern“ geworden sind. Sie können zwar stolz sein, in Deutschland ein extrem effizientes und kostengünstiges Dia­gnostiksystem aufgebaut zu haben: Nirgendwo sonst auf der Welt bekommt man so hohe Qualität zu so niedrigen Preisen. Aber ist die Labormedizin auch noch – wie in der Zeit von etwa 1960 bis 1990 – führend bei der Entwicklung neuer diagnostischer Verfahren? Oder ist sie inzwischen so effizient und sparsam geworden, dass sie sich ihre eigene Zukunftsentwicklung nicht mehr leisten kann? 

Unsere Beiträge zur Adipositas auf den Seiten 163–167 legen den Schluss nahe,  dass an dieser Befürchtung etwas dran sein könnte. Adipositas fordert alle diagnostischen Disziplinen heraus: Der Radiologe kann das viszerale Fettvolumen quantifizieren, der Humangenetiker die familiäre Prädisposition bewerten und der Laborarzt endokrinologische und inflammatorische Signalwege abklären. Doch was passiert in der klinischen Realität?

Goldstandard der Adipositasdiagnostik ist der aus dem Jahr 1832 (!) stammende Body Mass Index. Und die deutschen Krankenkassen erkennen die Adipositas gleich gar nicht erst als Krankheit an – im Widerspruch zur WHO.  Da müssen wir uns als Diagnostiker allerdings an die eigene Nase fassen, denn wir haben in den letzten Jahrzehnten nicht viel zur dringend  benötigten Krankheitsdefinition der Adipositas beigetragen – außer dass wir die billigsten Cholesterinbestimmungen der Welt anbieten.

Es ist an der Zeit, sich im Sinne von Poul Sorensens Appell wieder mit eigener Expertise und spezifisch diagnostischer Forschung in die Leitlinienarbeit der klinischen Fächer einzubringen (S. 164). Anregungen finden sich in dieser Ausgabe wieder reichlich, zum Beispiel auch in einem Aufruf von Prof. Karl Hahn vom Fraunhofer MEVIS-Institut, dass Ärzte Kompetenzen in Künstlicher Intelligenz erwerben sollen, um komplexe Diagnostik durch maschinelles Lernen zu unterstützen (S. 206).

Wir müssen es schaffen, eines Tages nicht mehr die billigsten Begleitdiagnostiker, sondern die innovativsten und kompetentesten Diagnostiker zu sein. Dann werden auch wieder genügend finanzielle Mittel und Kapazitäten vorhanden sein, um die Medizin in unserem ureigensten Interesse mitzugestalten.