Diagnostische Bedeutung
Die neue NGS-Analytik zeigt, dass bestimmte bakterielle Virulenzfaktoren, die im Sulcus gingivalis freigesetzt werden, tatsächlich als Biomarker für die Frühdiagnose und Verlaufskontrolle der Parodontitis genutzt werden können. Zu klären bleibt aber immer auch die Frage: Ist der Aufwand für die Bestimmung solcher Biomarker in der Routinediagnostik vertretbar?  
Derzeit kostet eine Analyse des Metatranskriptoms etwa tausend Euro und benötigt rund zehn Tagen inklusive bioinformatischer Auswertung. Wegen dieses noch immer recht hohen Aufwands behalten die bisher durchgeführten Markerbakterien-Tests deshalb weiterhin ihre Bedeutung als valide Instrumente zur Diagnose und Therapiekontrolle der Parodontitis.
Zusätzlich kristallisieren sich durch die Transkriptom-Analytik allerdings neue Biomarker im Sulcus gingivalis heraus, die einen hohen positiv prädiktiven Wert für Parodontitis aufweisen. Neben den bereits genannten Gingipainen, Lipid A und Fimbrillin sind dies beispielsweise Hämin, Hämagglutinin, Eisen- und Häm-Transportproteine sowie Flagelline. Welche dieser Kandidaten letztlich für die Routinedia­gnostik der Zukunft sinnvoll sein werden, müssen prospektive klinische Studien zeigen.

Therapeutische Konsequenzen

Für den Moment erscheint gesichert, dass die Bestimmung von Markerbakterien mittels PCR ausreichend korrekte Aussagen in Bezug auf die Wahl des therapeutischen Vorgehens liefert, also zum Beispiel die Indikation zur Gabe von Antibiotika, Gewichtung von antientzündlichen und antiseptischen Maßnahmen, oder zur Festlegung der Recallfrequenz (d. h. in welchen Abständen dem Patienten Prophylaxe-Termine empfohlen werden sollten).
Oberstes Behandlungsziel ist eine gezielte Beeinflussung der Virulenzfaktoren bei möglichst geringer Einflussnahme auf die Zusammensetzung des Mikrobioms. Die traditionellen Methoden erfüllen diese Erfordernisse fast nie, denn mechanische Säuberung des Sulcus gingivalis und Glättung der Zahnwurzel (Scaling, Rootplaning), Antiseptika und Antibiotika beeinträchtigen immer die gesamte Mundflora. Man hofft zwar, dass die nicht-pathogene Flora weniger dezimiert wird und sich schneller wieder etabliert, doch diese Therapieoptionen bleiben spekulativ.
Unter bestimmten Umständen kann genau das Gegenteil eintreten, indem die pathogene Flora durch die therapeutischen Bemühungen einen Selektionsvorteil erhält[3]. Dies zeigte sich bereits 1990 in einer schwedischen Studie, bei der Patienten mit aggressiver Parodontitis nach den damaligen Regeln der zahnärztlichen Kunst mit mechanischen Mitteln behandelt wurden[4]. Die bakterio­logische Testung vorher/nachher ergab jedoch eine Vermehrung der gewebsinvasiven Bakterien bei rein mechanischer Therapie (hier: Aggregatibacter actinomycetemcomitans).
Therapien, die mehr der Logik aus den Erkenntnissen der Transkriptom-Analyse folgen, wären beispielsweise der Einsatz von Pathoblockern, die nicht gegen bestimmte Bakterienspezies gerichtet sind, sondern gezielt Virulenzfaktoren ausschalten. Substanzen, die langfristig und nebenwirkungsarm eine Kontrolle der subgingivalen Flora ermöglichen, sowie entzündungshemmende Wirkstoffe könnten in der Phase des sogenannten Patienten-Recalls, also während der dauernden Erhaltungstherapie, nützlich sein.  

Literatur