CRISPR/Cas9

Die Gen-Schere

„Krisperkaas 9“ ist keine bayerische Käsesorte, sondern die englische Aussprache von CRISPR-Cas9*, einem faszinierenden Werkzeug der Molekularbiologie, das seit seiner Erstbeschreibung im Jahr 2012[1] so viel Furore macht wie allenfalls die Polymerase-Kettenreaktion (PCR) in den 1980er-Jahren. Es handelt sich um ein Bakterienenzym, das Gensequenzen aus beliebigen Zellen herausschneiden kann. Dieses Genome Editing wird nicht nur in der Fachwelt, sondern unter dem Schlagwort „Designer Baby“ auch in der Öffentlichkeit intensiv diskutiert.
Techniken zur Genmanipulation gibt es schon seit über 30 Jahren, aber das Revolutionäre an CRISPR-Cas9 ist die geniale Einfachheit, mit der diese „Gen-Schere“ sogar von Laien eingesetzt werden kann, um Erbgut gezielt zu verändern. So bietet die Online-Plattform Indie­gogo einen CRISPR-Kit für 75 Dollar an, der Bakterien im Heimlabor zum Leuchten bringt (http://goo.gl/GPJkbZ).

Und so funktioniert es
Cas9 enthält (natürliche oder synthetische) RNA, die eine komplementäre  Zielsequenz des zu verändernden DNA-Doppelstrangs erkennt. Hat sie sich dort angeheftet, so zerschneidet das Enzym die DNA an der gewünschten Stelle. Durch Kombination von zwei Enzymen mit unterschiedlichen RNA-Sequenzen können sogar ganze Gene herausgetrennt oder durch Zugabe einer Donor-DNA neue Sequenzen eingefügt werden.
In der Natur wenden Bakterien diese Technik an, um Viren zu zerstören; im Rea­genzglas dient sie vor allem dazu, durch Knock-out-Experimente Genfunktionen aufzuklären. Aber auch für die Medizin zeichnen sich vielfältige Einsatzmöglichkeiten ab, bis hin zur – ethisch umstrittenen – Reparatur von Gendefekten in der Keimbahn.
Im März 2016 erzielte der CRISPR-Cas9-Pionier Kamel Khalil aus Philadelphia einen spektakulären Erfolg, indem er komplette HIV-1-Genome aus isolierten CD4+ T-Zellen von AIDS-Patienten herausschnitt. Die auf diese Weise von Viren befreiten Zellen können zurücktransfundiert werden und die Patienten womöglich heilen, da sie eine HIV-Immunität zu vermitteln scheinen.
Aus deutscher Sicht ist besonders interessant, dass die Technik am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig entwickelt wurde. Dort fand die Mikrobiologin Emmanuelle Charpentier heraus, wie das Enzym erkennt, wo es schneiden muss. Gemeinsam mit Jennifer Doudna aus Berkely, USA, erfand sie darauf aufbauend das erste funktionsfähige Werkzeug, um Bakterien-DNA gezielt zu manipulieren.

Bitterer Nachgeschmack
Rasch erkannten Forscherteams in aller Welt die enorme Bedeutung der Entdeckung für biotechnologische und medizinische Anwendungen und eröffneten das Rennen um lukrative Patente. 2013 gelang es dem Chemiker Feng Zhang vom MIT in Cambridge, USA, menschliches Erbgut mit CRISPR-Cas9 gezielt zu verändern – drei Wochen früher als es die beiden Entwicklerinnen der Methode publizieren konnten. Aufgrund dieses Vorsprungs wurde ihm 2014 das Patent für die Manipulation menschlicher Zellen zuerkannt, und seither tobt ein erbitterter Streit, wem welche Verwertungsrechte aufgrund welcher Erfindung zustehen.
Ein Trost bleibt Emmanuelle Charpentier immerhin: Im Oktober 2015 wurde sie als Direktorin ans renommierte Berliner Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie berufen. Und wer weiß: Vielleicht versüßt ihr ja eines Tages sogar der Nobelpreis den bitteren Nachgeschmack ihrer Erfindung.

[1] Jinek M et al. Science 2012; 337:816–21
[2] Kaminski R et al. Nature/Scientific Reports 2016. DOI: 10.1038/srep22555

* CRISPR = Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats, Cas9 = CRISPR-associated Protein 9

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