Order Entry

Ungenutzte Potentiale

Screenshot J. Aufenanger, Bildmontage Trillium

 

Die papierlose Leistungsanforderung gehört heute zum Standardrepertoire aller Laborinformationssysteme (LIS), aber die angebotenen technischen Möglichkeiten werden von den Anwendern noch längst nicht ausgeschöpft. Warum eigentlich?

Der Begriff Order Entry stammt aus der Welt des Online-Handels und steht für Bestellungen, die über ein EDV-System getä­tigt werden. In der Diagnostik ist er zum Terminus technicus für beleglose Labor­anforderungen geworden, gilt aber sinngemäß auch für Bestellungen bei der Apotheke und anderen Leistungserbringern.
Die Vorteile der papierlosen Datenübermittlung sind seit Langem bekannt: Order Entry vermindert Schreib- und Lesefehler bei Test- und Patientennamen, verringert den Zeitbedarf und die Personalbindung und hilft, überflüssige Tests (zum Beispiel Doppeluntersuchungen) zu vermeiden. Der größte Nutzen liegt aber in der 100 Prozent sicheren Rückübermittlung der Befunde, denn alle Daten, die von einem Computer  kommen, werden von diesem auch wieder akzeptiert und korrekt zugeordnet – selbst wenn zwischenzeitlich der Patient verlegt oder sein Name korrigiert wurde. Dadurch erhält der Arzt den Laborbefund ohne Verzögerungen, die Statistiken stimmen, und auch die Laborabrechnung ist gesichert.
Diese positiven Effekte summieren sich umso stärker, je umfangreicher das System ist. Heute verwaltet ein durchschnittliches LIS drei bis fünf Standorte, bedient einige hundert Arztpraxen bzw. gut hundert anfordernde Abteilungen pro Krankenhaus und verarbeitet über eine Million Aufträge pro Jahr. Da sollte man meinen, dass eine vollständig elektronische Auftragserteilung unabdingbare Voraussetzung für effizientesArbeiten ist.
Das stimmt aber leider nur partiell, denn im niedergelassenen Bereich, wo besonders viele Einsender zu versorgen sind, ist der Durchdringungsgrad mit papierlosen Anforderungssystemen noch gering. Das mag an der Vielfalt der Softwaresysteme in den Arztpraxen liegen, aber schwerer wiegt sicher die Problematik der Arztunterschrift: Ohne rechtsverbindliche elektronische Signatur besteht die kassenärztliche Vereinigung (KV) auf dem Abgleich der digitalen Daten mit dem unterschriebenen Schein – und im Zweifel gilt das „Papier“. Die Alternative besteht in einem Blankoformular auf KV-Spezialpapier, das vom Arztinformationssystem bedruckt wird; diese Information kann der Computer dann parallel auch online an das Labor senden.
Im Krankenhaus hat sich Order Entry für die Kommunikation mit dem klinikeigenen Labor nahezu flächendeckend durchgesetzt, während der Anschluss an ein Einsendelabor wegen der aufwendigeren Pflege von Stammdaten und Spezialuntersuchungen noch ausbaufähig ist. 
Im Erfolgsfall kommt man dem Bild vom Online-Handel sehr nahe: Order Entry ermöglicht die mobile, passwortgeschützte „Bestellung“ von Labortests mit Tablets, Smartphones oder – fast steinzeitlich – mit einem Laptop auf dem Visitenwagen.
Ein weiterer Fortschritt ist die immer einfachere Programmierung von Applikationen (Apps), die dem Anforderer den gesamten Leistungskatalog, das richtige Probengefäß, spezifische Abnahme- und Transportvorschriften oder auch die für die medizinische Fragestellung geeignetsten Testprofile anzeigen. Theoretisch kann man so den vom Online-Buchhandel gewohnten Service  ans Krankenbett oder in die Praxis holen: Der Arzt formuliert seine Frage (zum Beispiel unklares Fieber) und das OES schlägt diejenigen Tests für den „Warenkorb“ vor, die entsprechend den aktuellen Leitlinien und lokalen Gegebenheiten am sinnvollsten sind.
In der Praxis werden diese Potenziale allerdings bei Weitem noch nicht ausgeschöpft. Die Technik kann mehr, als die Menschen bereit sind zu nutzen. Das liegt teils  an mangelnden personellen und finanziellen Ressourcen für die Umsetzung, teils  aber wohl auch am Beharrungsvermögen menschlicher Organisationen. Fortschritt braucht eben seine Zeit.

 

Dr. rer. nat. Rainer Heidrich
Bioscientia Institut für Med. Diagnostik GmbH