Borreliose

Update Lyme-Borreliose: Früherkennung und Prävention

Zecken können über ihren Stechapparat Borrelien übertragen, die unterschiedlichste Krankheitsbilder – etwa im Nervensystem – hervorrufen. Dank eines neuen Biomarkers und eines innovativen Impfkonzepts ist mit einer verbesserten Diagnostik und möglicherweise auch Prävention zu rechnen.

Die Lyme-Borreliose ist die häufigste durch Zecken übertragene Erkrankung in der nördlichen Hemisphäre. Mindestens fünf unterschiedliche Genospezies sind in Europa als Verursacher dieser Erkrankung bekannt: Borrelia burgdorferi sensu stricto (s. s.), B. afzelii, B. garinii, B. bavariensis und B. spielmanii. Häufigste frühe Erkrankungsform ist das Erythema migrans (Wanderröte), das sich ringförmig und zentral wieder verblassend ausbreitet. Die Erkrankung lässt sich bei lehrbuchmäßigem Verlauf leicht diagnostizieren und mit Antibiotika gut behandeln.
Allerdings weicht die Realität häufig vom Lehrbuch ab: Die Zecke wird nicht entdeckt, der Patient kann sich beim Auftreten von Symptomen nicht mehr an den Zeckenstich erinnern, oder aber das Erythema migrans bleibt aus. Dann sind schwere Verläufe möglich, weil der Erreger genügend Zeit hat, sich im Körper auszubreiten. Eine dieser schweren Erkrankungsformen, die späte Neuroborreliose, geht mit einem bunten, oft unspezifischen Spektrum von Symptomen (Müdigkeit, Kopfschmerzen, Lähmungen,  Sehstörungen etc.) einher und ist sowohl diagnostisch als auch therapeutisch eine echte Herausforderung.

Neuroborreliose diagnostizieren
Die Diagnose der Neuroborreliose basiert in der Frühphase auf den klinischen Symptomen und wird durch eine Liquoruntersuchung erhärtet. Hier finden sich typischerweise eine Blut-Liquor-Schrankenstörung mit Vermehrung der Lymphozyten (Pleozytose), erhöhte Gesamteiweißwerte, eventuell oligoklonale Banden und eine Antikörperproduktion gegen Borrelien. Aber selbst ein erhöhter borrelienspezifischer Liquor/Serum Index ist nicht beweisend für eine Neuroborreliose; er kann nach einer überwundenen Borrelien-Infektion des Zentralnervensystems über Jahre erhöht bleiben.
Ein in Teilen überlegener Aktivitäts­parameter, der einerseits die akute Neuroborreliose sichert und andererseits den Erfolg einer antibiotischen Therapie anzeigt, könnte mit dem Chemokin CXCL13 gefunden sein (siehe Abbildung).  Die Bedeutung dieses Markers im Liquor wurde bereits 2007 mit dem Liquorpreis der DGLN gewürdigt; er wird sich voraussichtlich in den nächsten Jahren für die Diagnostik und Verlaufskontrolle etablieren, nicht zuletzt, weil die Werte unter erfolgreicher antibiotischer Therapie deutlich abnehmen.

 

Wenn Borrelien in den Liquorraum eindringen, schütten ortsständige Immunzellen große Mengen des Chemokins CXCL13 aus. Dieses veranlasst peri­phere B-Zellen, die Blut-Liquor-Schranke zu passieren und intrathekale Antikörper gegen Borrelien zu bilden. CXCL13 wird so zu einem Biomarker der Neuroborreliose.

Zeichenerklärung: Borrelien   Antikörper CXCL13-Moleküle  
Plasmazellen   Dendritische Zellen    B-Lymphozyten
Mikrogliazellen  Monozyten

 

Prävention durch Impfung
Mehrere Antigene kamen als Kandidaten für die Impfstoffentwicklung infrage, unter anderem die Oberflächenproteine OspA, OspB, OspC und Dbpa. In den USA wurde bereits 1998 ein Impfstoff eingeführt, der auf OspA von B. burgdorferi s. s. basierte (in Nordamerika kommt nur diese humanpathogene Borrelien-Spezies vor). Trotz guter Verträglichkeit und Schutzwirkung gegen alle Stämme von B. burgdorferi s. s. wurde der Impfstoff aber 2002 wegen schlechter Verkaufszahlen wieder zurückgezogen. Die Annahme, dass die Impfung Arthritiden auslösen könne, wurde widerlegt.
Borrelioseforscher – insbesondere aus Europa – setzen stark auf die Weiterentwicklung von OspA-basierten Impfstoffen, da diese ein völlig neues Prinzip realisieren: Der Erreger wird nicht im Körper des Wirts, sondern schon im Körper des Krankheitsüberträgers bekämpft. Im Lebens­zyklus der Borrelien dient OspA nämlich als Anker, um sich an einen Darmwandrezeptor der Zecke anzuheften. Wenn die Zecke mit ihrer Blutmahlzeit beginnt, müssen die Borrelien zunächst die antigenetische Ausstattung ihrer Oberflächenproteine an die neue Situation anpassen: OspA wird herunter-, OspC dagegen hochreguliert. Erst dann wandern die Borrelien vom Darm in die Speicheldrüsen der Zecke, von wo aus sie auf das Opfer übertragen werden. Durch eine OspA-basierte Impfung werden Antikörper erzeugt, welche die Borrelien bereits im Darm des Vektors attackieren; sie verhindern möglicherweise so deren Wanderung innerhalb der Zecke und damit auch die Übertragung auf das Opfer.

Die aktuelle Impfstudie
2013 wurden die Ergebnisse einer randomisierten Doppelblindstudie (Phase I/II) an 300 Teilnehmern veröffentlicht. Drei lipidierte, rekombinante OspA-Chimären, die für B. burgdorferi s. s., B. afzelii, B. garinii und B. bavariensis charakteris­tisch sind, wurden in Konzentrationen von 30, 60 und 90 µg Gesamtantigen mit und ohne Adjuvans (Aluminiumhydroxid) eingesetzt. Ein mit humanem lymphocyte function associated antigen 1 kreuz­reaktives Epitop in der Chimäre mit OspA Typ1, wurde vorsorglich ausgetauscht.
Die Probanden erhielten drei intramuskuläre Immunisierungen im Abstand von 28 Tagen, eine vierte nach 9–12 Monaten. Zum Ausschluss einer natürlichen Infektion wurde jeweils vor der Randomisierung und vor den Boosterungen ein spezifischer ELISA-Test durchgeführt. Gemessen wurden zum einen die Antikörper-Bindung an die verschiedenen OspA-Typen (ELISA) und zum anderen die Abtötung der Borrelien.

Einschränkungen
Speziell die adjuvantierte 30 µg Formulierung des Impfstoffs zeigte – bei einem geringen Nebenwirkungsprofil – eine gute Antikörperinduktion gegen die getesteten relevanten humanpathogenen Stämme.
Als problematisch einzuschätzen sind das ungewöhnliche Impfschema mit vier Immunisierungen und insbesondere die nicht vollständige Abdeckung der humanpathogenen Spezies B. garinii mit OspA-Typen 7–9, B. spielmanii sowie die asiatischen Genospezies von B. garinii und B. bavariensis, die weder im Impfstoff noch in den entsprechenden Assays auf Antikörperreaktivität berücksichtigt wurden. Insgesamt berechtigt diese Phase I/II-Studie allerdings zu der Hoffnung, dass in absehbarer Zeit eine für den europäischen Markt geeignete Impfung gegen die Erreger der Lyme-Borreliose verfügbar sein wird.

 

 

Dr. Volker Fingerle und Prof. Dr. Dr. Andreas Sing
Nationales Referenzzentrum für Borrelien NRZ