Panel-Diagnostik in der Onkologie: Für eine zielgerichtete Therapie

Mithilfe der Entwicklung der Next-Generation-Sequencing(NGS)-Technologie ist es gelungen, individuelle genetische Testung in die Versorgung onkologischer Patienten zu integrieren. Die klinische Anwendung der Panel-Diagnostik in der Onkologie spielt dabei zunehmend eine Rolle, sowohl im Rahmen der Erstdiagnose als auch nach Ausschöpfung der Standardtherapie. Es konnte damit erreicht werden, die Prognose von Krebspatienten durch Verwendung zielgerichteter Therapien entscheidend zu verbessern.

Schlüsselwörter: NGS, Panel-Sequenzierung, NSCLC, Tumormutationslast, Mikrosatelliteninstabilität

Groß angelegten genomischen Studien wie dem „The Cancer Genome Atlas“-Programm (TCGA; cancergenome.nih.gov/) ist es gelungen, in verschiedenen Tumorentitäten eine Vielzahl genetischer Alterationen zu identifizieren, die für die Tumorentstehung und -progression relevant sind. Diese sogenannten onkogenen Treibermutationen führten zu der Entwicklung neuer therapeutischer Ansätze, die unter dem Überbegriff „Präzisionsonkologie“ oder „personalisierte Medizin“ zusammengefasst werden. Hierunter wird die individualisierte Behandlung eines Patienten basierend auf einer umfassenden molekulargenetischen und zellulären Analyse seines zugrunde liegenden Tumorgewebes verstanden (Abb. 1).

Ein Hauptelement dieser Diagnostik stellt die Sequenzierung von Tumor-DNA dar. Sie dient der Identifizierung onkogener Treiber, die therapeutisch durch zielgerichtete Medikamente adressiert und genutzt werden können. Ein Beispiel für solche genetischen Alterationen sind Tropomyosin-Rezeptor-Kinase(TRK)-Fusionen. Mit Larotrectinib und Entrectinib existieren hierfür bereits in Europa zuge­lassene Medikamente, deren Wirkung rein auf der genetischen Alteration im Tumor beruht und unabhängig von der Tumor­entität ist.
Eine der großen Herausforderungen der Präzisionsonkologie ist die Diagnostik solcher genetischen Veränderungen. In der letzten Dekade stellte die Sanger-Sequenzierung den Standard in der Routine-Dia­gnostik von Tumor-DNA dar; sie wird jedoch zunehmend vom Next Generation Sequencing (NGS) abgelöst. Auf diese Weise kann auf eine langwierige Stufendiagnostik mittels Sanger-Sequenzierung verzichtet und eine kosten- und zeitsparende Alternative geschaffen werden. Wissenschaftliche Projekte wie das TCGA-Programm greifen dabei häufig auf eine Ganz-Exom- (engl. Whole Exome Sequencing, WES) oder Ganz-Genom-Sequenzierung (engl. Whole Genome Sequencing, WGS) mittels NGS zurück. Diese Verfahren haben den Vorteil, dass sie umfängliche Mutationsdaten über die kodierenden Bereiche bzw. das gesamte menschliche Genom liefern. Für die Anwendung in der klinischen Routine ist es jedoch zum aktuellen Zeitpunkt noch zu aufwendig und kostenintensiv, die erheblichen Datenmengen für jeden einzelnen Patienten klinisch auszuwerten und zu interpretieren.

Panel-Sequenzierung

Man geht davon aus, dass von über 20.000 Genen im menschlichen Genom nur etwa 500 an der Krebsentstehung beteiligt sind [1]. Für den Einsatz in der Onkologie werden daher zunehmend Multi-Gen-Panels entwickelt, die Gene umfassen, die entweder einen gemeinsamen klinischen Bereich abdecken oder im Falle der Tumor-analytik therapeutisch nutzbar oder von prognostischer Bedeutung sind. Durch das wiederholte Sequenzieren derselben Sequenz ist eine deutliche Steigerung der Genauigkeit der Sequenzierungsergebnisse möglich. Zudem gestalten sich sowohl die Durchführung der Sequenzierung als auch die klinische Interpretation der Resultate erheblich kosten- und zeiteffizienter als die aufwendige WGS- bzw. WES-Methode. Die Panel-Diagnostik wird bereits von einigen Firmen und Forschungseinrichtungen angeboten [1]. Auch in Deutschland findet die Panel-Sequenzierung an verschiedenen universitären und nicht-universitären Zentren insbesondere im Kontext molekularer Tumorboards Anwendung. Für gewöhnlich werden für eine Panel-Diagnostik in Formalin fixierte und in Paraffin eingebettete (FFPE) Gewebeschnitte verwendet. Da es bei dieser Art der Gewebefixierung oft zur Degradierung der Tumor-DNA kommt [2], ist vor allem ein hohes Maß an Erfahrung bei der Verarbeitung und Aufbewahrung der Tumorproben essenziell [3]. Die Zusammensetzung der Gen-Panels schwankt dabei je nach Einsatzgebiet und Tumorentität.

NSCLC

Für einige Tumorentitäten bildet die Panel-Diagnostik mittels NGS bereits in der klinischen Routine einen festen Bestandteil. Ein Beispiel hierfür ist der nicht-kleinzellige Lungenkrebs (Non Small Cell Lung Cancer, NSCLC). Die aktuellen Empfehlungen basieren bereits jetzt in der Erstlinientherapie auf prädiktiven histologischen, immunhistochemischen und genetischen Markern. Die Entdeckung zielgerichtet therapierbarer genetischer Alterationen wie EGFR-Mutationen und ROS1- und ALK-Translokationen hat die systemische Lungenkrebs-Therapie revolutioniert und die Prognose betroffener NSCLC-Patienten entscheidend verbessert. Die Sequenzierungs-Analyse mittels  NGS wird bei Erstdiagnose des fortgeschrittenen NSCLC empfohlen und mittlerweile  von den Krankenkassen übernommen. Bestrebungen, deutschlandweit allen Patienten mit nicht kurativ behandelbarem Lungenkrebs einen Zugang zu molekularer Diagnostik und innovativen, personalisierten Therapien in der Routineversorgung zu ermöglichen, führten 2010 zur Gründung des nationalen Netzwerks für genomische Medizin (nNGM) [4]. Basierend auf einer Panel-Sequenzierung mit einem Gen-Panel, das für das NSCLC relevante Treiber­alterationen umfasst, werden Therapieempfehlungen sowohl In- als auch Off-label erstellt und die Verfügbarkeit klinischer Studien aufgezeigt. Bei den empfohlenen Medikamenten handelt es sich meist um zielgerichtete Therapeutika, die entweder an extrazellulär gelegene, Liganden-bindende Rezeptoren der Zell­oberfläche oder an intrazelluläre Proteine angreifen. Auf diese Weise nehmen sie Einfluss auf die Signaltransduktion, die an der Steuerung von Zellproliferation und -differenzierung beteiligt ist. Inzwischen sind zudem Resistenzmutationen bekannt, die durch die Sequenzierung von zirkulierender Tumor-DNA detektiert werden können. Auf diese Weise kann die Wahl des zielgerichteten Medikaments ent-sprechend seines Wirkungsspektrums individuell angepasst werden.

Weitere Biomarker

Des Weiteren umfassen größere Gen-Panels zunehmend auch Parameter wie die Tumormutationslast, die als prädiktiver Biomarker für ein Ansprechen auf eine Immun-Checkpoint-Inhibition herangezogen werden kann. Die erhöhte Rate somatischer Mutationen ist dabei mit der Bildung von Neoantigenen assoziiert, was zu einer vermehrten Tumorinfiltration durch zytotoxische T-Lymphozyten führt [5]. Der Nachweis einer erhöhten Tumormutationslast (> 10 Mutationen/Megabase) führte inzwischen auch Entitätenübergreifend zur Zulassung von Pembrolizumab durch die U. S. Food and Drug Administration (FDA) basierend auf einer Sequenzierungsanalyse mit einem definierten Assay. Einen weiteren Biomarker für die Immuntherapie stellt die Mikrosatellitenstabilitäts(MSI)-Analyse dar, die ebenfalls mittels NGS detektiert werden kann. Sie ist die häufigste Ursache für eine Hypermutation im Tumor, die durch defekte DNA-Reparaturmechanismen ausgelöst wird. Die ursächlichen Mutationen in den verantwortlichen DNA-Reparatur-Genen MLH1, MLH2, MSH6 und PMS2 können dabei im Rahmen der Sequenzierungsanalyse identifiziert werden. Es handelt sich sowohl um somatische als auch um Keimbahnmutationen. Die bisher in der MSI-Diagnostik übliche immunhistochemische Analyse wird nun durch NGS ergänzt.

Experimentelle Therapieoptionen

Auch außerhalb der Routine-Diagnostik bei Erstdiagnose von fortgeschrittenen Tumorleiden gewinnt die Sequenzierung von Tumor-DNA mittels Gen-Panels zunehmend an Bedeutung. Hier besteht das Ziel darin, Patienten nach Durchlaufen der Standardtherapien neue, experimentelle Therapieoptionen zu eröffnen. Mithilfe von NGS wird nach onkogenen Treiberalteratio­nen gesucht, für die ziel-gerichtete Therapien aus anderen Entitäten in Studien getestet wurden. Diese werden anschließend meist in Form eines interdisziplinären molekularen Tumorboards interpretiert und in den klinischen Kontext gesetzt. Auf diese Weise können Therapieempfehlungen auch jenseits der zuge­lassenen Standard­optionen ausgesprochen werden.

Fazit

Auch wenn die NGS-basierte Gen-Testung das Potential dazu hat, die tägliche Routine in der Diagnostik und Therapie onkologischer Patienten von Grund auf zu verändern, so stellt sie das Gesundheitssys-tem vor neue Herausforderungen. Problematisch sind nach wie vor die hohen Kosten sowohl der Dia­gnostik als auch der daraus resultierenden zielgerichteten Medikamente. Darüber hinaus bildet die Tumorgenetik lediglich einen Bestandteil der Präzisionsonkologie. Abb. 2 verdeutlicht die Komplexität der möglichen analytischen Modalitäten.

Durch die klinische Interpretation und Zusammenführung der gewonnenen Informationen über die zugrunde liegende Tumorerkrankung wird eine personalisierte Medizin ermöglicht, die die Prognose von Tumorpatienten weiter verbessern können wird.

Dieser Beitrag wurde bereits in Trillium Diagnostik 2020; 18(3):177–179 publiziert. Der Originalartikel wurde für Trillium Krebsmedizin aktualisiert.

Autoren
Dr. med. Kristina Riedmann
Medizinische Klinik für Hämatologie und Onkologie CCC München
III. Medizinische Klinik am Klinikum rechts der Isar
Prof. Dr. med. Philipp Jost
Medizinische Klinik für Hämatologie und Onkologie CCC München
III. Medizinische Klinik am Klinikum rechts der Isar