Onkologisches Symposium 2023
Wunschliste für zukünftige molekulare Tumorboards
Nach Meinung von Prof. Dr. Lena Illert, München, müssen die molekularen Tumorboards in Deutschland weiterentwickelt werden, um eine Präzisionsonkologie zu erreichen. Im Rahmen des Onkologischen Symposiums 2023 in München – ausgerichtet von Trillium GmbH Medizinischer Fachverlag – stellte die Onkologin ihre Wunschliste für zukünftige molekulare Tumorboards vor.
Als ersten Schritt brauche es eine umfassende prospektive, mit dem Gendiagnostikgesetz konforme Aufklärung der Patient:innen, sagte Illert. Sie bezog sich dabei auf das Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz (GVWG) vom 11.07.2021 (BGBl. I, 2754), in dem in § 64e SGB V ein Modellvorhaben zur umfassenden Diagnostik und Therapiefindung mittels Genomsequenzierung sowohl bei seltenen als auch bei onkologischen Erkrankungen bestimmt wurde. „Wir gehen mit dem neuen Paragraf 64e weg von der Sequenzierung der Gen-Panels hin zur Whole-Exome- und Whole-Genome-Sequenzierung“, erklärte sie. Nach der Aufklärung wünscht sich Illert ein vorgeschaltetes Indikationsboard, in dem entschieden werde, welche personalisierte Diagnostik die Patient:innen benötigen. Über die klinische Interpretation der molekularen Daten und deren Validierung könne dann die Therapie vom molekularen Tumorboard empfohlen werden. Entscheidend sei es anschließend, die Daten der Patient:innen in einer gemeinsamen Datenbank zu sammeln und regelmäßig nachzuverfolgen. „Wir müssen schauen, ob die Therapien, die wir empfehlen, auch etwas bringen“, forderte sie.
Wichtige diagnostische Daten für das molekulare Tumorboard
Doch welche Daten benötigt ein molekulares Tumorboard, um eine sinnvolle Therapie empfehlen zu können? Hier sei es wichtig, neben bekannten Genmutationen auch Fusionen einzubeziehen. Dazu nannte Illert das Beispiel der BRAF-Inhibition. Denn bisher gebe es keine Therapie für Nicht-BRAFV600-Mutationen wie Fusionen und Non-Fusionen von BRAF- (Klasse 2) sowie inaktivierende BRAF-Mutationen (Klasse 3). Eine neue Substanz, die auch diese BRAF-Alterationen hemmt, ist womöglich der experimentelle BRAF-Inhibitor Plixorafenib (FORE8394). In einer Phase-I/IIa-Studie zeigte das Medikament erste vielversprechende Ergebnisse bei fortgeschrittenen BRAF-mutierten soliden und ZNS-Tumoren [1]. „Wir haben hier eine neue Substanz, die wir intelligent für verschiedene Mutationen einsetzen könnten“, folgerte Illert.
Daneben sei die Betrachtung von biologischen In-vitro-Daten für Mutationen wichtig. Denn beispielsweise seien im Rahmen der von Illert und Kolleg:innen durchgeführten Basket-Studie SORATRAM die Daten aus dem bioinformatischen Modelling und aus der Zellkultur teilweise widersprüchlich, was aktivierende BRAF-Mutationen angehe. „Wir brauchen wirklich die Daten aus der Zellkultur“, forderte sie.
Zudem müssten sowohl Expressionsdaten mittels der Immunhistochemie als auch Daten der Liquid Biopsy (ctDNA) longitudinal und repetitiv erhoben und bewertet werden. Als Beispiel brachte sie den HER2-Status beim triple-negativen Mammakarzinom in einer Single-Center-Studie an, in der die HER2-Amplifikation unter der Therapie mit dem Antikörper-Wirkstoff-Konjugat Trastuzumab-Deruxtecan per ctDNA festgestellt wurde [2]: „Wir wissen, dass sich die Tumoren über die Zeit verändern – die Positivität und Negativität des HER2-Status wechseln mehr als die Hälfte der Patient:innen im Verlauf ihrer Erkrankung“, erklärte sie. In der Studie hatte sich gezeigt, dass „wenn man fünf Mal hintereinander die Patient:innen biopsiert, hat man bei fünf Samples eine Chance von 100%, dass eine Patientin oder ein Patient einen HER2low-Status aufweist“, fasste sie zusammen. „Das bedeutet für uns, wir brauchen repetitive Biopsien“, resümierte Illert.
Sabrina Kempe
Quelle: Bericht vom Onkologischen Symposium „Vom Biomarker zur Therapie“ am 06.10.2023 in München.