Die räumliche und zeitliche Heterogenität von Tumoren würde es erschweren, prädiktive Biomarker zu identifizieren, denn eine Gewebebiopsie repräsentiere nicht die Gesamtheit des Tumors; zudem verändere sich der Tumor mit der Zeit, erklärte Claus. „Genau dort hat die Liquid Biopsy eine ganz wichtige Rolle, da sie komplementäre Informationen zur Gewebebiopsie bietet: Sie ist minimalinvasiv, häufig auch schneller und man kann sich die Veränderungen des Tumors zu verschiedenen Zeitpunkten immer wieder anschauen“, sagte er. Mithilfe der Liquid Biopsy kann man aus Körperflüssigkeiten wie Blut, Urin oder Liquor Informationen über den Tumor gewinnen, zum Beispiel anhand von zirkulierender Tumor-DNA (ctDNA), zirkulierenden Tumorzellen, Vesikeln, Proteinbiomarkern oder auch RNA. „Zu ctDNA gibt es aber bisher die meisten Daten zu klinischer Nützlichkeit“, wusste Claus.
Blinde Flecke der Gewebebiopsie mit Liquid Biopsy ausfüllen
In den japanischen SCRUM-Japan GI-SCREEN and GOZILA-Studien bei gastrointestinalen Tumoren sei die Konkordanz zwischen der Gewebe- und der Flüssigkeitsbiopsie zur Detektion genomischer Biomarker in den meisten Fällen sehr hoch gewesen [1], stellte Claus fest. Hingegen war in einer Studie aus den USA und Italien die Liquid Biopsy der Gewebebiopsie in der Detektion von Resistenzmutationen überlegen: Resistenzalterationen, die mithilfe der Liquid Biopsy gefunden worden waren, wurden in 78 % der Fälle nicht mittels der Standardbiopsie erkannt [2]. „Die Liquid Biopsy bietet die Möglichkeit, breiter zu schauen und blinde Flecke, die wir durch die Gewebebiopsie haben, zu überkommen“, folgerte Claus. Allerdings gebe es beispielsweise beim nichtkleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) auch genetische Varianten, die man entweder nur im Gewebe oder nur im Plasma finden könne [3]. Deshalb das Fazit von Claus: „Die Liquid Biopsy und die Gewebebiopsie sind keine exklusiven, sondern komplementäre Methoden, die sich durchaus ergänzen können.“ Ein großer Vorteil der Liquid Biopsy sei nämlich die Möglichkeit des Therapiemonitorings. Als Beispiel nannte Claus die CHRONOS-Studie beim Kolorektalkarzinom (CRC) [4]. Darin erhielten CRC-Patient:innen mit RAS-Wildtyp eine Anti-EGFR-Therapie bis zum Progress der Erkrankung, die mit der Entwicklung von RAS-positiven Klonen verbunden war, wie man mittels Liquid Biopsy herausgefunden hatte. Die Betroffenen wurden deshalb im weiteren Verlauf mit Chemotherapie ohne Anti-EGFR-Therapie weiterbehandelt. Beim nächsten Progress wurde anhand der Liquid Biopsy festgestellt, dass bei 69 % der Behandelten die resistenzvermittelnde RAS-Mutation aufgrund des fehlenden Selektionsdrucks wieder verloren gegangen war. „Daraufhin hat man die therapeutische Konsequenz gezogen, dass man die Patient:innen erneut einer EGFR-gerichteten Therapie zugeführt hat, was bei einem Viertel zu einem objektiven Ansprechen geführt hat. Longitudinales Profiling ist für die Therapieentscheidung durchaus relevant“, meinte Claus.