Strategie für Super-Antikörper für universelle Impfstoffe

Jedes Jahr im Herbst werden neue Impfstoffe gegen Grippe nötig, da die Viren ständig ihre Bestandteile ändern, auf die unser Immunschutz anspricht. Ziel der Medizin sind daher universelle Impfstoffe, die stabilere Teile der Viren nutzen. Diese neue Generation von breit neutralisierenden Antikörpern ist besonders wichtig für die Kontrolle lebensbedrohlicher viraler Infektionen wie Influenza, HIV oder Hepatitis. Forscher am BRICS (Braunschweig Integrated Centre of Systems Biology) identifizierten mit Computer-Simulationen neue Strategien, um die natürliche Bildung breit neutralisierender Antikörper in Lymphknoten zu fördern. Die Erkenntnis des neuen Selektionsmechanismus stellt die Theorie der „Antigenerbsünde“ infrage und könnte zukünftig genutzt werden, um innovative Therapien und Impfprotokolle zu designen und zu testen.
Die Simulationen zeigen, dass Gedächtnis-B-Zellen von vorigen Immunreaktionen bei einer erneuten oder andauernden Infektion die Antikörper produzieren, die an dominant präsentierte Virus-Epitope binden und dadurch ihre eigene Beteiligung am erneuten Training im Keimzentrum verhindern. Das macht den Weg frei für B-Zellen, die sich auf die schlecht zugänglichen Epitope konzentrieren können und erklärt, warum einige Individuen die breit neutralisierenden Antikörper erzeugen.
Im nächsten Schritt müssen die Simulationsergebnisse im Labor überprüft werden. Es gibt bereits Hinweise, dass die Feedbackhemmung mit Antikörpern tatsächlich funktioniert. Kinder von HIV-infizierten Frauen bilden verstärkt breit neutralisierende Antikörper, nachdem sie die nicht-breit neutralisierenden HIV-Antikörper von der Mutter übernommen hatten. Die mütterlichen Antikörper decken die dominanten Epitope bereits ab und erleichtern damit die Entstehung der breit neutralisierenden Antikörper.
Die Erkenntnis, wie breit neutralisierende „Super-Antikörper“ gegen schlecht zugängliche oder versteckte Virusbestandteile in den Keimzentren selektiert werden, stellt die Theorie der „Antigenerbsünde“ infrage, laut der Antikörper bei Re-Infektion nur gegen Epitope gebildet werden, die bereits auf dem Virus bei der ersten Infektion vorhanden waren. „Der neu entdeckte Feedback-Mechanismus zeigt, dass sich das Immunsystem lieber auf neue Probleme konzentriert, als alte Probleme optimiert zu lösen. Dieses Verständnis könnte zukünftig maßgeblich die Entwicklung universeller Impfstoffe beeinflussen“, sagt Prof. Michael Meyer-Hermann, Leiter der Abteilung „System-Immunologie“ am HZI.